Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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dieser Masse, dem sogenannten „irdenen Teig“ werden nun die Geschirre theils mit der freien Hand, theils durch Eindrücken in Gyps oder Thonmodelle geformt, an der Luft oberflächlich getrocknet, glasirt und endlich gebrannt. Zur Glasur nimmt man meistens Bleiglätte (unreines Bleioxyd) oder andere bleihaltige Körper, mehr oder weniger reinen Sand, Thon oder Lehm, oft auch Kreide und um eine Färbung hervorzubringen, Hammerschlag (färbt braun), Kupferasche (färbt grün), Zaffer (färbt blau), Zinnasche (färbt weiß), oder Braunstein (färbt schwarz), je nachdem sich der Töpfer die eine oder andere dieser Substanzen leichter und billiger verschaffen kann.
Diese zur Bildung der Glasur bestimmten Stoffe werden ebenfalls zuerst fein gemahlen und mit Wasser zusammen zu einem Brei angerührt. In diesen Brei taucht man nun die zu glasirenden Waaren entweder ein oder man bespült oder bestreicht sie damit, und zwar, je nachdem das Geschirr zu feinern oder gröbern Zwecken verwendet werden soll, entweder auf beiden oder nur auf der innern Fläche. Manche Geschirre werden auch erst schwach gebrannt und dann erst in den Glasurbrei eingetaucht, oder wie man sich ausdrückt, „glasirt.“ Nach dem Glasiren folgt endlich das Brennen. Die Geschirre werden in dem eigens hierzu eingerichteten Töpferofen aufgeschichtet und 25 bis 30 Stunden einer ziemlich bedeutenden Glühhitze ausgesetzt. Hierbei schmilzt die an der Oberfläche haftende Glasurmasse und bildet eine zusammenhängende glasige Decke. Nachdem dies erfolgt ist, wird der Ofen verschlossen und das Geschirr erst, nachdem er sich vollständig abgekühlt hat, aus demselben herausgenommen; denn je langsamer die Abkühlung, desto fester und dauerhafter die Waare. Ein gutes Töpfergeschirr muß einen raschen Temperaturwechsel ertragen können, ohne zu springen, beim Anklopfen mit dem Finger einen reinen Klang geben und eine Glasur besitzen, die keine Sprünge bekömmt, nicht abblättert und sich nicht mit einem scharfen Messer ritzen läßt. Dennoch kann Geschirr, welches allen diesen Anforderungen entspricht, Vergiftungen veranlassen. Der Grund hiervon liegt, wie schon erwähnt, in der bleihaltigen Glasur. Die Töpfer sollen zwar nur möglichst wenig Bleiglätte zur Glasur nehmen, damit sich das Bleioxyd vollständig mit der Kieselsäure oder Kieselerde, aus welcher der Sand und zum Theil auch der Thon oder Lehm besteht, zu sogenanntem Bleiglas verbinden kann, das von den Speisen nicht oder wenigstens nicht leicht angegriffen wird. Allein dann ist eine hohe Temperatur und daher viel Brennmaterial, auch viel Zeit erforderlich, um eine solche Glasur zum Schmelzen zu bringen. Je mehr Bleiglätte aber zur Glasur kömmt, desto leichter schmilzt dieselbe. Der Töpfer kann dann sein Geschirr mit Hülfe von weniger Brennmaterial und in kürzerer Zeit brennen, dasselbe billiger, ja selbst besser aussehend darstellen.
Ist es daher zu verwundern, daß die Töpfer, denen größtentheils unbekannt ist, welch’ großen Schaden sie mit solchem bleireichen Geschirr anstiften können, so viel als möglich Bleiglätte zur Glasur nehmen; besonders, da man trotzdem, daß das Holz, überhaupt das Brennmaterial, immer theurer wird, von ihnen doch ein ganz billiges Geschirr verlangt? Die Folgen dieses Mißverhältnisses, die Bleivergiftungen, treten daher auch immer häufiger auf. Enthält nämlich die Glasur des Töpfergeschirres verhältnißmäßig viel Bleioxyd, so lösen besonders saure und salzige Speisen, die man darin kocht oder aufbewahrt, nach und nach einen Theil des Bleioxydes auf und werden bleihaltig. Oefterer Genuß solcher Speisen ist außerordentlich schädlich, und es treten darnach besonders folgende Krankheitserscheinungen ein: das den Zähnen zunächst liegende Zahnfleisch nimmt eine bläuliche bis schiefergraue Farbe an, sein äußerster, die Zähne berührender Theil erscheint wie eine graue Linie, der Geschmack im Munde wird unangenehm süßlich, der Athem übelriechend, die Haut schmutzig gelb oder erdfahl, der ganze Körper, vorzüglich aber das Gesicht, magert ab und die Gesichtshaut wird runzelig. Doch das sind erst die Vorboten der langsam aber sicher tödtenden Bleivergiftung oder Bleikolik. Nach einiger Zeit stellt sich periodenweise ein äußerst heftig werdender zusammenziehender Schmerz in der Nabelgegend ein, der so furchtbar werden kann, daß selbst der gleichmüthigste Mensch in laute Wehklagen ausbricht. Dieser Schmerz ist dadurch vor ähnlichen zu unterscheiden, daß er sich durch Druck eher etwas vermindert als steigert. Der Vergiftete leidet oft an tagelanger Stuhlverstopfung, oft an plötzlichem heftigem Durchfall, häufigen Uebelkeiten, fortwährendem, sehr bitter schmeckendem Aufstoßen und häufigem Erbrechen; der Durst ist bedeutend, der Appetit tritt gewöhnlich während der Schmerzanfälle ein, der Unterleib ist zurückgezogen und fühlt sich hart an, die Gesichtszüge sind durch Todesangst und unbeschreibliche Schmerzen entstellt, die Kräfte vernichtet. Oftmals gesellen sich hierzu die heftigsten Kopfschmerzen, Krämpfe, Empfindungslosigkeit oder Lähmung einzelner Glieder; doch das Bewußtsein bleibt ungetrübt und der Unglückliche wünscht zuletzt sehnlichst, daß der Tod seinen Qualen ein Ende machen möge, was aber nur sehr langsam geschieht.
Diese Gefahr ahnen wohl die wenigsten Menschen; sie bereiten ihre Speisen sorglos in dem Töpfergeschirr und bewahren sie auch oft Tage darin auf. Wir halten es daher für unsere Pflicht, hierauf aufmerksam zu machen, und wollen nicht versäumen, wenigstens anzudeuten, auf welche Weise man einen nachtheiligen Bleiglanz im Geschirr leicht entdecken kann; und jedes neu eingekaufte glasirte Geschirr, auch das emaillirte Eisengeschirr sollte vor dem Gebrauche auf diese Weise geprüft werden. Man füllt das Gefäß mit Essig an, den man vorher mit der 6–12fachen Menge Wasser vermischt hat, setzt zugleich etwas Salz zu, erhitzt es zum Kochen, läßt die Flüssigkeit in kleineren Gefäßen eine halbe, in größeren eine ganze, in sehr großen mehrere Stunden lang kochen, und in dem Topfe erkalten. Hierauf schickt man eine Probe derselben in die Apotheke oder zu einem Chemiker mit dem Bemerken, derselbe möge etwas Schwefelwasserstoffwasser dazu setzen; oder will man den Versuch selbst anstellen, so bewahrt man ein faules Ei in einem gut schließenden, im Dunkeln stehenden Glase (einer gewöhnlichen Arzneiflasche) auf, und setzt von diesem etwas zu der Flüssigkeit. Färbt sich dieselbe nach Zusatz von Schwefelwasserstoffwasser oder faulem Ei (die faulen Eier verdanken einem Gehalte an Schwefelwasserstoff ihren übeln Geruch) braun oder bilden sich schwarze Flocken darin, so ist der untrügliche Beweis geliefert, daß sich Blei aus der Glasur des Geschirres darin aufgelöst hat, indem die dunkle Färbung oder Bildung von schwarzen Flocken, von Schwefelblei abhängt, das nach Zusatz von Schwefelwasserstoff entsteht. Das Geschirr ist dann verwerflich. Bei gutem Geschirr bleibt dagegen die Probeflüssigkeit klar und farblos. Jedenfalls ist die schon in vielen Familien eingeführte Sitte, die neuen Kochgeschirre, bevor man sie benutzt, erst ein oder mehrere Male mit Wasser auszukochen, dem man etwas Essig und Salz zugesetzt hat, der allgemeinsten Nachahmung dringend zu empfehlen.
Immerhin ist die bleihaltige Glasur ein großer Uebelstand und kann unter Umständen, auch wenn sie gut gebrannt war, allmälig an die Speisen übergehen und schädlich wirken. Das Beste wäre daher, wenn endlich einmal ein Töpfergeschirr mit bleifreier Glasur gebrannt würde, was keine Unmöglichkeit ist. Allerdings ließe es sich dann wohl kaum für einen so billigen Preis darstellen, allein im Vergleiche zu dem hohen Werthe der Gesundheit, die unnöthiger Weise gefährdet wird, wäre eine geringe Preiserhöhung, aber bleifreies, unter jeder Bedingung unschädliches Geschirr, gewiss kein unvortheilhafter Tausch und ein Opfer, welches wohl alle vernünftigen Menschen sich selbst und den Ihrigen gerne bringen würden.
Dasselbe gilt von der etwas feineren Fayencemasse, aus welcher die weißen, oft auch bunten Schüsseln, Teller, Tassen etc., die nicht zum Kochen, sondern hauptsächlich zum Tischgebrauche dienen, in den verschiedensten Größen und Formen verfertigt werden. Das Fayencegeschirr erhält meistens eine dicke, bleireiche Glasur, die sich beim täglichen Gebrauch ziemlich rasch abblättert oder abnutzt, auch leicht Blei an die Speisen abgiebt. Es ist daher noch gefährlicher als das gemeine Töpfergeschirr, namentlich dürfen Speisen, vorzüglich Salat, durchaus nicht lange darin liegen bleiben. Der Salat darf überhaupt nur in Holz, gewöhnlichen bleifreien Glas- oder Porzellangefäßen, welche niemals schädliche Bestandtheile abgeben können, zugerichtet und aufbewahrt werden.
Der Blick in die Küche und auf das in dieser befindliche Kochgeschirr hat uns gezeigt, daß dieser Gegenstand nicht gleichgültig, sondern im Gegentheil einer ernsten Beachtung werth ist, indem bei größerer Vorsicht in der Wahl der Kochgeschirre viel Unglück und Elend verhütet werden könnte. Wenn Niemand mehr schlecht glasirtes Töpfergeschirr kaufen wollte, so würden die Töpfer dazu gezwungen, ihr Geschirr gut und mit möglichst bleifreier Glasur zu brennen. Zum Kochen der Speisen bediene man sich, wo es nur immer möglich ist, des ordinären Schwarzblechgeschirres;
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 558. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_558.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2023)