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Seite:Die Gartenlaube (1855) 571.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

die Stimmbänder, durchzogen ist. Zwischen den Stimmbändern der rechten und linken Seite, von welchen eine jede ein oberes und ein unteres Stimmband besitzt, bleibt eine schmale Spalte, die Stimmritze, Glottis, welche als Oeffnung des Kehlkopfes nach abwärts in die Luftröhre und Lungen führt, nach aufwärts aber in den Schlundkopf sieht und hier durch den Kehldeckel (Epiglottis) überdeckt und geschlossen, also gegen das Eindringen fremder Körper geschützt werden kann. Der Kehldeckel, eine birnförmige, an der innern Fläche des Kehlkopfs, gleich über den obern Stimmbändern angewachsene Knorpelplatte, ist dicht hinter der Zungenwurzel so angebracht, daß er beim Schlingen (s. Gartenl. 1855 Nr. 38) auf die Stimmritze niedergedrückt wird, während er beim Athmen aufrecht steht. – Von den Kehlkopfsknorpeln ist der bedeutendste der Schildknorpel, welcher den größten Theil der vordern und seitlichen Wand des Kehlkopfs bildet und mit einem Vorsprunge, d. i. der Adamsapfel, in der Mitte des Halses hervorragt. An seiner innern, der Kehlkopfshöhle zugewendeten Fläche, sind die Stimmbänder und über diesen der Kehldeckel angeheftet. Unterhalb des Schildknorpels befindet sich der Ringknorpel, welcher wegen seiner ringförmigen Gestalt ebensowohl zur Bildung der vordern und seitlichen, wie der hintern Wand des Kehlkopfs beiträgt. Seine hintere Hälfte (das Schild oder die Platte) ist weit höher als die vordere (weshalb der Ringknorpel einem Siegelringe gleicht) und steigt an der hintern Kehlkopfswand zwischen den hintern Rändern des Schildknorpels in die Höhe. Auf dem obern Rande dieser Platte sitzen die beiden dreiseitigen, pyramidenförmigen Gießkannenknorpel mit den rundlichen Santorin’schen Knorpelspitzchen und vervollständigen die hintere Kehlkopfswand. Sie sind beweglich an den Ringknorpel angeheftet und dienen den vier Stimmbändern zum Ansatze, so daß diese, je nachdem die Gießkannenknorpel durch Muskeln vor- oder rückwärts, nach außen oder innen bewegt werden, gespannt und erschlafft, einander genähert und von einander entfernt werden können, dadurch aber die Stimmritze zu verengern und zu erweitern ist.

Das Stimmorgan. Fig. 1. Der von hinten eröffnete Schlundkopf. a) Zunge. b) Zäpfchen. c) Mandel. d) Vorderer und e) hinterer Gaumenbogen. f) Schlundkopfswand. g) Hintere Nasenhöhlenöffnungen. h) Kehldeckel. i) Eingang in den Kehlkopf. k) Speiseröhre. l) Luftröhre. m) Unterkiefer. – Fig. 2. Das knorplige Kehlkorpfsgerüste von hinten gesehen. a) Zungenbein. b) Kehldeckel. c) Schildknorpel. d) Ringknorpel. e) Gießkannenknorpel. f) die Santorin’schen Knorpelspitzen. g) Luftröhre. – Fig. 3. Kehlkopf, seitlich aufgeschnitten. a) Zungenbein mit dem Kehldeckel dahinter. b) Schildknorpel. c) Ringknorpel. d) Gießkannenknorpel. e) Santorin’sche Knorpelspitze. f) Oberes und g) unteres Stimmband. – Fig. 4. Die Kehlkopfsöffnung von oben gesehen. a) Stimmritze. b) Unteres und c) oberes Stimmband. d) Höhle zwischen den Stimmbändern.

Der Kehlkopf des Mannes ist bedeutend größer und umfangreicher als der des Weibes; beim Kinde ist er sehr unausgebildet, entwickelt sich aber schnell zur Zeit der Pubertät zu seiner Vollendung. Im Alter verknöchern die Knorpel sehr oft, mit Ausnahme des Kehldeckels, und die Kehlkopfshöhle wird weiter. – Die Schleimhaut des Kehlkopfs besitzt eine sehr große Empfindlichkeit, die besonders an der Stimmritze sehr deutlich ist, so daß sich diese bei der geringsten Berührung eines fremden Körpers sogleich krampfhaft zusammenzieht und Reiz zum Husten entsteht. – Die Stimme (von welcher, wie vom Singen in einem spätern Aufsatze gesprochen werden soll) kommt im Kehlkopfe dadurch zu Stande, daß die Luft aus den Lungen mit Kraft durch die Stimmritze getrieben wird und hier die Stimmbänder, besonders die untern, in tönende Schwingungen versetzt. Die Sprache wird aus der Stimme erst durch Mithülfe der oberhalb des Kehlkopfes befindlichen Theile der Mund- und Nasenhöhle gebildet.

Im Thierreiche sind die Stimmwerkzeuge bei den Säugethieren ähnlich wie beim Menschen gebaut, nur sind die Verhältnisse der einzelnen Theile häufig etwas verändert. Bei den Wallfischen, bei welchen man ebensowenig wie bei den Delphinen eine Stimme bemerkt hat, ist der Kehlkopf sehr klein. Beim Brüllaffen finden sich dagegen große Seitenhöhlen an der Kehlkopfshöhle, welche Resonnanzapparate zur Verstärkung der Stimme bilden. – Die Vögel besitzen zwei Kehlköpfe, einen obern und einen untern; im letzteren, welcher am untern Ende der Luftröhre, dicht vor deren Spaltung, schon innerhalb der Brusthöhle, seinen Sitz und eine doppelte Stimmritze hat, wird die Stimme gebildet. Wie sich bei der großen Verschiedenheit der Vogelstimme erwarten läßt, so finden sich im Baue des untern Kehlkopfs die allergrößten Verschiedenheiten bei den einzelnen Gattungen und Arten. In seltenen Fällen fehlt der untere Kehlkopf völlig und dann ist auch keine Stimme vorhanden, wie beim Storche (denn das Klappern erzeugt derselbe mit dem Schnabel), welcher höchstens ein schwaches Zischen von sich giebt. Am zusammengesetztesten ist der mit einem eigenen Singmuskel- und bisweilen auch mit einem Resonnanzapparate versehene untere Kehlkopf bei Singevögeln. Der obere Kehlkopf der Vögel, welcher nur selten einen besondern Kehldeckel besitzt, ist dem menschlichen nicht unähnlich, enthält aber keine Stimmbänder. – Unter den Amphibien besitzen einige ein sehr unvollkommenes Stimmorgan, während sich bei anderen ein dem menschlichen ähnliches vorfindet, das Zischen der Schlangen entsteht wie etwa das Pfeifen beim Menschen, durch Reiben der Luft an den Rändern der engen Ausgangsöffnung des Kehlkopfes. Der Laub- und Grasfrosch hat zur Verstärkung der Stimme Resonnanzapparate in Gestalt zweier dünnhäutiger, sehr ausdehnbarer Blasen am Unterkiefer. – Die Fische, welche alle durch Kiemen athmen, haben kein Stimmorgan und also auch keine Stimme. – Bei den Insekten giebt es in einigen, jedoch sehr seltenen Fällen besondere Stimmapparate, deren Anordnung aber eine ganz andere als bei den Wirbelthieren ist, indem sie nirgends mit den Athmungswerkzeugen in einer ähnlichen Verbindung wie dort stehen. Es sind nämlich ganz einfache Membranen, bloße Theile des äußern Skelettes, welche durch eine besondere, willkürliche Muskelaction in Schwingungen versetzt werden. Es kommen übrigens diese Stimmorgane vorzugsweise und in einigen Gattungen ausschließlich dem Männchen zu. Gewöhnlich entstehen die Geräusche, welche Insekten erzeugen, durch Reibungen von beweglichen und rauhen Körpertheilen (Flügeldecken, Hinterleib) an einander. Das Summen rührt wahrscheinlich nur von der zitternden Bewegung her, in welche die harten, äußern Bedeckungen der Brust durch die Action der Flügelmuskeln gerathen. Einen eigenthümlich klagenden Ton vermag der Todtenkopf hervorzubringen. – Allen übrigen wirbellosen Thieren wie den Arachniden (spinnenartigen Thiere, Krustenthieren, Würmern, Weichthieren oder Mollusken (Kopffüßlern, Schnecken, kopflosen Mollusken), Strahlthieren oder Radiaten (Stachelhäutern, Quallen, Polypen) und Infusionsthieren, fehlt ein Stimmapparat. (Von den Krankheiten des Kehlkopfs und vom Singen später.)

Bock. 



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 571. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_571.jpg&oldid=- (Version vom 23.7.2023)