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Seite:Die Gartenlaube (1855) 514.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Sorge sie drückt. Nach so vielen Sorgen muß der Abend ihres Lebens heiter sein.“ Er macht dann Pläne mancher Art dazu; die Mutter aber will ruhig bleiben, wo der Vater gestorben ist. Nach einiger Zeit heirathet die gute Tochter Louise den vortrefflichen Prediger Franke, und mit dieser Theuren zog dann die Mutter unseres Dichters nach Cleversulzbach, wo sie bald darauf starb, und zwar an demselben Tage, wo ihr großer Sohn seine neue Wohnung in Weimar bezog.

Auch hier wollen wir des Dichters Worte anführen, die er der Entschlafenen nachrief; zuerst in einem Brief an seine Schwester in Meiningen: „So sind nun beide liebende Aeltern entschlafen und dieses älteste Band, das uns an’s Leben fesselte, ist zerrissen! Es macht mich sehr traurig, und ich fühle mich in der That verödet, ob ich gleich mich von geliebten und liebenden Wesen umgeben sehe. – – Möge der Himmel der theuern Abgeschiedenen Alles mit reichen Zinsen vergelten, was sie im Leben gelitten und für die Ihrigen gethan! Wahrlich, sie verdiente, liebende und dankbare Kinder zu haben, denn sie war selbst eine gute Tochter für ihre leidenden Aeltern.“ Früher, an anderer Stelle, sprach Schiller also von seiner Mutter: „Meine Mutter liebte mich sehr und hat viel um mich gelitten. Sie war eine verständige, gute Frau, und ihre Güte, die auch gegen Menschen, die ihr nichts angingen, unerschöpflich war, hat ihr überall Liebe erworben. Mit einer stillen Resignation ertrug sie leidenvolles Schicksal und die Sorge um ihre Kinder kümmerte sie mehr als alles Andere.“ –

In dem Pfarrhause, wo diese edle Mutter unseres Dichters starb, wohnt jetzt ein anderer Dichter Schwabens; einer der vortrefflichsten und liebenswürdigsten der Gegenwart, Eduard Mörike. Mit seinem Gedicht:

„Auf das Grab von Schiller’s Mutter“

wollen wir unsere Betrachtung abschließen:

„Nach der Seite des Dorfs, wo jener alternde Zaun dort
Ländliche Gräber umschließt, wall’ ich in Einsamkeit oft.
Sieh den gesunkenen Hügel! Es kennen wenige Greise
Kaum ihn noch, und es ahnt Niemand ein Heiligthum hier.
Jegliche Zierde fehlt, und jedes deutende Zeichen;
Dürftig breitet ein Baum schützende Arme umher.
Wilde Rose, dich fand ich allein statt anderer Blumen.
Ja, beschäme mich nur! Brich als ein Wunder hervor!
Tausendblättrig öffne dein Herz! Entzünde dich herrlich
Am begeisternden Duft, den aus der Tiefe du ziehst!
– Eines Unsterblichen Mutter liegt hier bestattet; es richten
Deutschland Männer und Frau’n eben den Marmor ihm auf.




Acht Stunden „Cepo“.

Mexikanisches Spiegelbild.

Während die veruneinigten Staaten Deutschlands trotz des jahrelangen Schreies: „sein Vaterland muß größer sein,“ immer kleiner geworden sind, werden die vereinigten Nordamerika’s immer größer, z. B. jetzt wieder um ganz Mexiko, das erhabenste Stück Erde in landschaftlicher Beziehung, das verdorbenste und wahnsinnigste in politischer und socialer, da sich der alte corrumpirte spanische Eroberungsgeist hier am Wildesten ausgebildet und am Längsten gehalten. Jetzt unterliegt endlich diese faule spanische Kultur auch hier der anglo-sächsischen, nachdem der unverschämteste und letzte Tyrann, Santa Anna, mit Schimpf und Schande davon gejagt worden ist, und die Mexikaner zunächst so viel einsehen, daß sie nicht mehr politisch auf eigenen Füßen stehen können. Ob die wilde, schauderhaft gemischte und in unzählige Bastardsorten geschichtete Bevölkerung Mexiko’s im Stande sein wird, an die vereinigten Staaten gelehnt, aus seiner Rohheit und Ruchlosigkeit, aus seiner Treulosigkeit und Streit- und Mordsucht, aus seiner Eifersucht und aristokratelnden Bastardnasenhochtragerei sich heraus- und emporzufinden in die Kultur und Humanität, bleibt auch nach Santa Anna’s Sturze noch eine Frage, eine um so kitzlichere und weltgeschichtlich wichtigere Frage, als auch die vereinigten Staaten sich immer mehr einer großen Krise nähern, welche mit innerm Verfall ihrer Institutionen und äußerlichem Auseinanderfallen droht. Die Sklavenfrage und die Brutalität, mit welcher sie im Norden und Süden aufrecht erhalten und ausgedehnt wird, der zur Herrschaft kommende Knownothingismus, nach welchem die eingewanderten Anglo-Sachsen sich für national erklären, und die Deutschen und Ireländer als Eindringlinge, als Fremde todtschlagen, verjagen, deren Häuser verbrennen und mit einem förmlichen Vertilgungskriege bedrohen, diese frech um sich greifende Brutalität, welche schon zu einem „deutschen Auswanderungs-Vereine aus Amerika“ geführt hat, giebt uns zu immer größeren Befürchtungen für das Gedeihen des Westens auf seiner bisherigen Grundlage Anlaß und Gründe.

Was Mexiko betrifft, das durch seine glückliche Revolution gegen Santa Anna, trotz Sebastopol, auf unsere Beachtung Anspruch macht, so wissen wir wenig Bestimmtes über seine innern Zustände. Man weiß nur im Allgemeinen, daß die Bevölkerung in zwei Hauptschichten, eine miserable, sklavische Arbeiterklasse und eine mehr als zehnfach geschichtete, faule, rohe, stolze Adelsklasse zerfällt. Im Uebrigen wird eine specielle Thatsache, ein bestimmtes Bild mitten aus dem Leben Mexiko’s vorläufig hinreichen, uns eine Vorstellung von diesem seltsamen Lande zu machen. Die Thatsache ward mir von einem Manne mitgetheilt, der sie an Ort und Stelle mit erlebt hatte.

„Schlechtes Wetter und Müdigkeit nöthigten mich, in einer „Hacienda“ (Meierei) Zuflucht zu suchen. Ungefähr einen Büchsenschuß von dem Haupt- und Herrengebäude krochen etwa 30 Hütten in der größten Unordnung, aber sehr malerisch durcheinander, die Wohnungen der Paeones oder Tagelöhner. Die Hütten sahen, wie gesagt, sehr malerisch aus: die üppige Natur dieses Landes hatte sich ein Vergnügen daraus gemacht, die schmutzigen, wackeligen, durchlöcherten Dächer und Wände mit dem dicksten Schleier von Ranken, Blättern und Blumen zu verhüllen. Jede Hütte stand in einer lebendigen Umzäunung wunderlichen, dichten, stacheligen Cactus, über welche das üppigste Gewebe großäugig blühender bunter Schlinggewächse hinwegwucherte, und nach allen Seiten im Winde winkte mit großblättrigen, blühenden Armen. Aber das Innere der Hütten! Wo die Natur zu schön, zu freigebig ist, verkümmert und verkommt der Mensch, dessen Kraft nicht im Boden wurzelt, sondern im Prometheustrotze seiner geistigen Kraft gegen das gefesselte Reich der Natur. Die Weichherzigkeit und überfließende Freigebigkeit der Natur hat auch Kleinasien und die ganze Türkei zu einer Wüste voller Ruinen, Unkraut und Ungeziefer gemacht und den Muselmann, einst der Schrecken der christlichen Welt, zum sterbenden Manne entnervt und abgeschwächt, so daß die Türkei, welche einst den Engländern und Franzosen zur Theilung mit Rußland angeboten ward, nun blos für England und Frankreich gerettet werden kann. Napoleon behält Constantinopel mit Zubehör, die Engländer mögen sich in Kleinasien Gelegenheit zum Geldmachen verschaffen.

„Doch das beiläufig. Aber so viel ist – auch noch beiläufig – gewiß, daß man die Geschichte jedes Volkes besser aus der Gestalt und Formation der Scholle, auf der es lebt, verstehen lernt, als aus diplomatischen Aktenstücken und geheimen Staatsarchiven, aus denen die Geschichts-Professoren ihre monströsen Bücher fabriciren. Diese außen üppig-schöne, innen von Schmutz und Elend starrende Hütte Mexiko’s ist der wahre Schlüssel zu dessen Geschichte.

„Die Bewohner dieser Hütten sind freie Arbeiter, aber viel schlimmer dran, als der Sklave Nordamerika’s, den das Gesetz und das Interesse der Eigenthümer durchschnittlich vor dem gröbsten Elend zu schützen weiß, während der freie mexikanische Paeon allen Launen und Brutalitäten des Arbeitgebers ausgesetzt und erbarmungslos verlassen ist, sobald er krank oder arbeitsunfähig wird. Kein Gesetz, kein Erbarmen, kein Krankenhaus für ihn. Um jede Hütte ist ein Fleckchen Land, welches der Paeon in gestohlenen Stunden kärglich mit Taback und „pimento“ (eine Art Pfefferstaude) bebaut. Der Gewinn daraus gehört ihm, aber er hat nie Gewinn, er arbeitet immer mit Schaden. Ein brutales Monopol, noch fortgeerbt aus der spanischen Herrschaft, zwingt ihn, seinen Weizen, seinen Mais, seine Werkzeuge, alle seine Bedürfnisse in der Hacienda des Grundherrn zu kaufen. Die monopolisirten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 514. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_514.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2023)