Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
|
im Kehlkopfe verspürt. Für den Arzt muß dann noch die äußere und innere Untersuchung des Kehlkopfes weitere Auskunft über das Leiden desselben geben. – Was die Kehlkopfskrankheiten selbst betrifft, so ist von ihnen der Katarrh die häufigste, auch sehr viele andere Krankheiten begleitende und glücklicher Weise in den allermeisten Fällen die ungefährlichste, denn er verschwindet in der Regel nach 3 bis 8 Tagen bei richtigem diätetischem Verhalten ganz von selbst. Wohl kann derselbe aber bei Kindern, wenn nicht die gehörige Vorsicht dabei angewendet wird, durch Steigerung der katarrhalischen Entzündung zu Croup oder durch Ausdehnung derselben bis in die Lunge tödtlich ablaufen; auch ist es schon vorgekommen, daß durch Mißhandlung eines Kehlkopfkatarrhs bei Erwachsenen Erstickung durch wässrige Schwellung der Schleimhaut (Oedem) eingetreten ist. Jedenfalls vermögen bei Erwachsenen öfter wiederkehrende und längere Zeit andauernde Kehlkopfskatarrhe durch Verdickung des Schleimhautüberzuges der Stimmbänder der Stimme Klang und Metall für immer zu rauben, wenn nicht gar Verengerung der Stimmritze nach sich zu ziehen. Deshalb sind derartige Katarrhe so viel als möglich zu verhüten oder doch gleich bei ihrem Entstehen wohl zu beachten. Die von Vielen ganz mit Unrecht so sehr gefürchtete Kehlkopfsschwindsucht (d. i. die Zerstörung der Kehlkopfsschleimhaut durch Geschwüre) entspringt äußerst selten aus Katarrhen und ist überhaupt, wenn sie wirklich vorkommt, gewisser und nur dem Arzte wichtiger Nebenumstände wegen, von keiner großen Bedeutung.
Bei Behandlung der Kehlkopfskrankheiten ist die oberste Bedingung „Ruhe des Stimmorgans“ und deshalb muß, zumal lautes, Sprechen und Singen ganz unterbleiben. – Sodann muß die Luft, welche der Patient einathmet, stets (auch bei Nacht) warm (gegen + 15 ° R.) und ganz rein sein. Besonders ist schneller Wechsel zwischen warmer und kalter Luft, besonders bei Kindern, ängstlich zu vermeiden und deshalb kann, wenn der Patient nicht fortwährend in dem warmen Zimmer bleiben kann, der Respirator (s. Gartenlaube 1855, Nr. 8) bei Kehlkopfsleiden als das vortrefflichste Sicherungs- und Heilmittel empfohlen werden. – In Bezug auf Speise und Trank, so sind nur warme, milde und reizlose, vorzugsweise flüssige, breiige und schleimige Nahrungsstoffe zu genießen, alles Kalte und Reizende (Gewürze, Spirituosa) aber streng zu vermeiden. – Der Hals braucht nur mäßig warm und locker eingehüllt zu werden; Blutegel, Umschläge, Senfpflaster, Pockensalbe, spanische Fliegen[WS 1] und Haarseile nützen so gut wie nichts und dienen nur zur Plage des Kranken. Vortheilhaft sind dagegen Einathmungen von warmen Wasser-Dämpfen und in hartnäckigen Fällen von Seiten des Arztes die örtliche Anwendung des Höllensteins direkt auf die Schleimhaut des Kehlkopfes. Es versteht sich übrigens wohl von selbst, daß Alles, was den Herzschlag und das Athmen beschleunigt, also jede Erhitzung und Anstrengung, so viel als nur möglich zu fliehen ist, und daß man sich vor jeder Erkältung zu hüten hat. – Um den Hals gegen den schädlichen Einfluß rauher Witterung, kalter Zugluft und plötzlichen Temperaturwechsels unempfindlicher zu machen (d. i. stärken), gewöhne man denselben allmälig an größere Kälte und zwar mit Hülfe kühler und kalter Waschungen (besonders auch des Nackens) und durch leichte Bekleidung oder Bloßtragen desselben.
Die Thronfolgerin des „kranken Mannes.“ Kartoffel und ein neuer Trank dazu.
Ich weiß nicht mehr, welcher Professor es war, der seinen Vortrag damit anfing: „Meine Herren, wenn Sie Kartoffeln essen, dann gehen Sie lieber gleich wieder nach Hause, weil Sie in diesem Falle meine Vorlesung nicht verstehen können.“ Der Mann hatte so Unrecht nicht. Ich weiß nicht, wie viel Decimalbrüche von Geist in den Kartoffeln stecken, wenig ist’s aber jedenfalls, so wenig, daß der Mensch auf die Dauer auch nicht in der geringsten Sphäre der Kultur damit auskommen kann. Er verbraucht in diesem Falle immer mehr als er einnimmt. Sicherer wissen wir schon das Deficit an meßbarer Nahrungskraft, welches durch dauerndes Kartoffelessen entsteht. Der Magen bekommt eine Ladung Kartoffeln und verbraucht zehn Pferdekraft, um eine halbe Menschenkraft daraus hervorzuwalken. Außerdem sind die Kartoffeln bekanntlich jetzt durchweg mehr oder weniger krank und dabei so theuer, als ständen sie unter Zollschutz. Wir sind durchweg so herunter in Geschmack und Gewohnheit, daß wir unsere Frau sehr brummisch behandeln würden, brächte sie zum besten Braten nicht auch einen Kübel Kartoffeln. Wie Friedrich der Große die Bauern mit dem Krückstock zur Kartoffelkultur zwang, sollte sich jetzt jeder Kartoffelsclave selbst einen Stock anschaffen und sich damit jedesmal kasteien, so oft er Kartoffeln gegessen. Es ist eine Schande für unsere ganze Civilisation, daß wir lieber entbehren, hungern und Geld auf dem Altare des Gewohnheitsthierrechts verschwenden, statt uns auf der reichgedeckten Tafel der Natur nach bessern Gerichten umzusehen und zuzugreifen.
Nur eigentlich gelehrte Botaniker und wissenschaftliche Agrikulturisten haben bis jetzt beiläufig Versuche gemacht, die geisttödtende, körperschwächende, feig machende Kartoffel durch bessere Knollen zu ersetzen. In der Praxis, in’s Volk ist diese Weisheit noch nicht gedrungen.
Wir verdienen daher außer unserm Honorar einen Gotteslohn, wenn wir hier auf die Mittel hinweisen, wie man die Kartoffel und den daraus hervormaltraitirten Fusel thatsächlich verdrängen kann. Der Stern der Hoffnung für das Auge des hungrigen und kartoffelverkümmerten Europa ist nach dem Oriente gerichtet. Die Alliirten haben nicht umsonst ihren Kreuzzug unternommen. Unter ihren Siegestrophäen steht die Thronfolgerin der Kartoffel oben an, eine vor sechs Jahrtausenden schon berühmte segensreiche Frucht, eine Art Jamswurzel. Wie die schon bekannten, ost- und westindischen Jams, gehört die Pflanze zu der Gattung dioscorea, doch hat sie ganz specifische Vorzüge. Der Franzose Decaisne und der Engländer Lindley haben sie durch Anbau und chemisch untersucht, und sind Beide entschieden der Ansicht, daß sie unserer Kartoffelnoth in ganz Europa ein seliges Ende machen könne. Die Pflanze hat große perennirende Wurzeln, deren obere Enden faustdick werden. Nach Unten nehmen sie ab geradlinig bis zur Dicke eines Fingers und dringen in lockerem Boden bis über eine Elle tief ein. Der Stengel, von der Dicke einer Gänsefeder, cylindrisch, sich von Rechts nach Links windend, violet, mit kleinen, weißen Fleckchen, wird zwei Yards hoch und stirbt jedes Jahr ab. Ohne Stütze knickt er leicht nach der Erde und schlägt reichlich neue Wurzeln. In China ist die Pflanze seit Jahrtausenden verbreitet und unter dem Namen „Sän-in“ bekannt. Sie ist die Kartoffel Chinas. Französische Kunstgärtner haben sie seit einiger Zeit kultivirt und genau studirt. Folgende sind ihre Hauptergebnisse: 1) in Geschmack und Nahrhaftigkeit (nach Professor Decaisne) der Kartoffel überlegen; 2) mehr Ertrag und sicherer, da keine Kartoffelkrankheit unter ihnen wüthet; 3) wächst gut auf sandigem, unfruchtbarem Boden und giebt die beste Gelegenheit, aus Wüsten und hungrigen Flächen Nahrung und Leben zu ziehen; 4) sehr verbreitungsfähig ohne Abnahme in Güte, Größe und Nahrungssaft, in jeder Jahreszeit ein leicht zugängliches Lebensmittel bietend; 5) kann Jahre lang in der Erde bleiben, ohne zu verderben; 6) geerntet kann sie in Kellern oder Schuppen mehrere Monate länger, als die Kartoffel, gesund erhalten werden, und endlich 7) braucht sie nicht einmal so lange Zeit kochen als die Kartoffel.
Decaisne bemerkt noch: „Soll eine neue Pflanze Aussicht auf Erfolg im Ackerbau haben, muß sie gewisse Bedingungen erfüllen. Nun aber erfüllt die chinesische Jamwurzel alle Bedingungen, die man an sie stellen kann. Sie gedeiht in Frankreich ganz vortrefflich, ohne daß die kräftige, saftige, fleischige Wurzel an Nahrungsstoff oder Geschmack verliert. Sie schmeckt schon roh, läßt sich leicht rösten oder kochen und schmeckt dann wie eine Art Mehl (fécule). Sie ist sofort ein eßbares Brot und in jeder Beziehung der Kartoffel vorzuziehen. Lindley empfiehlt folgende Regeln für deren Kultus in England. Zur Fortpflanzung sucht man die kleinsten Wurzeln aus und schützt sie während des Winters nur vor Frost. Im Frühlinge pflanzt man sie in Furchen, ziemlich nahe an einander in gut und tief aufgelockerten Boden. Sie schießen bald in langen Keimen am Boden hin, welche, wenn sie die Länge
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Fiegen
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 638. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_638.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2023)