Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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aus brachte uns die Landkutsche durch eine Reihe blühender Landschaftsbilder und Städte an dem Silberband von Wales und Hereford, dem Flusse Wye (Uei) herunter – durch das malerischste Labyrinth von Thal und Hügel und Felsen und Landhäusern und feinstem Ackerbau und Industrie – durch lauter lachende, thätige, lustige, blühende Civilisation plötzlich vor ein Thal unter uns, das dem aus dem Paradiese von Hereford kommenden Auge unsäglich furchtbar und haarsträubend erschien. Ein unentwirrbares Gewinde von Rauch und Asche und verbrannten Gebirgen, als hätte hier eine ungeheure Feuersbrunst jede Spur grünen Lebens gemordet und das Ganze mit schwarzen Schlacken und Ruß dicht belegt, damit nie wieder etwas wachsen solle. Wir standen eben vor dem Thale Toff, aus welchem sich in dickem Qualme, der Himmel und Erde in ein ewiges Chaos zusammen zu mischen scheint, die neue Hauptstadt der Eisen-Industrie von Süd-Wales erhebt, Merthyr-Tydvil.
Die Stadt ist in England beinahe sprüchwörtlich geworden in ihrer ewig rauchenden und brennenden Erhabenheit, und jeder setzt hinzu, daß man im Finstern zu ihr herunter fahren müsse, um sich den Genuß der Erhabenheit des Schrecklichen zu verschaffen. So warteten wir denn die Dunkelheit ab, um zu sehen, wie mit dem verlöschenden, öden Tageslicht in dem Chaos schwarzen Qualmes glühende Feuersäulen immer goldener und phantastischer sich zwischen Himmel und Erde aufstellten, hier groß und hell und nahe, dort sich verlierend in immer fernere, geisterhafte Gestalten von Rauch, Licht und Hitze. Je näher wir kamen, durch entsetzliche Gebirge von Schlacken, desto blendender öffneten sich hier und da die Rachen der Oefen, die wie Vulkane mit dämonischer Leidenschaft Feuer und Flamme speien, ohne sich jemals Ruhe zu gönnen.
Merthyr-Tydvil, 1831 noch mit 22,000 Einwohnern, arbeitet jetzt mit seinen 54,000 Menschen fast nur mit Ausschluß von Greisen und Kindern in den Eisenschmelzwerken von fünf Compagnien. Die einzige Dowley-Compagnie nährt allein zwölf Tausend Menschen (mit Einschluß der Weiber und Kinder) und zahlt wöchentlich über 3000 Pfund (über zwanzig Tausend Thaler) Lohn. Aus ihren neunzehn Oefen fließen jährlich 87,000 bis 90,000 Tonnen (1,080,000 Centner) Eisen. Das Cyfarthfa-Etablissement hat dreizehn, Pen-y-Darren acht, und das Plymouth-Etablissment ebenfalls acht Oefen. Das Hirwain-Etablissement mit vier Oefen liegt etwas weit ab. Weiter unten am reißenden, schwarzen Taff-Flusse, an welchem sich Merthyr-Tydvil ausdehnt, blasen unaufhörlich zwölf Oefen am Tage Rauch- und des Nachts Feuersäulen gegen den unsichtbaren Himmel. Die ganze Landstrecke nach dem Bristol-Kanal hinunter, etwa zehn deutsche Meilen breit, ist in Hügel und Thal mit Flüssen zerschnitten und ausgefüllt mit riesigen Eisenschmelzwerken. Wir würden sie nennen, wenn die Worte nicht so furchtbar Welsch aussähen. Wer kann solche Namen „Pant-y-glo in Ebbw-Vach“ behalten? Wir beschränken uns deshalb auf Merthyr-Tydvil, deren Werke und Bewohner blos dicht beisammen sind, was die andern zerstreut durch das ganze Eisen- und Kohlenlabyrith dieser Grafschaft Glamorgan. Als Stadt architektonisch genommen, ist Merthyr-Tydvil fürcherlich. Oede, dick eingeräucherte Häuserreihen strecken sich lang, und in den Nebenstraßen laufen Gebirge von Dünghügeln dazwischen hin, in denen hier und da schmutzige Kinder traurige Versuche machen, zu spielen. Alles, was man ansieht, Alles, was man anfaßt, jeder Athemzug ist dichter Kohlenruß. Wie eine schwerfällige Masse Druckerschwärze läuft der Fluß Taff[WS 1] hindurch und schwärzt noch bei seiner Mündung in’s Meer fünf Meilen weiter unten das Wasser weit in seine Wogen hinein. Ringsum nichts als Gebirge von Schlacken, schwarz, trostlos, vielleicht erst nach Jahrtausenden einer Vegetation fähig, wenn die Kunst diese aufgehäuften Eisenleichen nicht mit befruchtender Erde bedeckt. Aber Erde, wo soll diese hier herkommen? Alles unter den Füßen ist Eisen und Kohle, bedeckt mit Asche, Rauch und Schmutz. Und was in weiterer Ferne noch
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Toff
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_531.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)