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Seite:Die Gartenlaube (1855) 516.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Handwerker-Briefe.

II.

Ich gehe nun zu denjenigen unter den erwähnten Vereinen über, welche die berührte Aufgabe: „Dem Kleingewerbe die erforderlichen Kapitalmittel zufließen zu lassen,“ unmittelbar verfolgen, ohne an den Bedingungen des Gewerbebetriebes selbst etwas zu ändern. Es sind die Vorschußvereine.

Eine Anzahl Handwerker und Arbeiter vereinigt sich, um durch ihren gemeinschaftlichen Kredit die nöthigen Fonds zu erhalten, welche man sodann wieder unter die Einzelnen je nach deren Bedürfniß vertheilt. Dies der Grundcharakter des Vereins, welcher schon deshalb seine Wirksamkeit auf die Mitglieder beschränkt, und keineswegs dem Publikum als öffentliche Leihanstalt gegenübertritt. Durch Darlehen, für welche sich sämmtliche Mitglieder mit ihrem ganzen Vermögen solidarisch, d. h. Jeder für das Ganze, verpflichten, wird hauptsächlich der erforderliche Betriebsfond herbeigeschafft, und wo nur irgend die Sache vernünftig in Angriff genommen wurde, hat es den Vereinen unter dieser Form an Geldzufluß niemals gefehlt. Wenn man aber auf diese Weise auch mit Leichtigkeit den ganzen Bedarf decken könnte, so darf man doch eine zweite Einnahmequelle dabei nicht außer Acht lassen, regelmäßige, etwa monatliche Beisteuer der Mitglieder, wodurch man einen allmälig wachsenden, den Vereinsgliedern selbst gehörigen, unverzinslichen Fond erhält, welcher dem Geschäft die eigentliche, solide Grundlage giebt und den Kredit der Gesellschaft erhöht. Dabei ist es zweckmäßig, einen geringen Steuerbetrag als das Mindeste festzusetzen, dessen Ueberschreitung jedoch Allen freizugeben, indem man so der Ueberbürdung Unbemittelter vorbeugt, ohne doch der so wünschenswerthen Ansammlung unnötige Schranken zu setzen.

Was die Höhe der zu gebenden Vorschüsse anlangt, so ist dieselbe durch das lokale Bedürfniß der an den Vereinen theilnehmenden Klassen bedingt, und vor Allem darauf zu sehen, daß die Kassenbestände dasselbe vollständig decken, was in Eilenburg und Delitzsch durchaus der Fall war. In letzterem Orte, wo sich der Verkehr des Vereins recht eigentlich auf das Kleingewerbe einer Landstadt beschränkt, giebt man bis 200 Thaler auf eine Post, in Eilenburg, wo sich das Geschäft neuerlich immer großartiger gestaltet, bis 1000 Thaler und drüber. Natürlich hängt in den einzelnen Fällen Alles von der Sicherheit ab, welche die Vorschußsucher bieten und die in jedem Falle reiflich zu prüfen ist, da ein zum großen Theil auf fremde Gelder gegründetes Institut durch Verluste in dieser Beziehung leicht gefährdet werden könnte. Deshalb wird bei Vorschüssen von irgend einigem Belang in der Regel Deckung durch Pfand oder Bürgschaft verlangt, welche stets ohne große Schwierigkeit zu beschaffen war. Nie wird es namentlich einem soliden, rechtlichen Handwerker oder Geschäftsmann an einem Bürgen fehlen, da die Aushülfe hierbei eine gegenseitige ist, und der Bürge sehr bald selbst in die Lage kommt, seinerseits eines solchen zu bedürfen. Außerdem ist zur Deckung von Verlusten, welche dennoch mitunter durch Insolvenz der Schuldner vorkommen können, die Bildung einer besondern Reservefonds vorgesehen, welchem bestimmte Eintrittsgelder der Mitglieder und Antheile am Geschäftsgewinn zugewiesen sind, bis er eine seinem Zweck entsprechende Höhe erreicht hat, welche zu dem Geschäftsumfang in Verhältniß steht.

Ein fernerer Hauptpunkt hierbei sind die von den Vorschußempfängern zu zahlenden Zinsen. Da dieselben den ganzen Geschäftsertrag bilden, so müssen davon auch alle Geschäftsunkosten, also: a) die Zinsen für die vom Verein aufgenommenen Kapitalien; b) die Verwaltungskosten gedeckt werden, welche letztere, einschließlich angemessener Besoldung der Kassenbeamten, immerhin zwei bis drei Procent des Betriebsfonds betragen werden. Soll nun außerdem noch Etwas für den Reservefond und die Dividende erübrigt werden, so ist es klar, daß man mit dem landesüblichen Zinsfuß nicht auskommen wird. Nun liegt in der Normirung eines solchen höhern Zinsfußes zwar kein Wucher, da nur die Mitglieder eines geschlossenen Vereins sich dazu gegenseitig verpflichtet haben, und von dem Mehr theils gewisse, ihnen sonst obliegende Aufgaben decken, z. B. Verwaltungskosten theils für sich eine Reserve und Dividende aufsammeln. Doch drängt sich eine zweite Frage dabei auf: „Ob die durch einen solchen Zins zu bringenden Opfer nicht die den Betheiligten dagegen gewährten Vortheile übersteigen?“ – ein Bedenken, an welchem manche der derartigen Vereine gescheitert sind. Doch kann für denjenigen, welcher die praktischen Verkehrsverhältnisse kennt, nicht der mindeste Zweifel hierüber obwalten. Man forsche nur genauer nach, was unsere Handwerker und Arbeiter bei den Geldnegocianten zahlen müssen, wenn sie einmal auf kurze Frist einer mäßigen Summe bedürfen. Ein Thaler Zins für 20 Thaler Kapital auf vier Wochen, gilt hier für überaus billig, was auf das Jahr sechzig Procent austrägt. In vielen Fällen gäben die Leute gern mehr, wenn sie nur das Geld erhalten könnten. Das Wuchergesetz weiß man dabei Seitens der Gläubiger stets zu umgehen, so wie man sich Seitens der Schuldner wohl hütet, sich über die hohen Procente zu beschweren, da man sich das Wiederkommen bei Jenem sichern muß. In Erwägung dessen wurde daher anfänglich in den erwähnten Vereinen den Vorschußempfänger ein Zins von einen preuß. Pfennig (= 1/12 Neugroschen) vom Thaler auf die Woche berechnet (= 141/3 Procent auf das Jahr). Später, als sich das unverzinsliche Kapital und der Verkehr hoben, wurde dies in Delitzsch auf drei preuß. Pfennige vom Thaler auf den Monat (= 10 Procent auf das Jahr) ermäßigt, wogegen man in Eilenburg, mit Rücksicht auf die größeren Summen und längeren Fristen der Vorschüsse: 5 Procent eigentlichen Zins in jedem Falle und außerdem 3 – 5 Procent Provision, für Verwaltungskosten etc., also 8 – 10 Procent auf das Jahr zusammen von den Schuldnern einzog, je nachdem der Vorschuß nur bis 20 Thaler betrug und in wöchentlichen Terminen zurückgezahlt wurde, oder, bei höhern Beträgen unter oder über drei Monat ausgeliehen war. Daß diese Sätze von 8 – 141/3 Procent bedeutend niedriger sind, als dasjenige, was die Mitglieder außerhalb des Vereins zahlen müssen, ist sicher. Auch beim höchsten Satze von einem Pfennig vom Thaler auf die Woche beträgt der Zins von 20 Thalern auf vier Wochen nur – 62/3 Neugroschen, bei dem Satze von drei Pfennigen auf den Monat, welcher die Regel bildet, nur – 5 Ngr. – eine Abgabe, der sich die Leute mit Freuden unterwerfen, und die gegen den Nutzen, den sie sich mit diesem Gelde im Geschäft verschaffen können, gar nicht in Betracht kommt. Daß die Vorschüsse bei dem im Kleingewerbe bedingten rascheren Umsatz meist nur auf kürzere Fristen gebraucht werden, kommt dabei sehr mit in Anschlag.

Hält man diese Sätze bei Verzinsung der Vorschüsse fest, so bleibt, nach Deckung aller Unkosten, noch eine nahmhafte Summe als Reingewinn für die Mitglieder übrig, selbst wenn man einen Theil davon dem Reservefond zuschlägt. Wie wichtig diese Dividende für die Vereinszwecke wird, besonders wenn man sie, wie die genannten Vereine, den Mitgliedern nicht baar herauszahlt, sondern gutschreibt, möge man aus Folgendem entnehmen. Wie wir sahen, entstand durch die monatlichen Beisteuern ein Guthaben der Mitglieder in der Vereinskasse, und diesem schreibt man die am Jahresschlusse sich ergebende Dividende zu. Dieses Guthaben der Einzelnen wird als ein Theil des Betriebsfonds im Geschäft gewagt, indem es gegen die Forderungen der Vereinsgläubiger zurücktritt. Tragen demgemäß die Mitglieder vorzugsweise mit ihrem Guthaben die Gefahren des Kassengeschäfts, so ist es nicht mehr als gerecht, daß auch dessen Gewinn, die Dividende, nach Höhe desselben, und nicht nach Köpfen, unter sie vertheilt werde., Der Reiz, welchen alsdann eine solche, einigermaßen beträchtliche Dividende auf Erhöhung der Beisteuern, also auf das Sparen, selbst bei sonst ganz Unbemittelten, ausübt, ist außerordentlich. So wurden in Delitzsch in Folge davon die Monatssteuern um Mehr als das Doppeite erhöht, und die Beschränkung des Guthabens bis auf einen höchsten Betrag von 16 Thaler nothwendig, wollte man nicht den Bemittelteren einen zu großen Vorsprung hierbei vor den Unbemittelteren gestatten, und letztere an der Dividende unverhältnißmäßig verkürzen. So wird das ganze Vereinsvermögen allmälig auf Actien der Mitglieder übergeführt, deren volle Einzahlung beim Eintritt der Meisten unmöglich fallen würde, weshalb man sie ihnen durch Aufsammlung ihrer Monatssteuern und Gewinnantheile erst bilden muß.

Wegen Leitung der Vereinsangelegenheiten, insbesondere wegen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_516.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2023)