Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Franzosen Nachricht, daß die Sümpfe und Seen Hollands bald vom Eise überbrückt werden würden. Der Frost kam, die Franzosen liefen darüber hin, nahmen Holland und gaben dem Gefangenen die Freiheit.
Selbst die gehässige Kröte hat sich zuweilen als fein gehorsamer, talentvoller und angenehmer Gesellschafter bei Gefangenen eingefunden. Sie kommen des Nachts heraus aus ihren Schlupfwinkeln auf den Ruf ihres Freundes, nehmen Fliegen aus seiner Hand und kehren wieder zurück, sobald sie merken, daß sie nicht mehr angenehm sind. Es sind Beispiele bekannt, dapß sie immer blos in Zeiten kamen, wenn der Gefangnenwärter nicht zu fürchten und Alles sicher war, Beispiele, daß sie immer zu einer bestimmten Stunde herauskamen, als hätten sie eine richtig gehende Wanduhr zu Hause.
Die Schlangen haben Ohren so fein, wie ihre Zungen und sind leidenschaftlich musikalisch. Die Haubenschlange in Westindien ist zuerst ungemein wild und wüthend. Der „Beschwörer" macht sie durch Schläge noch wüthender, um die zauberische Wirkung seiner singend gesprochenen Schmeichelworte desto effectvoller zu zeigen. Jetzt erhebt er seine Hand, wie zum Schlage. Die Schlange folgt jeder Bewegung mit den brillenartig umzeichneten Augen und spielender Zunge, um den Schlag augenblicklich durch giftigen Biß zu bestrafen. Aber der Blick und das Wort des rothbraunen Indianers hält sie im Zaume, jetzt mit einer pfeifend ausgestoßenen Drohung, dann wieder plötzlich mit süßtönendem Schmeichelwort. Singt und musicirt er nur, erhebt die Schlange entzückt das Haupt, nach den Tönen hingestreckt, und lernt bald nach dem Takte in graziösesten Wendungen und Windungen ihre Freude zu veranschaulichen. Schon Plinius erzählt von einer afrikanischen Menschenrace, die durch ihren Blick allein Schlangen zähmten. Am Nil oben in Nubien giebt es noch Schlangenrufer, die durch genaue Nachahmnug der Sprachtöne der Schlangen dieselben aus jedem Winkel und Risse hervor zwingen und mit ihnen machen können, was sie wollen, eine Kunst, die sich auch Napoleon in Aegypten ganz umständlich zeigen ließ.
Auch Vipern und Nattern sind weder taub noch stumm. Ihr feines Ohr wird ihnen zum Verderben. Man musicirte sie namentlich in frühern Zeiten sehr fleißig aus ihren Verstecken hervor, um kostbaren Theriak aus ihrem Fleische zu kochen, wie jetzt noch in Italien und Frankreich. In Italien kann man oft grimmige, zigeunerartige Kerle inmitten eines großen Reifens stehen sehen und eigenthümlich pfeifen hören. Bald gleitet eine dunkle Natter hervor, eine andere kommt hinzu, eine dritte, eine vierte u. s. w. Sie stellen sich mit ihren fleckigen Leibern am Reifen rings auf, freudig starrend mit ihren glänzenden Augen und entzückt horchend, um sich von der Zange des Zauberers eine nach der andern fangen und in den Sack stecken zu lassen. Er verkauft sie an Doctoren, Apotheker und Drogueriehändler, die sie lebendig, in Sägespähne verpackt, im ganzen Lande umher verschicken. In Frankreich wirft man irgend eine gefangene Schlange in siedendes Oel, deren zischender Schmerzensschrei nun oft Hunderte aus ihren Schlupfwinkeln herbeilockt. Sie werden mit Lederhandschuhen ergriffen und dann in Sicherheit gebracht.
Fische gelten für stumm und haben keine sichtbaren Ohren. Doch ist es bekannt, daß sie ein sehr feines Gehör haben. Die Karpfen in königlichen und fürstlichen Teichen lassen sich ja in der Regel durch eine Klingel rufen. Lacepède erzählt von hundertjährigen Karpfen in den Tuilerien zu Paris, welche auf ihre speciellen Namen, die man ihnen gegeben, hörten und sich einstellten, wie sie gerufen wurden, aber nur auf den Ruf Derer, welche sie kannten und liebten. Als königliche Pensionärs verachteten sie den Ruf und selbst die Leckerbissen gewöhnlicher Leute ohne Rang und Geburt. Störe werden durch lautes Schreien in die Netze getrieben, andere Fische durch Trommeln u. s. w., so daß der Gehörsinn der Fische keinem Zweifel mehr unterliegt. Ein Italiener hat neuerdings auf eine brillante Weise nicht nur das feine Ohr, sondern auch den Gehorsam der Fische bewiesen. Er hat eine große Menge derselben so gezähmt, daß sie auf Commando kamen und gehen, steigen und sinken und dabei mit ihren brillanten Farben spielen. Auch geben sie dramatische Vorstellungen. Ein Hecht ergreift eine Forelle und bringt sie herauf in die Hand des Meisters, der sie wieder in Freiheit setzt u. s. w. (Aus einem Berichte des Engländers J. M. Good, der nichts Näheres über diesen Künstler giebt).
Auch Schweine, sonst nicht sehr berühmt wegen großer Geistesgaben, hat man schon so weit in menschlicher Kultur gebracht, daß sie bestimmte Worte verstehen und Kunststücke machen lernten. Vor einiger Zeit las ich die Geschichte des berühmten Schweine-Professors vom vorigen Jahrhundert in England, der mit seinen reisenden Säuen viel Ruhm und Geld erwarb, seine Künstler melodisch grunzen, auf zwei Beinen stehen und tanzen ließ; doch hab’ ich die Stelle, wo ich’s las, nicht wiederfinden können, so daß wir dem Professor hier nur ein Denkmal ohne Namen setzen.
Der Seehund im zoologischen Garten zu London steckt seinen merkwürdigen blauen Kahlkopf immer sofort aus dem Wasser und lehnt sich mit seinen ungeschickten Vorderbeinen auf die Steinwand, die seinen Privatteich umschließt, sobald er Menschen sprechen hört, um zu horchen, was sie sagen und Einen nach dem Andern prüfend anzusehen, um zu errathen, was wohl seine Meinung über den fraglichen Gegenstand sein könne. Leider machen ihm die gefühllosen Engländer nur selten Musik. Sobald er aber etwas von den Concerten vernimmt, die zuweilen im Garten stattfinden, horcht er mit der größten Freude und wedelt im Wasser mit seinem langen Fischkörper und den Flossen dazu ganz taktmäßig.
Die idyllischen Dichter der Alten singen oft von dem Entzücken, mit welchem die weidenden Heerden den Flötentönen ihres Hirten lauschen. Die Schweizerin auf ihren würzigen Bergen oben weiß auch, wie gern ihre Kühe singen und den Kuhreigen hören. Jede Kuh hat ihren Namen und kommt, wenn gerufen, wie auch in England, wo man die Kühe überhaupt sehr reinlich und menschlich behandelt und dafür mit reichlicher Milch belohnt wird. Jeder kennt die Königin in jeder Kuhheerde, der sich alle fügen. Sie ist überall leicht an ihrer stolzeren Haltung, an der Majestät ihrer Attituden zu erkennen. Jede fremde Kuh wird von ihr mit dem fürchterlichen Ernste eines Criminal-Commissarius empfangen. Sie weiß, daß sie die beste Glocke trägt. Manche hat schon geweint und ist vor Kummer gestorben, wenn man ihr die Glocke nahm.
Manche Thiere hassen gewisse Töne. Der griechische Sophist Acteon, der siebzehn Bücher über die Natur der Thiere schrieb, versichert, daß man den Wölfen keinen größeren Schur thun könne, als wenn man ihnen etwas auf der Flöte vorspiele. Pytachoras, der Musiker, rettete sein Leben vor einer ganzen Heerde wüthend-hungriger Wölfe durch die Flöte. In Amerika geigte sich ein ähnlich Angefallener eine ganze Nacht hindurch von diesen gefräßigen Ungeheuern los. Bekanntlich soll der Löwe, der sich sonst nicht gern fürchtet, lieber Meilen weit laufen, ehe er einen gewöhnlichen Hahn krähen hört. Er theilt diese Idiosynkrasie mit dem großen Krieger Wallenstein. Ob unser Hausfreund Phylax so jämmerlich über Musik heult aus Rührung oder Abscheu, wissen wir kaum. Die Sache ist uns zu bekannt, als daß wir sie kennen sollten. Diese unsere liebe Erde wäre drei Mal schöner, wenn Hinz der Kater und Kunigunde die Katerine, ihre Liebespein und ihre minniglichen Herzensergüsse im Mondschein draußen etwas melodischer und mehr piano oder gar nicht äußerten. Diese Katzenmusik ist die schauderhafteste Pfeife in dem großen Orgelconcerte der Natur. Mutter Natur, sonst ziemlich vernünftig und anständig, zeigt hier eine Barbarei, eine Freiheit, um welcher willen ich ihr meine Meinung gehörig sagen werde, sobald ich sie einmal persönlich treffe.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 586. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_586.jpg&oldid=- (Version vom 25.7.2023)