Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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des Geschäfts herausstellen würde. Ich wurde aufgefordert, mir selbst eine solche Instruktion zu entwerfen, welche auch bis auf einige Punkte die Billigung des Bundestagspräsidiums erhielt. Uebrigens glaubte ich unterstellen zu müssen, daß, wenn man dieses Geschäft nicht einem Techniker, oder Mercantilisten, sondern einem Staatsmann übertrüge, doch die in dieser Angelegenheit eintretenden politischen Verhältnisse und deren Erledigung die Hauptsache sein, und zunächst zu meinem Ressort gehören würden. Nur diese Idee konnte mich zu dem Wagestück bestimmen, einem Administrativgegenstand mich zu unterziehen, der einen nautischer Kenntnisse total fremden Laien billig hätte abschrecken müssen. Natürlich war bei meiner Ankunft mein erstes Beginnen, einige bei der Angelegenheit durch kein Interesse befangene Fachmänner zu meiner Belehrung zu gewinnen. Ich wandte mich an einen meiner Adressaten, dessen ausgedehnte Personalkenntniß mir vorzugsweise empfohlen war, und bat ihn, mir ein oder zwei bei den Flottenverhältnissen nicht betheiligte, ehrliche Männer zu bezeichnen. Er versicherte mir ganz trocken: diese Anfrage setze ihn in nicht sehr geringe Verlegenheit, denn in ganz Bremerhaven gebe es nur zwei ehrliche Männer in dem Sinne, wie ich solche ihm bezeichne. Das war eine erbauliche Notiz für einen Mann, der fast ausschließlich auf fremden Rath und Beurtheilung gewiesen war, und dessen Arglosigkeit ihm schon manche schlimme Streiche gespielt hatte.
Die Ermittelung des Preises, um welchen die vor Anker liegenden neun Kriegsschiffe zum Zweck des Umbaues in Handelsschiffe anzubringen sein dürften, mußte begreiflich meine erste Aufgabe sein. Das Resultat fiel gegen das von der Marinecommission aufgestellte Taxat so enorm gering aus (kaum 25 Procent), und war dennoch so motivirt mit dem klarsten Calcul nachgewiesen, daß ich zu der Ueberzeugung gelangte, nur dann, wenn die Schiffe nach ihrer eigentlichen Bestimmung als Kriegsschiffe verkäuflich anzubringen seien, der an zwei Millionen Gulden anzuschlagende Verlust namhaft gemindert werden könnte. Da man mir inzwischen schon in Frankfurt die Andeutung gemacht hatte, daß bei dem Verkauf dieser Flotte an irgend eine europäische Seemacht auch noch manche politische Bedenken aufstoßen dürften, so konnte begreiflich nur ein transatlantischer Markt in Consideration gezogen werden. Unter diesen Umständen glaubte ich, daß ohnerachtet die von Seiten Hannover und Oldenburg mit so großem Eifer angeregten Anträge auf Erhaltung der Flotte durch einen Bundestagsbeschluß verworfen worden waren, doch zwei neue wichtige Momente vorlägen, um diese Frage bei dem Bundestage noch einmal zu reproponiren.
Es gründeten sich diese
1) auf den Umstand, daß bei der früheren Verhandlung die Voraussetzung, die vorhandenen Kriegsdampfschiffe würden zum Zweck des Umbaues in Handels- und Transportschiffe mit mäßigem Verlust verkäuflich anzubringen sein, durchaus als fehlgeschlagen sich darstellte, und ein solcher Verkauf ohne die enormsten Verluste nicht zu realisiren sei;
2) auf die Thatsache, daß sowohl Oesterreich als Preußen, seit jenem Beschluß, zur Erwerbung einer Marine Anstalten getroffen hatten.
Ich gründete hierauf den Vorschlag:
- a) eine der kleinen Kriegscorvetten im Interesse von Hannover, Hamburg und der Elbuferstaaten in die Elbe;
- b) eine Zweite im Interesse von Oldenburg, Bremen und der Wesergebietsstaaten in die Weser zu legen,
- c) die übrigen Schiffe aber zu gleichen Theilen an Oesterreich und Preußen, sei es selbst unentgeltlich, zu vertheilen.
Obwohl Graf Thun, dem ich diese Idee zunächst vertraulich mitgetheilt hatte, sie aus mich nicht überzeugenden Gründen verwarf, so glaubte ich es doch der von dem Großherzog in Oldenburg, meinem Dienstherrn, am Bundestage so kräftig befürworteten Erhaltung der deutschen Flotte es schuldig zu sein, auch diesen letzten Versuch zu wagen. Mit einiger Beschämung gestehe ich dabei eine verschuldete Inconsequenz, die mich in diesem Versuch auch noch bestärkte. Ich, der doch durch die Erscheinungen der ganzen Revolutionszeit zu der Erfahrung gelangt war, daß die öffentliche Meinung, wo sie sich so recht eigentlich massenhaft ausspricht, immer etwas Unverständiges oder Schlechtes bezweckt, ließ mich doch verleiten, sie diesmal ausnahmsweise für berücksichtigungswerth zu halten. Die mir dafür gebührende Züchtigung ist nicht ausgeblieben.
Zur möglichsten Unterstützung meines Projekts bereiste ich die betreffenden Regierungen. In Bremen, welches bekanntlich zur Reichsparlamentszeit das Hauptorgan zur Errichtung der Flotte gestellt hatte, ward ich sehr überrascht, als mir gewichtige Stimmen in’s Ohr raunten, daß dieser Vorschlag, der ja das bremer Localinteresse ganz aufhebe, für Bremen nicht das mindeste Anziehende habe. Denn eine deutsche Flotte sei an sich, für das bremer Handelsinteresse nicht nur ganz indifferent, sondern sogar gefährdend. Gerade die politische Unwichtigkeit der deutschen Seestädte, ihre hieraus natürlich hervorgehende Neutralität, schütze sie vor den Nachtheilen, welchen andere seefahrende Nationen bei jeder politischen Verwickelung unter den größern Mächten sich ausgesetzt sähen. Man rieth mir, von der ganzen Sache zu abstrahiren, indem vollends meine Idee, die Flotte an Oesterreich und Preußen zu überlassen, Bremens einziges Interesse das Localinteresse, vernichte. In Hamburg schüttete Bürgermeister Dammert mir auf das Zutrauensvollste sein Herz aus, wie er im Einverständniß mit seinen einsichtigsten Collegen hinsichtlich der Zwecklosigkeit einer deutschen Flotte je und allezeit mit der bremischen Ansicht ganz einverstanden gewesen sei. Gegen die tollen Haufen im Jahr 1848 habe man von Seiten des Senats natürlich um so weniger aufkommen können, als sehr bald dasige Privatinteressen diese Volksstimmung zu ihrem eigenen Nutzen auszubeuten verstanden hätten. In Lübeck führte man ganz dieselbe Sprache.
Ziemlich entmuthigt, wandte ich mich nach Hannover. Meine Idee schien das damalige Staatsministerium an sich ganz gut anzusprechen, nur zweifelte dasselbe an dem mindesten Erfolg beim Bundestage. Als aber beiläufig die Rede darauf kam, wo denn der nach meinem Projekt Preußen zugewiesene Antheil der Flotte stationirt werden sollte? und ich in aller Unbefangenheit aus dem Umstand, daß Preußens gewerbreichste Provinzen in Rheinland und Westphalen ihren natürlichen Ausgang an der Nordsee hätten, argumentirte, daß sonach Preußen eine Station an der Nordseeküste nach Billigkeit nicht versagt werden könnte – erfuhr ich die entschiedenste Zurückweisung!
Zuletzt versuchte ich mein Glück in Berlin. Von dem Kriegsministerium und dem höchsten Marinechef ward mein Plan mit unverkennbarem Interesse und sehr freundlich aufgenommen, ich auch aufgefordert, dem Finanzminister meine Idee näher zu entwickeln. Nie in meinem Leben bin ich aber mit einem staatsmännischen Projekt übler angekommen! Herr v. Bodelschwingk erklärte mir unverholen: er sei mir höchlich verbunden für das interessante Nessushemde, womit ich den preußischen Staat zu beschenken gedächte. Er werde sich aber berufen finden, ein solches die Finanzen wie mit einem unersättlichen Vampyr bedrohende Geschenk, sich mit allen Kräften vom Leibe zu halten. Preußens politische Macht finde er in der Aufrechthaltung eines tüchtigen Finanzstandes weit sicherer begründet, als in der Ausdehnung seiner militärischen Kräfte und deren Zersplitterung auf eine der Situation des Staats in keinem Bezug entsprechende Kriegsmarine etc.
So klägliches Fiasko mein Vorschlag bei den interessirten Regierungen gemacht hatte, so war doch noch empfindlicher die Zurechtweisung, die mir der Bundestagsausschuß darüber zukommen ließ, daß ich in dieser Angelegenheit ganz aus meiner Geschäftssphäre herausgetreten sei, und über die Erhaltung der Flotte Discussionen herbeigeführt hätte, wo meine Thätigkeit nur auf die rasche Auflösung sich hätte richten sollen.
Später, nach dem Verkauf, erkannte ich mit noch größerer Beschämung, wie meine Inconsequenz in dieser Angelegenheit der öffentlichen Meinung ausnahmsweise eine Concession zu machen, wenn sie einen günstigen Erfolg gehabt hätte, die die Flotte übernehmenden Staaten enorm verletzt haben würde. Nie hat diese öffentliche Meinung etwas Unverständigeres gewollt und zu erstreben sich bemüht, als diese Flottenconservation, und nie hat die Bundesversammlung etwas Zweckmäßigeres in politischer wie in finanzieller Hinsicht ausgeführt, als daß sie das „Hammergeschrei“ nicht beachtend, diese als geborne Wraks von den Flottenschöpfern in der Revolutionszeit erworbenen, mit Schwamm und Dryrott durch und durch inficirte Fahrzeuge à tout prix hat veräußern lassen. Bezüglich jenes glühenden Patriotismus, welcher die rasche Flottenaufstellung nicht eilig genug zu improvisiren wußte – war auch manches – ziemlich faul, was dereinst die Geschichte näher enthüllen dürfte.
Wenn mich aber der Bundestag dafür, daß ich die Flotte habe erhalten wollen, mit Nesseln gepeitscht, die öffentliche Meinung aber dafür, daß ich sie auf höhern Befehl aufgelöst habe, mit Skorpionen gezüchtigt hat, so wird mir für diese Doppelgeißelung die Martyrerpalme in jedem Fall zuerkannt werden müssen.
Meine nicht unbekannt gebliebene Bemühung für die Erhaltung der Flotte ward von dem ganzen Flottenpersonal, sowie auch der Einwohnerschaft zu Bremerhaven mit großer Gunst aufgenommen; man überhäufte mich mit Freundlichkeit. Als sich aber der Erfolg heraus stellte, daß dieser Plan von dem Bundestagsausschuß nicht nur mit der entschiedensten Mißbilligung verworfen, sondern mir selbst zur Verantwortlichkeit gestellt worden war, daß ich durch dieses Intermezzo meine Thätigkeit von der eigentlichen Aufgabe meines Berufs, dem Veräußerungsgeschäfte, abgelenkt hätte, und ich nun mit verdoppelter Kraft dem raschesten Betriebe der Veräußerung eifrigst mich hinzugeben verpflichtet achtete, da überzog sich mein Popularitätshimmel von allen Seiten mit schweren Gewitterwolken. Bis zum ersten Mai 1852 hatte die Unterhaltung der Flotte täglich 1000 Rthlr. gekostet; an diesem Tage war sie durch Entlassung des größten Theils der Mannschaft auf die Hälfte reducirt worden. Das übrig gebliebene Marinepersonal, wie die gesammte Einwohnerschaft von Bremerhaven hatte begreiflich das größte Interesse, den Status quo so lange zu erhalten als nur möglich, und in diesem Hinhaltungsstreben vereinigten sich die Kräfte Aller gegen Einen.
Die Rathschläge der competentesten Männer vom Fache, welche an der Nothwendigkeit der Veräußerung der Flotte und der möglichst baldigen Sistirung des noch immer so lästig auf die Bundestage zurückwirkenden Kostenaufwandes für ihre eigenen Staatsgebiete ein Interesse hatten, – sachkundige Männer, wie die Senatoren Dammert, Büsch und Merk zu Hamburg waren einverstanden, daß nur in der Möglichkeit, eine überseeische Concurrenz zu gewinnen, die Hoffnung zu begründen sei, einen höhern Preis als 10 bis 15 Procent der Anschaffungskosten aus dem gesammten Flottenmaterial zu ermöglichen. Dazu war aber ein dringendes Bedürfniß, eine die verkäuflichen Gegenstände möglichst detaillirende Beschreibung und zwar in französischer, englischer und selbst spanischer Sprache an die überseeischen Seeplätze zur Kunde gelangen zu lassen. Eine von dem Admiral Brommy abgefaßte Schiffsbeschreibung fanden die Sachverständigen unzureichend und einer nothwendigen Ergänzung bedürfend.
Wohl sah ich ein, daß ohne eine erweiterte Vollmacht, welche das höhere Marinepersonal zur unbedingten Fügsamkeit unter meine Anordnungen anwies, an eine rasche Förderung des Geschäfts nicht zu denken sei; den unmittelbaren Verkehr mit den deutschen Consulaten in den überseeischen Ländern hatte man mir schon in meiner Instruktion abgestrichen. Die Idee, einem oldenburgischen Geheimen Staatsrath, der auch auf seiner, dem Generalmajor respective Contreadmiral gleichstehenden Rangstufe immer nur ein Civilist blieb, eine Autorität über einen Contreadmiral einzuräumen, konnte eine Militärcommission nur abenteuerlich finden, ich wurde – abgewiesen! Nun ersuchte ich den Marinechef, die verlangten Ergänzungen in seiner Beschreibung nachzuholen. Er erklärte mir trocken, das sei gar nicht nöthig. Die hierüber bei dem Bundestagsausschuß von mit geführte Beschwerde hatte für mich wieder einen nachdrücklichen Verweis, meiner dem Admiral Brommy gemachten Zumuthung und
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 561. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_561.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2023)