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Seite:Die Gartenlaube (1855) 596.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Architectur, mit der griechischen (mit dorischem, ionischem und korinthischem Styl), etruskischen und römischen Baukunst; III. Uebergangs-Architectur, mit der altchristlichen Baukunst, dem Basiliken- und byzantinischen Centralbau; IV. Muhamedanische Architectur, der sich die russische Baukunst anschließt; V. Christlich-mittelalterliche Architectur mit dem romanischen und gothischen Style; VI. Neuere Architectur mit der Renaissance und der Baukunst des 19. Jahrhunderts.


A. Indische Baukunst.

Asien, die Wiege des Menschengeschlechtes, hat wohl die ältesten Werke der Baukunst (von 1000–2000 vor Chr. Geb.) aufzuweisen und zwar in Gestalt von Grottentempeln und Freibauten, d. s. freistehende religiöse Gebäude, wie pyramidenähnliche Tempel oder Tope’s und Pagoden. – Die alten Inder oder Hindu’s mit ihrer Sanskritsprache und ihrer unbestimmten, schwankenden Verehrung des Gottes Brahma (mit Siva und Wischnu zu einer Dreinigkeit gruppirt) und des Gottes Buddha, schufen enorme Bauten mit einer maaßlosen, aus den üppig wuchernden und mannigfaltigsten Naturerzeugnissen ihres Landes erwachsenen Phantasie und mit grenzenloser Willkür der Formbildung, ohne alle Schönheit, Harmonie und Klarheit. Es hat dies seinen Grund wahrscheinlich darin, daß sie bei geringer geistiger Bildung, in einem Lande der üppigsten Triebkraft, des jähesten Wechsel und der schärfsten Gegensätze in den Naturerscheinungen lebten und so zum Wundersamen, Schwankenden, Uebermäßigen und Chaotischen hingeführt wurden. Es blieben sich die Inder auch in dieser Bauweise mehrere Jahrtausende ganz gleich, wie die Vergleichung der ältesten Grottentempel und der neuesten Pagode (von Jaggernaut; im Jahre 1198 nach Chr. vollendet) oder eines riesigen Saales zur Aufnahme der Pilger (Tschultri) zu Madura, im Jahre 1623 nach Chr. begonnen, auf’s Deutlichste darthut. Jener Saal wird von 124 in vier Reihen gestellter Pfeiler getragen, deren jeder bis zum Kapitäl aus einem einzigen Granitblocke besteht; die Pfeiler sind auf allen Seiten so vollständig mit Ornamenten der wunderlichsten Art überladen, die Gesimse so vielgliederig in buntestem Formwechsel zusammengesetzt, die Sockel und Flächen der Pfeiler mit einem solchen Gewirr seltsamen Bildwerks bedeckt, daß das Auge rastlos in dieser gleichsam toll gewordenen Ornamentik umherirrt. – Nur geringe Fortschritte lassen sich bei der indischen Bauweise im Uebergange vom brahmanischen zum buddha’istischen Grottenbau, sowie von den Grottentempeln zum Freibau erkennen.

Pagode von Madura.

Die Grottentempel stellen weitläufige Höhlen dar, die im Granitkerne der Berge ausgehauen und bisweilen nach oben offen sind, mit flacher Decke und Reihen von Pfeilern oder Säulen. Neben dem Haupttempel finden sich dann noch zahllose verbindende Treppen, Brücken und Kanäle, Vorhöfe, Corridore, Gallerien, Pilgersäle und Wasserbasins. Die umfänglichsten Grotten trifft man zu Ellora bei Bombay und im südlichen Dekan, unfern von Madras; letztere werden Mahamalaipur (Stadt des großen Berges) genannt und standen mit sieben frei gemauerten Pyramiden (Pagoden) in Verbindung. Die dem Gotte Brahma geweihten Grottentempel sind mit unzähligen und phantastischen Ornamenten übersäet, während die buddhaistischen einfacheren Tempelgrotten wenig bildliche Ausschmückungen und nur die Statue des Buddha mit über einander geschlagenen Beinen in kolossaler Größe enthalten. – Die Freibauten der Inder, wahrscheinlich buddhistischen Ursprungs und dem Todtenkult geweiht (besonders auf Ceylon zu finden), waren seltsame, fast pyramidenförmige, hohe (bis zu 150 Fuß) aus Quadersteinen zusammengesetzte und aus vielen Etagen bestehende Bauwerke, wunderliche Zwitterdinge (thurmartige Grabmäler) von Pyramiden, Säulen, Kuppel und Thurm. Tope’s nennt sie das Volk nach dem Sanskritworte „Stupa,“ welches Grabhügel, Thurm bedeutet; eine kleine viereckige Zelle in jeder Etage derselben enthielt Reliquien. Diese Freibauten standen gewöhnlich mit Tempeln, Pilgersälen, Säulenhallen, Basins u. dergl. in Verbindung, und bildeten dann in Gemeinschaft mit diesen die Pagoden (heiliges Haus), Gruppen von Bauwerken voll verwirrender Mannigfaltigkeit und seltsamer Phantastik. Die Südspitze des Dekan weist die meisten und bedeutendsten dieser Bauten auf; ungeheuer sind die Pagoden von Chillambrum, von Ramisseram und von Madura an der Coromandelküste.


B. Babylonisch-assyrische Baukunst.

Bei den Bewohnern von Mesopotamien, – welches, vom Euphrat und Tigris eingeschlossen und von jährlichen Ueberschwemmungen heimgesucht, Babylon und Niniveh als die frühesten Hauptsitze der Kultur aufzuweisen hat, – war der Sinn, im geraden Gegensatze zu den phantastischen, schwärmerischen Indern, auf das Praktische rein weltlicher Zwecke gerichtet, auf Werke alltäglicher Nützlichkeit; daher ihre Wasserbauten, Dämme, Kanäle, Schutzmauern und Paläste, daher kein eigentlicher Tempelbau. Wie in Indien war aber auch hier das architectonische Streben auf Kolossalität der Anlagen und auf Luxus der Ausstattung gerichtet. Dort war es jedoch eine regellose Phantastik und Willkür, die sich in den abenteuerlichsten Formen berauschte, hier ist es eine nüchtern verständige Richtung, die in monotonen Wiederholungen sich hinschleppt. Der Kunstgeist der Inder war ein verzerrter, verworrener; den Babyloniern und Assyrern scheint ein eigentlich architectonischer Kunstgeist fast ganz gemangelt zu haben. Merkwürdig ist, daß das vornehmste Kriteron jedes Baustyles, die Art der Raumbedeckung, an allen babylonischen Werken nicht mehr zu erkennen ist. Wahrscheinlich waren hölzerne Decken und Dächer im Gebrauche, welche von hölzernen Säulen getragen wurden.

Unter den Bauwerken Babylons ragte der von Xerxes zerstörte Tempel des Belus oder Bal, des assyrischen Jupiters, durch seine Kolossalität hervor, sowie auch die beiden königlichen Paläste, deren jüngerer und prächtigerer dem großen Nebukadnezar seine Entstehung verdankte. Dieser König, welcher um 600 vor Chr. regierte, umgab auch die Stadt mit einer dreifachen Mauer und führte das Wunderwerk der hängenden Gärten (seiner medischen Gemahlin Nitokris zu Liebe) auf. Von allen diesen, aus Ziegeln aufgeführten Bauwerken ist Nichts erhalten als eine Reihe riesiger Schuttberge und wirrer Trümmerhaufen (zu Hillah am Ufer des Euphrat). – Auch die Bauwerke Niniveh’s, die wenigstens 606 vor Chr. bestanden haben müssen, finden sich jetzt in der Nähe der Stadt Masul am Ufer des Tigris in ähnlichem Zustande der Zerstörung. Es scheinen hier mehrere Königspaläste dicht neben einander bestanden zu haben, wie die Ausgrabungen zu Nimrud beweisen.


C. Persische Baukunst.

Die drei Völkerstämme, die Baktrer, Meder und Perser, welche das Land vom Indus bis an den Tigris bewohnten, und den Gesammtnamen der Arier führten, heute aber unter der Bezeichnung des Zendvolkes bekannt sind, trugen gleichmäßig zu der Kulturentwickelung bei, welche ihren Höhepunkt zuletzt im persischen Reiche fand. Bei ihnen, welche der, einem einfachen Kultus (an Feueraltären) ergebenen Religion Zoroasters (welche in den heiligen Büchern der Zend-Avesta niedergelegt ist) huldigten, finden wir eine in vieler Hinsicht eigenthümliche Baukunst, die weniger poetisch-phantastisch, als verständig klar, frei und heiter, mehr auf den Palast-

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_596.jpg&oldid=- (Version vom 26.7.2023)