Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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vom Ufer ab war, hätte ich dieses in den Kleidern und schweren Jagdstiefeln schwerlich erreichen können. Dieser Grund hielt mich auch ab, ohne Weiteres über Bord zu springen, und den Hund mit dem Boot seinem Verderben zu überlassen.
Das Beste, was ich thun konnte, war daher, den Hund so starr als möglich zu fixiren und ihn durch meine ruhige Haltung zu nöthigen, sich zurückzuziehen. Dies that ich auch eine Weile mit vollster Kaltblütigkeit. Darauf beunruhigte mich aber eine neue Beobachtung. Es hatte sich eine frische Briese erhoben und trieb mich mit meinen Laubsegeln der offenen See zu, und ungefähr eine halbe Meile vor mir zeigte sich eine Reihe von Klippen, an der mein Boot unfehlbar zerschellen mußte.
Diese Gefahr abzuwenden, mußte ich die Riemen ergreifen und das Boot aus der Strömung bringen. In dieser hätte ich einen gewissen Tod gefunden, den Hund konnte ich noch abwehren und er bildete daher die geringere Gefahr. Ich griff also nach einem Riemen, und als der Hund dies sah, mußte er sich seinerseits wohl für minder gefährdet halten, denn er zog sich auf sein früheres Lager zurück, und ich konnte mich zum Riemen niedersetzen. Ich hörte schon die Brandung rauschen, und es war die höchste Zeit, daß ich die Riemen gebrauchte. Nichts destoweniger führte ich rasch erst einen andern Entschluß aus. Ich behielt den Hund fest im Auge, der seinerseits jetzt furchtsam um sich blickte, und faßte leise nach dem Pulverhorn und Schrotbeutel in meiner Tasche, maß nach dem Gefühl eine Ladung ab und ließ sie in den Lauf gleiten. Als mir dies gelungen war, fühlte ich mich schon sicherer und lud den zweiten Lauf sorgsamer. Dann brachte ich das Gewehr ruhig in schußgerechte Stellung, wagte aber nicht, es an meine Backe zu heben und zu zielen, sondern maß die Richtung ebenfalls nach dem Gefühl ab und feuerte.
Ich hörte kaum den Hall des Schusses, so laut brüllte die See, aber ich sah den Hund sich überstürzen und in seinem Blute wälzen. Dies bewies mir, daß er schon hinlänglich getroffen sei, um unschädlich zu sein. Um ihn daher vollends zu beseitigen, legte ich das zweite Mal ordentlich an, zielte und streckte ihn unmittelbar darauf todt zu Boden. Jetzt legte ich mit aller Energie die Riemen ein, um mein schon auf den Wogen der See tanzendes Boot zu retten. Mit ein paar Schlägen warf ich es zurück und lenkte es darauf der Küste zu.
An meine Canvas-Enten dachte ich kaum mehr. Sie waren indessen längst fortgeschwemmt und eine Beute der Haifische geworden, und ich kümmerte mich auch nicht darum, denn ich war froh, daß ich der furchtbaren Gefahr entronnen war, und hatte keine größere Sehnsucht, als so schnell als möglich von dem Schauplatz derselben zu entkommen, und gelobte mir im Stillen, nie mehr mit einem mir unbekannten Hund auf die Entenjagd zu gehen.
In Nordamerika giebt es sechs Arten Wild: das Musethier (Cervus alres), welches mit dem europäischen Elenn identisch ist, das Elenn (Cervus Canadensis), das dem europäischen Rothwild entspricht, das Dammwild, welches ebenfalls dem europäischen gleicht (Cervus Virginanus) und die Amerika allein gehörenden Arten des Caribou oder Rennthiers (Sarandus), des schwarzschweifigen (macrotis) und des langschwänzigen (leucurus) Maulthieres. Der Hirsch von Louisiana sowie das Mazama von Mexiko sind nur Spielarten des virginischen Hirsches. Diesen meint man gewöhnlich, wenn von Wild in Amerika die Rede ist, denn er ist am Weitesten verbreitet, und man findet ihn fast in allen Zonen von Nord- und Südamerika. Er ist das kleinste Wild, denn er wird nicht höher als drei Fuß und wiegt selten mehr als 500 Pfund, ist aber äußerst zierlich gebaut und sein Schaufelgeweih steht ihm ungemein stattlich. Dies „schwarzschwänzige“ und „langschwänzige“ Wild hält sich nur im fernen Westen, in Californien, dem Oregongebiet, den hochgelegenen Prairien und den Thälern der Rocky Mountains auf. Die Naturforscher haben es erst wenig beschrieben, und es ist eigentlich nur den Jägern bekannt. Das Caribou oder Rennthier findet man nur im hohen Norden und nicht innerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten. Das Musethier ergeht sich dagegen bis an deren Nordrand. Eben da findet man auch das Elenn, das sich aber zugleich bis zu den gemäßigten Regionen, ja bis zum Süden von Texas hinabzieht.
Das Vorhandensein derselben Wildgattungen in Europa und Amerika beweist offenbar, daß es eine Periode gegeben haben muß, in der zwischen den nördlichen Theilen beider Continente eine Verbindung stattfand. Auch der Polarbär und die Polarfüchse beider gehören denselben Arten an.
Das amerikanische Dammwild ist ein werthvolles Thier, denn von ihm ist alles zu gebrauchen, das Fleisch, das Fell wie das Gehörn, und es ist sehr natürlich, daß ihm vielfach nachgestellt wird. Außer dem Menschen sind aber auch noch der Cougno, die Luchse, Wölfe und Wolwerinen seine Feinde. Die Jäger behaupten, daß die Wölfe fünf gegen eins, das sie schießen, rauben. Wenn ihnen auch die alten Thiere entgehen, so fallen ihnen doch die Kälber zur Beute. Nichts destoweniger findet man sie noch überall in Fülle, und wo man die Wölfe auszurotten sucht und die Schonzeit inne hält, wie im Staate New-York, vermehrt sich ihre Anzahl sogar.
Man erlegt sie auf verschiedene Weise, vom Anstand aus, wo man sich aber sehr still verhalten muß, weil sie ebenso scheu als neugierig sind, oder durch Spüren im festgefrornen Schnee, in dem sie nur schlecht laufen können, weil er ihnen die Läufe zerschneidet. Ich wohnte einmal einer solchen Jagd bei, auf der wir zwanzig Stück an einem Morgen erlegten. Ferner läßt man sie mit Hunden jagen und folgt ihnen zu Pferd oder läßt sie durch Menschen und Hunde treiben wie in Europa. Endlich stellt man Nachtjagden an, indem man ein Feuer von Kienäpfeln in einer eisernen Pfanne anzündet und mit dieser den Wald durchstreift. Sehen die Thiere diesen sonderbaren Gegenstand, so kommen sie gewiß näher, und man kann ihre Augen, die wie Kohlen leuchten, deutlich unterscheiden und darauf zielen.
Als ich mich an der Jagd des Dammwildes hinlänglich gesättigt hatte, suchte ich die langschwänzigen Thiere im Westen auf. Ihre langen Ohren sowie ihre Schweife gaben ihnen in der That etwas Maulthierartiges, weshalb sie von den Trappern auch so genannt werden, sie gehören aber offenbar zum Dammwildgeschlecht, denn sie haben eben solches Gehörn und ihre Farbe ist röthlich braun, ihr Schweif jedoch an der Spitze schwarz, ihr Bau etwas kürzer und gedrungener. Beim Laufen springen sie mit allen Vieren zugleich, während die langschwänzige Art mehr im Trab wie das Dammwild läuft oder mit diesem und dem Springen abwechselt. Dabei halten die letztern ihren Schweif aufrecht, so daß sie einen ziemlich lächerlichen Anblick darbieten. Diese sind das kleinste Wild, denn sie wiegen selten mehr als hundert Pfund. Sie gleichen ganz dem Dammwild, bis auf den Schweif, der häufig achtzehn Zoll lang wird. Vom November bis April äsen sie in großen Heerden mit einander, dann trennen sich die Kühe. um zu werfen; am Liebsten halten sie sich in den parkähnlichen, offenen Waldstellen auf, wo sie eine fettere Weide und eine freiere Aussicht haben. Dort sieht man sie in ungeheuren Massen bei einander und sie geben solchen Landschaften ein eigenthümliches Leben.
Als ich mich in den Rocky Mountains in der Nähe von Fort Vancouver befand, begab ich mich einmal mit nur einem Diener begleitet auf die Jagd nach dem langschwänzigen Dammwild, die einen sonderbaren Verlauf nahm. Wir gingen lange Zeit einen Strom entlang, ohne auf Wild zu stoßen, so daß Dick, mein Diener, der ein erfahrener Jäger war, mir zuredete, landeinwärts zu gehen, wo wir gewiß auf Wild stoßen würden. Wir sahen auch alsbald verschiedene Stück, sie waren aber ungemein scheu und flohen mit einem pfeifenden Ton davon, der die andern ebenfalls zur Flucht trieb. Nicht lange darauf hörten wir, daß eine Parthie Indianer vor drei Tagen das Revier abgejagt habe und das Wild deshalb noch so scheu sei.
„Dann, Master,“ sagte Dick zu mir, „müssen wir’s anders anfangen. Ich will Euch doch zum Schuß verhelfen. Kommt da hinunter nach dem Sumpf.“ Ich folgte ihm. „Seht Ihr die Pflanze da mit den breiten Blättern und den weißen Blüthen?“
„Ja.“ Ich kannte sie wohl, es war eine baumähnliche Pflanze, welche in der Botanik Heracleum lanatum heißt; was sie aber auf der Jagd nutzen sollte, war mir unbekannt.
Dick zeigte es mir. Er schnitt einen Zweig ab, etwa sechs Zoll lang, und richtete ihn zu einer Art Trompete zu. Als er den rechten Ton heraus hatte, sagte er mir, nun wolle er die Thiere schon rufen, ich solle mich ruhig hinter dem Gebüsch und schußfertig halten.
Es dauerte auch in der That nicht lange, so kam auf seine Töne ein Bock herbeigesprungen, der sich offenbar nach dem herausfordernden
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 600. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_600.jpg&oldid=- (Version vom 28.7.2023)