Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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No. 44. | 1855. |
Es sind die alten Sterne,
Es ist die alte Pracht,
Wie sie der große Meister
Am ersten Tag gemacht.
Das große blaue Haus,
Worin die kleinen Menschen
Bald wandeln ein, bald aus.
Der Frühling füllt’s mit Blumen,
Ein ewig Kommen, Gehen,
Ein ewiges Ade.
Doch bleiben’s die alten Sterne,
Doch bleibt's die alte Pracht,
Am ersten Tag gemacht.
Seltsamer Weise habe ich als Proletarier aus der Fremde, als eine Null ohne Geburt, ohne Vorfahren doch wieder einmal mit der flottesten, englischen, jungen, militärischen Hocharistokratie gegessen und getrunken und leibhaftig gesehen, was sie „Leben“ nennen. Ja, wie bei ihnen die goldenen Pfunde und Fünfpfundnoten sprangen! Viel ärger und massenhafter als die kleinen Silber- und großen, ungeschickten, englischen Kupferstücke aus meiner Tasche. Und dabei macht mir das Scheiden eines englischen Viergroschen-, des verächtlich behandelten, kleinen Sixpencestücks viel mehr Schmerzen als diesen Herren ein Papier von 33 Thaler 10 Silbergroschen Werth (in preußisch Courant gedacht). Sie haben in der That Geld wie das Pferd Heu in der Raufe. Hätten sie dabei nur Schulden „wie ein Baron,“ würden sie glauben, ihren „Stand“ zu entwürdigen. Styl und „Comment“ unter diesen jungen Löwen ist es daher, eine Heerde Schulden und Wechsel auf sich herumlaufen zu lassen, die mindestens ihren Hunderten und Tausenden von Pfunden baarer Einnahme entsprechen müssen. Bringt man’s höher, desto bewundernswürdiger, weil dann zuletzt immer eine „vabanque-Katastrophe“ eintritt, die den Holden in eine fette Regierungsstelle, zu einer Heirath mit einer in Gold schwimmenden Erbin und zum Verkauf der Militärstelle, die er bisher bekleidete, also in ein stets wichtiges, die ganze „Klasse“ aufregendes Ereigniß hineinwirft oder schmuggelt. Ehe sie’s aber bis zu einer bestimmten Frau mit Ministerial- oder irgend einem entfernten Colonialposten obern Ranges bringen, flattern sie mit ihren Pfunden, ihrem Kredit, ihren Damen auf eine Weise umher, die man dem nüchternen, rauchigen, immer handelnden und schachernden London gar nicht zutrauen mag. Ich sah in ein Beispiel hinein, das ich einleitungsweise zur Sache andeuten will. Zur vollen Darstellung dürfte es durchaus ungeeignet sein.
Ich befand mich zufällig bei einem deutschen Maler, der fast durchweg nur Aristokratie portraitirt, weil er einmal und plötzlich durch Empfehlung des „musikalischen“ Gesandten (früher in Berlin, jetzt in Wien) hier so in die Mode kam, daß er sich vor Bestellungen nicht retten kann. Plötzlich polterten eine ganze Menge Füße die Treppe herauf und stolperten denn auch sofort ohne Ceremonien
- ↑ Aus der nächste Woche erscheinenden Gedichtsammlung: „Palmen des Friedens“ von Ferdinand Stolle.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_579.jpg&oldid=- (Version vom 20.12.2019)