Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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officiellen Civilisation übrig bleiben muß. Abgöttisches Niederknieen vor Marmor und Macht, das ist die einzige Religion der „guten Gesellschaft“ Englands. Andere Nationen drückt häufig eine Macht von Oben nieder, die freien Engländer aber werfen ihre äußerlich saubern, innerhalb schmutzigen Persönlichkeiten freiwillig in Koth und Kehricht.
Ein amerikanischer Stutzer. „In der ganzen Welt," bemerkt ein new-yorker Blatt („Daily Times“), „ist es die Aufgabe des Dandy, sich, so weit es durch ihn selbst und seinen Schneider möglich ist, von der Natur zu entfernen; von der ganzen Race der Dandy’s aber ist der seltsamste, spaßhafteste und unbeschreiblichste der, welcher halb drei Uhr auf dem Pflaster des Broadway (Newyork) sichtbar wird. Die jungen Sprößlinge unserer reichen Familien sehen, nach einem gewissen verweichlichten Typus gemessen, gut aus. Sie haben glatte hübsche Gesichter, aber ohne die Spur jener kräftigen Entwickelung, welche dem Manne gebührt. Sie sind dünn und knieschüssig, und man möchte sagen, sie seien blasirt zur Welt gekommen. Wie kann dies auch anders sein? Sie kommen von der Amme zum Tanzmeister; kaum haben sie die Kinderklapper weggeworfen, so greifen sie zum Billardstock, und alle Stunden, die der europäische Knabe in Feldern und Heckenwegen vertummelt oder in denen er gesund schläft, weil er sich früh zu Bett legte, verbringt der Newyorker in heißen Zimmern voll verpesteter Luft, oder in öffentlichen Ballsälen, wo gefälschter Brandy seinen Geist schwächt und sein Wachsthum beeinträchtigt. Deshalb gedeiht die newyorker Jugend nur selten zu wohlgewachsener muskulöser Männlichkeit. Nun sollte man meinen, daß bei solchen Formfehlern, wie Spindelbeinen, schmaler Brust und spitzen Schultern, das Beste wäre, sich in bequeme lose Kleider zu hüllen, welche diese Mängel etwas verbergen. Wir wollen sehen, ob dem so ist. So ein Mann-Knabe mit zartem Gesichtchen und einer Wange, auf der auch nicht der Verdacht eines Bartes haftet, nimmt sich sehr unbedeutend und mädchenhaft aus. Daher erachtet er es für nöthig, einen großmächtigen Hut zu tragen, der halb keck, halb unverschämt auf die eine Seite gesetzt wird, und unter dessen breitem Rande hervor er altklug aussehen möchte. Der Mann-Knabe hat sehr spitze Schultern, deshalb zieht er den Rockkragen hinten hinauf wie einen Zuckerhut, so daß vom Nacken und Kopf nichts zu gewahren ist, und er von hinten wie ein behangener Kleiderstock erscheint, über welchem ein Hut auf dem Kragen eines schlaffen weiten Rockes aufgesteckt ist, aus dem ein Paar beinlose Beinkleider hervorbaumeln. Ein solcher Mann-Knabe hat äußerst lange und dünne Beine, an den Knien eingebogen, das Zeichen der Schwäche, er trägt darum sehr enge kurze Hosen, die am Knie, dem schwächsten Punkte, noch besonders knapp anliegen. Aber die an sich unnatürlich langen Beine werden nicht blos durch die kurzen Hosen noch verlängert, nein, er trägt überdies auch sehr hohe Absätze an den Stiefeln. So, die Hände in den Aermeln verborgen, aus denen, anscheinend frei schwebend, ein niedliches Rohrstöckchen hervorblickt, trippelt er in einer unbeschreiblichen Gangart die Trottoirs entlang, vergleichbar einem Affen, der auf einer heißen Platte promenirt. Das ist das Bild der ganzen Klasse. Denn von allen Absonderlichkeiten der new-yorker Dandy’s ist gewiß keine auffälliger als die wunderbare Einheit des unter ihnen vorherrschenden Geschmacks. Es ist einer wie der andere, sie gleichen sich gerade wie Papiermännchen, die Kinder durch einen einzigen Scheerenschnitt aus künstlich gefaltetem Papier fabriziren. Die Menge dieser fremdartig aufgeputzten Jungen mit verlebten Zügen ruft peinliche Gedanken hervor, wenn das Lächeln über ihre innere Albernheit vorüber ist.“
Vierbeinige Tagelöhner. Ein Engländer sah in Ceylon einen Elephanten auf der Straße arbeiten, und es war äußerst interessant zu beachten, mit welcher Ueberlegung das Thier dabei verfuhr; er riß nämlich mittelst einer unten mit einem Haken versehenen Kette, welche an ein seinen Nacken umgebendes Halsband befestigt war, große Wurzeln aus dem Erdboden, und zog oder zerrte zu diesem Behuf wie ein Mann, oder richtiger wie eine Anzahl Männer, indem er mehrere stete Rucke aneinander folgen ließ, seine ganze Körperkraft auf jeden einzelnen Ruck werfend und fast jedesmal bis zu den Knieen herabsinkend; auch drehte er sich von Zeit zu Zeit um, damit er sähe, was er gefördert. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Elephanten denken und bei ihrem Thun von Erfahrung und Gedächtniß Gebrauch machen, auch scheint ihre Befähigung durch den Verkehr mit dem Menschen in nicht geringem Grade zuzunehmen. Die Genauigkeit und sorgsame Thätigkeit, welche sie in Zurichtung und Anordnung von Bruchsteinen beim Bauen einer Brücke beurkunden, ist, wenn man es nicht mit Augen sieht, unglaublich; sie legen den Stein mit eben so viel Geschicklichkeit wie ein Maurer, und kehren zwei- bis dreimal zurück, um hier und da nachzubessern, wenn sie glauben, daß das Werk noch nicht vollkommen sei; sie entfernen sich in diesem Falle einige Schritte und betrachten, was sie zu Wege gebracht, mit prüfendem Blicke. Ein Elephant, welcher den ganzen Tag hindurch mit Aufschichten von Holz zugebracht, erzürnte sich, als ihm des Abends ein Versprechen von dem Wärter nicht erfüllt wurde, dergestalt, daß er die von ihm aufgerichteten Holzhaufen sämmtlich wieder umstürzte.
Merkwürdiger Fund. Beim Graben eines Brunnens, unweit Leeds, fand man in diesen Tagen inmitten eines großen Stückes Steinkohle, ungefähr 234 Fuß unter der Erdoberfläche, einen Frosch, der sich ziemlich lebendig zeigte. Als man ihn aus seiner engen Haft hervorzog, war seine Farbe sehr dunkel, sie ward aber am Lichte bald hell, wie bei dem gewöhnlichen Frosche. Die Augen sind äußerst glänzend und mit einem goldfarbigen Ringe umgeben. Die Spalte in der Kohlenschicht, die ihn enthielt, war mit Wasser gesättigt, und wahrscheinlich in Folge dieses Umstandes, in Verbindung mit seinem engen Kerker, vermochte er Jahrtausende hindurch in seinem halb erstarrten Leben zu verharren.
Zur Beachtung!
Mit dieser Nummer schließt das 3. Quartal unserer Zeitschrift und beginnt mit Nr. 40 das 4. Quartal. Wir bitten die Bestellungen auf dieses 4. Quartal sofort nach Empfang der heutigen Nummer aufzugeben, damit die regelmäßige Zusendung nicht unterbrochen wird.
Mit Bezugnahme auf die in Nr. 36 mitgetheilte Calculation der Gartenlaube sehen wir uns heute zu der Mittheilung genöthigt, daß vom 1. Oktober ab der Quartalpreis von 121/2 Ngr.
erhöht wird. Diejenigen Abonnenten, welche die Gartenlaube semesterweise beziehen, haben mithin auf das 4. Quartal noch 21/2 Ngr. oder 15 Xr. Münze nachzuzahlen.
Die Gartenlaube erscheint ganz in derselben Weise fort wie bisher, nur dürfen wir – bei nunmehr vermehrten Kräften – unsern Lesern auch eine noch glänzendere illustrative Ausstattung und durchgängig gediegene Textbeiträge versprechen. Daß wir nie mehr versprechen, als wir halten können, glauben wir bewiesen zu haben.
Vorläufig diene unsern Lesern folgende Mittheilung:
An novellistischen Beiträgen werden die kommenden Nummern, außer den permanenten von Ludwig Storch, Ferd. Stolle, Schrader und Anderen noch enthalten: Zwischen Himmel und Erde, Novelle von Otto Ludwig, dem schnell bekannt gewordenen Dichter des „Erbförsters.“ – Eine Nacht in der Holzhauerhütte von W. O. von Horn. – Das dunkle Thal von Bernd von Gusek, etc. etc.
An belehrenden und instruktiven Artikeln außer den gesundheitlichen Beiträgen des Prof. Bock, den naturwissenschaftlichen Mittheilungen der Professoren Roßmäßler und Willkomm, den kulturgechichtlichen Vorlesungen des Prof. Biedermann, den Schilderungen unsers londoner Mitarbeiters Dr. Beta: küchenchemische Vorträge des Doktor Hirzel (für alle Hausfrauen von großem Interesse), populaire Briefe über Musik von Prof. Lobe (jedem Laien verständlich), instruktive und schildernde Privat-Mittheilungen vom Kriegsschauplatze, nebst guten Abbildungen – Eine Reihe interessanter Lebens- und Jagdbilder – Berichte aus Amerika – Mittheilungen aus England und Frankreich etc. etc.
Leipzig, den 20. September 1855.Die Verlagshandlung.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 522. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_522.jpg&oldid=- (Version vom 9.7.2024)