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Seite:Die Gartenlaube (1855) 536.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Ein Soldat ist nach achtstündigem Dienste so müde, daß er von einem fallenden Kameraden mit umgeworfen, neben dem Todten und mehreren andern noch warmen Gefallenen liegen bleibt, da ihm die „Wärme“ wohlthat. Er schläft in diesem „warmen Bette“ ein und fort, bis er, von einem schweren Erdenkloß getroffen, aufwacht. Er sieht sich um, bemerkt, daß er mitten unter Leichen liegt, über die eben Erde gekarrt wird. „Halt, meine Herren,“ ruft er, „laßt mich noch erst mal heraus, noch ist meine Zeit nicht um!“

Der achte war durch die allgemeinste, zerstörendste Kanonade vom 5., 6. und 7. September vorbereitet worden. Während dieser Zeit bot die Umgegend Sebastopols ein Schauspiel, wie es die Erde noch nie gesehen. Für das Dämonische, Entsetzliche dieser Scenze sucht man vergebens nach Wort und Bild. Die natürlichen und künstlichen Berge und Hügelwellen, wie die Stadt selbst mit ihren ungeheuern Außenwerken, schienen leblos und ausgestorben. Man sah keinen Menschen, nichts Lebendiges. Alle Berge und Schluchten und Wälle zitterten unter dicken, schweren Pulverdampfwolken, aus denen ununterbrochen hin und her Feuerbüschel zuckten und die schwerste, felsigste Erde nicht zur Ruhe kommen ließen. Es war, als wenn Legionen unsichtbarer, unterirdischer Dämonen mit feuerspeienden Kratern und Erdbeben aus dem Innern der Tiefe wütheten. Da oft hier und da eine lichte Stelle das Auge etwas von Sebastopol erkennen ließ, sah man es zerrissener, durchlöcherter, zerklüfteter. An hohen Häusern und Kirchen hatten Kugeln Löcher gerissen, daß man den Himmel von der andern Seite hindurch blicken sah.

So war der französische Sturm vom 8. vorbereitet worden. Er begann um zwölf Uhr Mittags und dauerte gerade – eine Stunde. Um ein Uhr hatten die Franzosen den Malakoff und damit zugleich Entrée zum ganzen südlichen Theile der Stadt und zum Hafen. Details und Privatnachrichten fehlen, während wir diese Zeilen in London schreiben (den 24. September Abends), noch gänzlich. Was wir also noch mittheilen könnten, müßte sich auf Nachrichten beschränken, wie sie in den Zeitungen zu finden sind, die wir nicht abschreiben mögen.

So wäre denn die russische Flotte, so wäre das Lieblings- und Riesenwerk eines halben Jahrhunderts endlich doch von den Alliirten um einen Preis, der den Werth Sebastopols und der russischen Flotte noch bei Weitem übersteigt, erkauft worden. Den frühern Preis haben sie bezahlt und dafür Leichen und Trümmer bekommen, allerdings mit ungeheuern Schätzen von Waffen, Pulver, Eisen, Kanonen u. s. w., aber was lassen sie dafür unter der Erde und unter den Wogen des schwarzen Meeres zurück? Wir sprechen nicht von den Tausenden niedergeschmetterter Jünglinge und Männer aus zwei Erdtheilen, den noch mehr Tausenden, die an englischer Aristokratie und Mißverwaltung starben, noch mehr am Halbwollen und Halbnichtkönnen, nicht von den todtgeschlagenen und verwüsteten Geldmillionen; wir erinnern blos an die jämmerlich todtgequälten und durch Heuchelei vergifteten, im schwarzen und baltischen Meere ersäuften Hoffnungen und Illusionen der „westlichen Civilisation“, an die abgescheuerte unächte Vergoldung des englischen Löwen, der auf Commando des gallischen Hahnes niederknieen, anbeten, apportiren und andere Kunststücke[WS 1] gelernt hat, so daß Einige behaupten wollen, er gehöre gar nicht zu dem Löwengeschlecht, sondern zu einer ganz andern heraldischen Raubthiergattung. Diese zoologische Entdeckung wird sehr wichtig werden, wenn der abgescheuerte, geschundene und dressirte englische Pseudo-Löwe bei der Abrechnung und Vertheilung der Erbschaft auf den „Löwenantheil“ wird Anspruch machen wollen!

Es bleibt uns nur noch übrig, das Bild, welches wir in die Mitte dieser Betrachtung der letzten Tage von Sebastopol gestellt haben, einzureihen. Zunächst bemerken wir, daß es diese Tage nicht speciell illustiren, sondern diesen ganzen Kampf überhaupt charakterisiren will, zu welchem Zwecke das französische Original auch componirt ward. Als solches Charakterbild ist es jedenfalls ein Meisterstück, das unsern Lesern gewiß willkommen sein wird. Es ist dramatisch lebendig, wahr und treu in den Physiognomien und dem Kostüm und enthüllt, auch eine höhere Wahrheit dieses Kampfes, den dahinsinkenden Türken, die wilde Bravour der Franzosen als Mittel- und Brennpunkt, den Engländer hinten- und nebenan. Der verschwimmende Hintergrund rechts erklärt sich durch die gefallenen Türken im Vordergrunde. Auch die im verschwimmenden Hintergrunde sind eine Beute des Todes. Der Fall Sebastopols ist noch lange nicht der Fall Rußlands, wohl aber das Ende der Türkei. Uebrigens wird Jeder leicht den künstlerischen Werth des Bildes zu finden und zu würdigen wissen, ohne symbolischen Inhalt hinein zu legen. Wir hatten denn auch wesentlich nur die Absicht, ein wirklich gutes Bild dieses Kampfes zu bieten jund brauchen uns deshalb wohl nicht erst noch gegen den Verdacht zu verwahren, als wollten wir in sonst üblicher Weise unsere Leser als ungezogene Kinder behandeln und sie mit zusammengestohlnen Bilderbogen unterhalten oder wenigstens zu artigen Käufern machen.

Eine der schlimmsten barbarischen Folgen des Krieges ist die bis zum Blödsinn getriebene Wuth französischer und besonders englischer Blätter, ihre Leser mit immer neuen Abbildungen aller möglichen Kriegsscenen zu füttern, mit Schlachtenbildern, die fabrikmäßig aus stereotypen Figuren zusammengehackt werden. Wie der Souffleurkasten von jeder Bühne, bildet in der Regel ein vom bäumenden Pferde fallender Soldat die Hauptfigur solcher Schlachtenmaler. Außerdem scheinen sie einige Modelle für Berge, Häuser, Felsen und Figuren zu haben. Diese werden alle acht Tage frisch gemischt, und in vorgeschobene Positionen eingeholzt, dann abgedruckt und mit neuen Unterschriften aus den neuesten Zeitungsnachrichten versehen. So füllt man die Bogen stets wieder mit neuer Barbarei und verwildert den Geschmack und die Bildung der Leser in Grund und Boden. Deutschland läßt sich dabei einen noch ärgeren Fehler zu Schulden kommen, den, daß es trotz seiner Neutralität die Engländern und Franzosen sinnlos weggestohlnen Nachklatsche geduldig hinnimmt und sich obendrein noch allerhand Charlatanismus und Humbug mit in den Pelz binden läßt. Wo bleibt da die rege Kunst und Wissenschaft mit ihren Entdeckungen und Schätzen?




Aus dem Tagebuche eines sächsischen Auswanderers.

Eine Nacht auf dem Mississippi.

Unsere Wanderung in den Vereinigten Staaten scheint an Begebnissen reich werden zu wollen, welche die Seele mit Grauen erfüllen. Ich erzählte bereits von manchen Abenteuern schauerlicher Art in Wald und Prairie, aber auch eine Fahrt auf dem „Vater der Gewässer,“ dem riesigen Mississippi, auf dessen breitem Rücken wir schon oftmals in kleinen und großen Fahrzeugen hinauf- und hinunterwärts geschwommen, sollte uns Erlebnisse bringen, die sich unverlöschlich in unsere Erinnerung festprägten.

Nachdem wir unsere Wanderungen bis weit hinunter am Mississippi ausgedehnt hatten, bestiegen wir ein Dampfschiff, um nach … hinaufzufahren. Eine Nacht und zwei Tage waren ganz angenehm vergangen; die zweite Nacht kam, und nachdem wir uns auf dem Verdecke des puffenden, zischenden, plätschernden Dampfungethüms ziemlich lange aufgehalten und an der Herrlichkeit der Wunder der Nacht uns erfreut hatten, schlich Einer nach dem Andern hinweg, um sich zum Schlafen niederzulegen. Ich bin nun ein wahrer Virtuose im Schlafen, denn ich versinke in den festesten Schlummer, sobald ich mich auf das Lager strecke und – wache erst mit dem nächsten Morgen wieder. Diesmal wachte ich gegen alle Gewohnheit etwa um zwei Uhr nach Mitternacht auf, und ich konnte mich auch nicht wieder in den Schlaf finden, was ich auch vornahm. Verdrießlich legte ich mich bald auf die rechte, bald auf die linke Seite. Endlich schien ich die erforderliche Schlaflage wiedergefunden zu haben und die Besinnung begann mir zu schwinden, als das Schiff leicht an das Ufer oder an eine Bank anstieß, wie ich deutlich fühlte; ich hörte sogar, da das Holz bekanntlich ein guter Schallleiter ist, ein Rauschen, als quelle gurgelnd Wasser herein. „wir sind wahrscheinlich auf einen der vielen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Künststücke
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 536. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_536.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)