Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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als Tempelbau gerichtet ist und sich durch kolossale Terrassen, graziöse Schlankheit der Säulen und die Form des Einhorn- oder Stierkapitäls auszeichnet. Jedoch fehlte ihr ein einheitliches System, gerade wie den Persern auch in politischer Beziehung staatliche Einheit mangelte. Uebrigens blieb die persische Architectur nicht ohne fremde Einflüsse, und zwar scheint der ägyptische und griechisch-ionische Styl darauf eingewirkt zu haben. Das Gebälk und die Täfelungen der Wände waren von Cedern- und Cypressenholz, das mit Platten von Gold und Silber überzogen war.
Unter den auf unsere Tage gekommenen Ueberresten persischer Baukunst sind vorzüglich die Grabmäler der persischen Könige (in der Ebene von Merghab) erwähnenswerth; ausgezeichnet vor allen ist das Grabmal des Cyrus, welches, aus schönem weißen Marmor gebaut, einem kleinen mit schrägem Steindache bedeckten Hause gleicht und auf einem aus sieben kolossalen Stufen bestehenden terrassenartigen Unterbaue thront. Auch in den Trümmern von Persepolis, unweit Merdasht, zeigen sich noch Spuren eines großartigen Königspalastes mit mächtigen Terrassen- und Treppenanlagen, schlanken, glänzendweißen Marmorsäulen. Die zahlreichen, an den Gebäuden entdeckten Keilinschriften beziehen sich auf Darius und Xerxes.
Aegyptens Geschichte reicht bis in die graueste Urzeit hinauf und schon vor mehr als 3000 Jahren vor Chr. errichtete man im alten Reiche von Memphis in Unter-Aegypten die Kolossalbauten der Pyramiden. Eine etwa 2000 vor Chr. stattgehabte Eroberung durch ein barbarisches Nomadenvolk, die Hyksos, deren Herrschaft etwa 500 Jahre dauerte, trennt die Geschichte Aegyptens in die des alten und des neuen Reichs; in letzterer wurde nach Vertreibung der Hyksos durch Thutmes III. das hundertthorige Theben der Mittelpunkt. – Den meisten Einfluß auf die Bildung der Aegypter, welche, wie bekannt, in der Geometrie und Astronomie schon viel leisteten, übten die räthselhaften, mit merkwürdiger Regelmäßigkeit wiederkehrenden Ueberschwemmungen des Nils aus, deren Ursachen man bis jetzt ebensowenig wie die Quellen des Flusses erforscht hat. Sie zwangen das Volk zur Berechnung des Eintritts der Ueberschwemmung, zur Regulirung des Stromes, zu Kanal- und Deichanlagen. Wahrscheinlich bildeten auch diese Ueberschwemmungen durch die Regelmäßigkeit ihrer Wiederkehr bei den alten Aegyptern den Sinn für strenge Ordnung und Regelmäßigkeit aus. Allen ihren Einrichtungen ist nämlich ein Geist festbegründeter Norm eingeprägt, und der Volkscharakter zeigt eine scharfe und einseitige Ausbildung des Verstandes. Die Religion des Volkes, welches dem Todeskultus sehr ergeben war und weit mehr unter der Macht des Priesterthums als der Könige stand, war zwar eine vielgötterige, aber in den Hauptgottheiten Isis und Osiris waren zunächst nur die natürlichen Erscheinungen der Nilanschwellung symbolisch ausgedrückt. Im Uebrigen gesellte sich ein Thierkultus von ziemlich roh sinnlichem Gepräge hinzu, wie man denn auch selbst den Göttern Thierköpfe aufsetzte. Für den vorwiegenden Trieb nach geschichtlichem Leben, sowie für das Bedürfniß bildnerischer Thätigkeit der Aegypter spricht ihre merkwürdige Erfindung der Hieroglyphen, in welcher ungefügen Schrift denkwürdige Thaten und Ereignisse den Denkmälern eingegraben sind.
Die hauptsächlichsten Merkmale, welche das Wesen der ägyptischen Architectur ausmachen, – die durch die kolossale Massenhaftigkeit und das gewaltig Gediegene ihrer Werke, im Vereine mit der bestechenden Pracht bildnerischen Schmuckes zur Bewunderung hinreißt, – sind: Solidität und Regelmäßigkeit der ganzen aus Stein errichteten schlichten, ernsten, eintönigen, aber durch seine Großartigkeit imponirenden Construktion; die flachen Steinbalkendecken; kurze, stämmige, in geringen Abständen aufgestellte kanellirte Säulen, die den mächtigen Deckenbalken als Stütze dienten und gebündelten, mit Bändern umwundenen Rohrstäben oder Lotosstengeln glichen; schräges Ansteigen aller Außenmauern, die ein fest begründetes, in sich zusammenhängendes Strebesystem als Gegendruck gegen die wuchtenden Steindecken bildeten. – Es ist unverkennbar, daß die ägyptische Baukunst im Vergleich mit der indischen, babylonischen und persischen große Fortschritte gemacht hat, denn es spricht uns bei den Aegyptern aus der klaren Anordnung, der mannigfachen Durchführung der hauptsächlich zum Religionskultus dienenden Bauten das Walten eines schlicht verständigen Sinnes wohlthuend an, während der architectonische Gedanke bei den Indern unter der Ueberfülle phantastischer Decoration erstickt wurde und bei den Babyloniern und Persern eine einseitig ausschließliche Richtung auf die äußeren, praktischen Zwecke des Lebens, auf Reichthum, Wohlleben und Pracht hatte. Der Kern des ägyptischen Baustyls ist aber der Bau flacher, steinerner Decken, der hier zum ersten Male in großartiger, consequenter Anlage uns entgegentritt, rückwirkend auf die enge Stellung kräftiger Säulen und den dadurch bedingten ästhetischen Eindruck der innern Räume, verbunden mit einem System von stützenden, umschließenden und gegenstrebenden Gliedern. Man fühlt bei dieser Architectur, daß sie Großes, Bedeutsames erstrebt hat, wenngleich die Schönheit ihres Baustyls so einseitig beschränkt ist, wie der Charakter jenes schroff eigenthümlichen Volkes.
Von den auf unsere Zeit gekommenen Denkmälern des alten ägyptischen Reiches sind die bedeutendsten und ältesten die Pyramiden von Memphis, ungefähr 40 an der Zahl und von der verschiedensten Größe. Sie liegen in einer Ausdehnung von acht Meilen in Gruppen zerstreut an der Grenze des fruchtbaren Nilthales und der öden Sandwüste; die größten, welche ihren Namen von den Königen Cheops und Chefren erhielten, haben eine quadratische Grundfläche von über 700, eine Höhe von fast 450 Fuß; sie sind vierseitig und sich sehr allmälig stumpf zuspitzend, aus großen bis zu 20 Fuß langen Bruchsteinen und zum Theil aus Ziegeln aufgeführt, genau nach den Himmelsgegenden gerichtet. Nur einige schmale Gänge, deren Eingang durch Granitplatten verdeckt waren, führen in den Mittelpunkt der Pyramide, wo sich eine kleine Grabkammer befindet, die den Sarcophag des königlichen Erbauers birgt – In der Nähe der Pyramidengruppe
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 597. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_597.jpg&oldid=- (Version vom 26.7.2023)