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Seite:Die Gartenlaube (1855) 557.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Schmied und das Amelungenlied. Dies ist eigentlich die Hauptthat seines Lebens, und wahrlich, eine Lebensthat kann man die vollendete Lösung der großen Aufgabe nennen: „die ganze volksthümliche Heldendichtung unseres frühen Mittelalters in der Sprachform der Gegenwart dem deutschen Volke wieder zu schenken;“ sein köstliches Erbgut aus dem phantasiereichen und thatlustigen Jünglingsalter, die Heldensage aus dem Schutt und Moder der Zeit wieder hervorzuholen; dasjenige, was daraus in der Blüthe des Mittelalters schon gute Bearbeiter fand, zu übersetzen, die andere, größere Hälfte aber, die einzig in prosaischem Bericht oder auch nur in loser Andeutung auf uns gekommen ist, den Geist der alten Dichtung schöpferisch neuzugestalten und das Ganze sich zu einem mächtigen Ringe zusammenschließen zu lassen.

„Mir ward ein Lied zu singen, des deutschen Sinnes Bild,
Der lange lau und lässig, im Zorn erhaben schwillt.“

Mit diesen Worten begann der Gelehrte und Dichter sein außerordentliches Werk. Er führt uns darin durch alle Stämme hindurch, welche das Drama der Völkerwanderung durchspielen; er führt uns zuletzt noch durch Norwegen, Schweden und das Land der Dithmarsen, nach Thüringen zum Spessart, an den Rhein, und ihm hinauf nach Italien. – Und zum Dichterischen stets die gründlichste, klarste Untersuchung und Interpretation. — Diesem großartigen nationalen Wirken schließt sich an die Gruppe:

II. Nachbildungen und Uebertragungen vereinzelter Werke und einzelner Dichter des Mittelalters. Dazu gehören: Zwanzig Lieder von den Nibelungen, die Eddalieder, Hartmann’s von der Aue: „der arme Heinrich“, Walther’s von der Vogelweide Gedichte und Wolfram’s von Eschenbach: „Percival und Titurel.“ Eben so treu, wie Simrock dort den alten Heldengeist wieder gab, so hier (bei den drei Dichtern) den Ritter- und Minnegeist jener Zeit, und zwar bei stäter Treue in frisch lesbarer Weise; nicht blos in altem Erneuen und einem unzugänglichen Zusamenflicken moderner und alter Ausdrucksweise, sondern in lebensvoller Neugeburt echt alten Sinnes und Geistes.

III. Sammlung und Wiederherstellung nach den echtesten Lesarten der altdeutschen Volksbücher. Wer kennt sie nicht, die – bis jetzt auf vierzig herangewachsenen – Büchlein mit den lieben, alten, treuen Erzählungen, Schwänken und Possen, worin sich der Volkscharakter, sein Witz, sein Humor so kernig und gesund wiederspiegeln? Wer hat sich nicht erfreut an ihren alten, treuen, charakteristischen Holzschnitten? – Das Puppenspiel vom Faust und Reinecke Fuchs sind daraus besonders berühmt geworden. Zur ersten Wiederherstellung dieser Bücher trat Simrock mit den bedeutendsten Germanisten in Verbindung; ging er auf die ältesten, zum Theil sehr seltenen Ausgaben zurück, und that denn auch manch glücklichen neuen Fund. Man sieht es dem kleinen, unscheinbaren Büchlein nicht an, welcher Aufwand von tiefem Studium und ernstem Fleiß darauf verwendet wurde. Dasselbe gilt von den dieser Richtung angehörenden Sammlungen: Deutsche Volkslieder, deutsche geschichtliche Sagen, rheinische Sagen, Karolingisches Heldenbuch, deutsche Sprichwörter (12,396 Stück, die einen wahren Schatz poetischer Lebensweisheit und schlagender Charakteristik enthalten), deutsches Räthselbuch (700 Stück der köstlichsten Volksräthsel), deutsches Kinderbuch; – mittelbar gehört auch noch dazu: Altchristliche Kirchenlieder und geistliche Gesänge, lateinisch und deutsch.

Mit wirklich bewundernswerthem Fleiße und Spürtalent hat der Dichter hier überall gesammelt, mit dem feinsten Takte gesondert und zur klaren Ueberschaulichkeit zusammengestellt.

In IV. Gruppe: die Arbeiten nach und für ausländische Literatur. Hier ist es besonders eine vortreffliche, dem deutschen Wesen und dem deutschen Theater glücklich angepaßte Bearbeitung von Shakespeare’s Macbeth, als der Beginn einer weiter intentirten Aufgabe: „Shakespeare, als Vermittler zweier Nationen“; damit zusammen hängt: „Quellen des Shakespeare in Novellen, Sagen, Mährchen“; diese Aufgabe führte dann zu dem nun begonnenen „Novellenschatz der Italiener.“

Tritt nun bei all den genannten Werken, nur mehr oder weniger, schon der original-schaffende Dichter und Prosaist hervor, so ist dieser doch nicht immer ganz klar und einzig zu trennen vom Uebertrager, Sammler und Interpreten, und so bleibt uns denn noch als letzte und

V. Gruppe: der reine Originaldichter und Prosaist. Als solcher gab der Poet: Einen großen Band „Gedichte“, ein kleines Epos: „Der gute Gerhard von Cöln“; eine poetische Erzählung, halb Reim halb Prosa: „Bertha, die Spinnerin“ und neuester Zeit: „Legenden.“ – Hier tritt nun überall hervor, was wir oben bei Gelegenheit des Gelehrten und Dichters sagten; darum handelt es sich bei Simrock’s Gedichten auch nie um Empfindelei, vages Vernebeln und Verschwebeln und ein süßliches Hintorkeln in unbestimmten Begriffen; da hat Alles Fleisch und Knochen und gesundes Blut, mit kräftigen Muskeln und Sehnen zusammengehalten; eine lebendige Thatsache, ein bestimmter Gedanke wird knapp, kurz, resolut hingestellt, und klingt es auch oft etwas kühl, etwas herb und spröde und kann der Dichter seine meisterhaft gebildete Sprache auch nicht um sich schlagen im kühnen Faltenwurf des Purpers, – so entschädigt dafür doch stets der Inhalt, oft eine glückliche, epigrammatisch auslaufende Pointe, ein köstlicher Humor, eine liebenswürdige Ironie und Schalkhaftigkeit. Am Glücklichsten ist Simrock als Romanzen- und Balladen-Dichter; doch schlägt er auch oft echt lyrische Töne an und hat er Lieder der innigsten, naivsten Empfindung und Unmittelbarkeit gegeben. –

Der Prosaist bildet mit seinem vielberühmten herrlichen Werke: „Das malerische und romantische Rheinland,“ den Uebergang aus der Sphäre der Poesie, Kunst und gelehrten Forschung zur specifisch gelehrten Wirksamkeit, die sich schon in seinem früheren kleinen „Handbuch der deutschen Mythologie“ präsentirt, weit mehr aber noch in seinem neuesten umfangreichen Werke: „Die deutsche Mythologie mit Einschluß der nordischen.“ Hier hat denn nun, wie schon angedeutet, der Dichter dem Gelehrten genützt, so daß dieser uns ein so lebendiges, warmes, klar überschauliches Werk gab, daß dasselbe für jeden gebildeten Deutschen angenehm zugänglich, für Jeden nothwendig ist, der Sinn und Strebsamkeit für das Kulturleben der Nation hat, wie es sich in seiner Mythologie abspiegelt.




Küchen-Chemie.

Von Dr. H. Hirzel.




Kochgeschirre.
(Schluß.)
c. Töpfergeschirr.

Das Töpfergeschirr fehlt wohl keiner Küche. Reiche und Arme gebrauchen es schon seit Jahrhunderten, um ihre Speisen darin zuzubereiten und aufzubewahren, und doch giebt es, gerade weil es so allgemein benutzt wird, am Häufigsten zu gewöhnlich sehr schlimmen Vergiftungen Veranlassung. Die Haupt- und Grundmasse aller Töpfergeschirre ist ein Gemenge von Thon mit Kiesel, Sand, Kalkstein oder anderen ähnlichen Gesteinarten. Die Oberfläche dieser Masse ist aber mit einem glasartigen, mehr oder weniger durchsichtigen, gewöhnlich gelb, weiß, grün, blau, braun oder schwärzlich gefärbten Ueberzuge, der sogenannten Emaille oder Glasur bedeckt, welche fast immer und überall aus einer viel Bleioxyd (einer Verbindung von Blei mit Sauerstoff) enthaltenden Glasmasse besteht und die Ursache der Gefährlichkeit dieser Waaren ist. Man verfährt nämlich bei der Anfertigung der Töpfergeschirre im Allgemeinen auf folgende Weise. Zuerst werden alle Substanzen, die man dazu gebraucht, der Thon, Mergel Kalkstein, Sand, Kiesel u. s. w. auf Mühlen sehr fein gemahlen, dann auf die Weise gemischt, daß man sie zusammen mit Wasser zu einem nicht zu dünnen Brei anrührt. Der erhaltene Brei wird rasch etwas getrocknet, hierauf gehörig durchgeknetet oder mit den Füßen durchgestampft, bis er eine gleichmäßige bildsame Masse darstellt. Aus

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verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1855, Seite 557. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_557.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2023)