Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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zum Aufbewahren derselben verschaffe man sich Gefäße von Holz, echtem Steingut (Steingut ist ein Geschirr, welches wie das Porzellan keine oder wenigstens keine bleihaltige Glasur hat, doch nennt man auch manchmal das oben erwähnte Tischgeschirr fälschlich Steingut), Porzellan oder Glas (z. B. ganz ordinäre Zuckergläser, die in jeder Glashandlung in allen Größen zu bekommen sind. Den Essig bewahrt man am besten in gläsernen Flaschen, gewöhnlich in grünen Bouteillen auf).
Fabrikmädchen als Schriftsteller.
Die Fabriken zu Lowell in den Vereinigten Staaten beschäftigen etwa 8000 Arbeiter, die zur guten Hälfte aus jungen Mädchen bestehen. Die Höhe des Arbeitslohnes und die Abneigung vor der untergebenen Stellung einer Hausmagd leiten überzählige Töchter der unbemittelteren Klasse besonders gerne hierher. Nachdem sie einige Jahre so gearbeitet, ihr Heirathsgut erworben oder vermehrt, pflegen sie sich mit dem Stolze der Selbstständigkeit zu ihren Aeltern oder dem erwählten Gatten zurückzuziehen. Was selbst während ihrer Fabrikzeit, bei zwölftäglichen Arbeitsstunden, ein tüchtiges und auf Bildung gerichtetes Selbstgefühl zu leisten vermag, wird man in dem nachstehenden Aufsatz bewundern. Er ist einer Zeitschrift (The Lowell offericy) entlehnt, welche ausschließlich von Fabrikmädchen geschrieben wird, die sich zu einem „gegenseitigen Bildungsverein“ zusammengethan haben. Schilderung und Gefühl, Urtheil und Gesinnung sind in ihm gleich schön und edel.
Rührendes Gedenkzeichen geschiedener Würde und Liebe, wie traurig süße Erinnerungen weckst du in meiner Brust! – Ich denke daran, wie ich dich abgeschnitten, da der Tod den theuren Zügen seinen wandellosen Stempel schon aufgedrückt. – Wie lebhaft rufst du mir die Zeit zurück, wo ich im kindischen Spiele die Flechten auf der ehrwürdigen Stirn meiner Großmutter glättete! Die Jahre mochten sie gefurcht haben, aber eine erhabene Schönheit thronte darauf. Keine Gewalt hatte das Alter, das Licht des Wohlwollens zu dämpfen, welches von deinem Auge strahlte, noch das gütige Lächeln zu trocknen, das deine Züge belebte. Wieder glaube ich die milde Stimme zu vernehmen, deren Laute all meine Launen bezwangen. Wohl haben zehn Sommer das Gras grün gemacht auf deinem Grabe, und die weiße Rose ist in Schönheit aufgebrochen ob deinem verehrten Haupte, doch dein Name ist grün geblieben in unserem Gedächtniß und deine Tugenden haben unverwelklichen Geruch gelassen in den Herzen deiner Kinder.
Sie, von der ich erzähle, durfte sich den Hochgeborenen der Erde nicht nachstellen. Aber die Reinheit ihres fleckenlosen Charakters, ihr nützliches Dasein, ihre Pflichterfüllung, ihre hohe Unterwerfung unter den Willen des Himmels umstrahlten sie glänzender, als die Krone den Grafen und dauernder, als der Sonnenkreis das Genie. Kein Schloß fremder Zonen oder unseres fernen Südens nannte sie Herrin – in Neuhampshire’s Bergen war ihre verborgene Heimath.
Ich erinnere mich wohl des Morgens, an dem sie mir, dem schäkernden Mädchen von dreizehn Jahren, die Ereignisse ihrer jungen Tage erzählte. Auf ihr Ersuchen hatte ich sie zu einem Morgengange um unser altes Hauswesen begleitet. Plötzlich stand sie still und schaute gespannt auf die grüne Erde. Zuletzt deutete sie auf eine fast überwucherte Vertiefung und sagte:
„Dieser Platz ist mir der liebste auf Erden.“
Ich schaute sie fragend an, da ich nichts Besonderes zu entdecken vermochte. Die Thräne theurer Erinnerung stand ihr im Auge, als sie erwiederte:
„Auf diesem Platze habe ich die hellsten Stunden meines Lebens verbracht. Hier hat unser erstes Blockhaus gestanden und hier hat mein Erstgeborner das Licht erblickt.“
Ich bat um Weiteres und sie setzte sich auf den breiten Stein, der ihr Herd gewesen war und begann:
„Es war ein heller Sommerabend, als mein Großvater, den Du nicht gekannt hast, mich als seine glückliche Frau hierher brachte. Am selben Morgen hatten wir am Altare gestanden, am selben Morgen hatte ich mit den bangen Gefühlen eines achtzehnjährigen Mädchens meiner Kindheit Lebewohl gesagt und, mit dem letzten Kusse einer lieben Mutter auf der Wange, die Reise zu meines Gatten Heimath in der Wildniß angetreten. Wir ritten langsam auf dem grünen Waldpfade dahin, dessen Windungen abgeschälte Bäume allein kennzeichneten. Doch keine neumodische Braut in ihrer prächtigen Kutsche, in Seide und Spitzen, hat ihr Herz auf dem Wege zur stattlichen Behausung höher schlagen gefühlt, als ich. Wie ich auf den kräftigen Mann zu deiner Seite blickte, wie er mit sorgsamer Hand meine bräutlichen Zügel leitete – oder dem vollen Strahl seines dunkeln Auges begegnete, da fühlte ich, seine Liebe sei wandellos.
„So verfolgten wir unsern einsamen Weg durch den weitgestreckten Forst, wo Natur noch herrschte in fast ursprünglicher Willkür und Schöne. Dann und wann kam ein angebauter Fleck mit einer neuen Hütte, die junge Mutter davor mit dem Kindlein an der Brust, ein leises Lied im Munde, dazu das ferne Gekrach fallender Bäume – eine Siedler-Heimath.
„Das Zwielicht hatte seinen milden Schleier auf die Erde geworfen, das schlingende Gebüsch einen tiefern Schatten angenommen, der Waldvogel sang seinen letzten Ton, da tauchten wir auf aus dem Walde und gelangten zu einer Rodung. Es war ein Raum von wenigen Ackern, wo noch voriges Jahr der Baum in seinem Stolze stand. In der Mitte, umgeben vom hohen indischen Korn, lag das niedere Häuschen, welches meine Heimath werden sollte – wie zitterten die seidenen Aehren im Nachtwind. Unter jener alten Eiche, die man als ein Mal der Vergangenheit geschont hat, waren wir abgestiegen und betraten unsere Wohnung. Kein Laut rings außer dem Wispern des Windes, wie er durch das Blättermeer fuhr. Aber gesegnet mit Jugend, Gesundheit, Liebe, Hoffnung – was hatten wir zu fürchten? Nicht daß die Entbehrungen und Mühsale früher Siedler uns unbekannt gewesen wären, aber wir scheuten sie nicht.
„Der frühe Morgen und der thauige Abend sahen uns unerschlafft an der Arbeit, und der Himmel krönte unser Werk. „Die Wildniß begann zu blühen wie die Rose,“ und unsere Scheuern füllte der Ueberfluß.
„Doch eine verhängnißschwere Zeit zog für die damals noch jugendliche Colonie herauf. Die Unzufriedenheit, welche schon längst in unseren Häfen gemurrt hatte, ward lauter und anhaltender unter den wiederholten Thaten britischer Bedrückung. Wir wussten, die verderblichen Wolken sammelten sich jeden Tag schwerer. In jenen Tagen erfuhr man nur, was ein gelegentlicher Besucher zu melden hatte.
„Unsicher und zweifelhaft, wie das Gerücht ging, war es genug, um den Trotz manches männlichen Herzens zu erwecken. Das treue Gewehr ward in Stand gesetzt und hing in blanker Bereitschaft über jeder niederen Thür. Zinnernes Geschirr ward zu Kugeln, Tod dem Feinde lebte in jeder Brust, gewärtig des Signals.
„Es war an dem denkwürdigen 17. Juni 1775, daß Dein Großvater auf einem entfernten Theile seiner Besitzung der gewöhnlichen Arbeit nachging. Da schlug plötzlich ein hellerer Ton an sein Ohr als das Gekrach fallender Bäume, das Echo antwortete die Berge entlang. Er wußte, die Stunde war gekommen und eine Flamme sei ausgebrochen, die Blut allein zu löschen vermöchte. Er war kein Mann, beim Schlachtruf zu schlummern. Hin warf er sein Geräth und betrat das Haus mit einem Antlitz, das ich nie vergessen werde. Ein wildes Feuer glühte in seinem Auge, eine fliegende Hitze spielte auf der Wange – so schaute er auf mich und sein Kindlein und zuckte in Schmerz. Aber bald glänzte der hohe Ausdruck ruhiger Entschlossenheit auf seinen Zügen.
„Da fühlte ich, daß wovor ich lange gebangt hatte, sich erfüllen solle. Eine Weile rang das Weib in mir fürchterlich – doch der Kampf war kurz; und obwohl ich nicht mit meinen Lippen sagen konnte: Geh, klang es doch in meinem Herzen: Gottes Wille geschehe! Denn nur als solchen konnte ich die heilige Sache betrachten, in der Alles, wofür wir lebten, auf dem Spiele stand.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 559. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_559.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2023)