Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1855) 490.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

von der Theilnahme an der Regierung seiner Erbstaaten eifersüchtig und herrisch ausschloß. Als Frau und Gattin steht Maria Theresia tadellos und um so glänzender da, als der Geist ihrer Zeit und das Beispiel ihrer gekrönten Genossinnen, namentlich der gleichzeitigen Katharina, auch ein minder strenges sittliches Verhalten an ihr entschuldbar würden erscheinen lassen. Wir haben darüber ein unverwerfliches Zeugniß in den Aufzeichnungen der bekannten Romanschriftstellerin Caroline Pichler, deren Mutter Kammerdame der Kaiserin war und welche selbst als Kind sich viel in der Umgebung jener hohen Frau befand. Dieselbe versichert in ihren „Denkwürdigkeiten“ (im 1. Band), daß Maria Theresia, obschon eine der schönsten Frauen ihrer Zeit, doch von Eitelkeit, Gefallsucht und Galanterie gegen andere Männer als ihren Gemahl durchaus fern gewesen sei. Sie hatte diesen, einen Prinzen aus einem weder reichen noch mächtigen Hause, rein aus Neigung gewählt und blieb ihm unwandelbar treu, obgleich er diese Liebe und Treue nicht durch die gleiche Beharrlichkeit lohnte, sondern durch mehrfache Galanterien ihr Kränkungen bereitete, die sie eben so würdig als sanft ertrug[1].

Leider hat, neben jenen durch Geist und Charakter ausgezeichneten Herrscherinnen, die, wenn schon von Fehlern nicht frei, doch auch durch große Eigenschaften ihre Throne zierten und den glänzenden Beweis lieferten, daß, bei günstiger Naturanlage und kräftigem Willen, Frauen mit den Männern selbst in der Erfüllung der schwersten Regentenpflichten und der Ausführung der größten Thaten wetteifern können, die Geschichte auch von solchen zu erzählen, welche auf den Thron, den das Schicksal ihnen bestimmte, weit mehr die Schwächen, als die Tugenden, des weiblichen Charakters mitbrachten und selber die bedeutenden Kräfte ihres Geistes oder Willens entweder ungenutzt für ihre Völker vergeudeten oder zu falschen und verbrecherischen Absichten verwendeten. Dahin gehört z. B. jene Christine von Schweden, Gustav Adolph’s Tochter, die das herrliche Erbe, welches ihr großer Vater ihr in einem zu Ruhm und Macht erhobenen Reiche und einem Glauben, den er mit seinem Blute besiegelt hatte, hinterließ, mit kindischem Trotze und Leichtsinn verzettelte und von sich warf, ihre Krone aufgab, um unbeschränkter ihren Launen leben zu können, und ihren väterlichen Glauben abschwor, um in dem Prunke und der Ueppigkeit römischen Wesens zu schwelgen. Die häßlichsten Seiten weiblichen Charakters, die verblendete Leidenschaftlichkeit der Eifersucht, die kleinliche Rachgier und die eigensinnige Verschmähung jedes besseren Rathes – zeigte sie bei dem grausamen Morde ihres ehemaligen Günstlings Monaldeschi, dessen blutiges Schicksal Geschichte und Poesie aufbewahrt haben[2], ihr zur unvergänglichen Schande. Was half es, daß sie gelehrte Studien trieb und sich mit Gelehrten umgab, wenn die Bildung des Geistes nicht einmal an ihrem Frauenherzen den veredelnden Einfluß zu entfalten vermochte, den sie, nach dem Ausspruche des alten Dichters, selber bei Männern bewähren muß: „Die Sitten zu mildern und die Grausamkeit zu verbannen?“

Die allerneueste Zeit hat uns von Fraueneinfluß auf oder neben dem Throne sehr widersprechende Beispiele kennen gelehrt. Wir haben durch weibliche Leidenschaften und Schwächen ein von Natur vielfach begünstigtes Land in Verwirrung gestürzt und an den Rand eines blutigen Bürgerkrieges gebracht gesehen; wir sehen aber auch auf dem Throne des glücklichen britischen Inselreiches eine Königin, mit allen Tugenden einer solchen und allen Liebenswürdigkeiten einer Frau geschmückt, nicht so hervorragend vielleicht in den künftigen Annalen der Geschichte, als ihre große Vorgängerin Elisabeth, weil die Zeit und die Verfassung ihres Landes ihr ein ähnliches persönliches Eingreifen in den Gang der Ereignisse nicht nahelegt, ja nicht einmal gestattet, allein in anderer Weise ein ebenso merkwürdiges, in gewisser Hinsicht noch seltneres Beispiel weiblicher Größe gebend, indem sie[WS 1] das, was dem Weibe in so ausgezeichneter Stellung wohl noch schwerer fällt, als die Entwickelung männlicher Entschlossenheit und Selbstständigkeit, die Verleugnung jedes Eigenwillens, der gegen die Gesetze und die Wohlfahrt ihres Landes verstoßen würde, mit bewundernswürdiger Entsagung und Selbstbeherrschung leistet, dabei ein Muster für ihr Volk in Einfachheit der Sitten, treuester Gattenliebe und sorglichster Erfüllung ihrer Mutterpflichten.




Aus der Kinderstube.

Sie waren der Meinung, Herr Redakteur, daß die Ihnen zur Einsicht von der Hand einer Freundin mitgetheilten Aufzeichnungen aus meinem pädagogischen Tagebuche nicht ohne einiges Interesse für die Oeffentlichkeit sein, ja sogar vielleicht hier und da einer Mutter, einem Lehrer, einer Erzieherin willkommenen Stoff zum Nachdenken oder selbst zur Nachahmung bieten würden. Wie gerne genüge ich bei einem so günstigen Vorurtheile Ihrer Aufforderung und sende Ihnen, was und wie ich es eben habe. Sind die Leser und Leserinnen Ihres Blattes in ihrem Urtheile so nachsichtig wie Sie, dann bin ich wohl eines kleinen Erfolges meiner Worte gewiß, denn ich habe diese ja ganz durchdrungen von guten Absichten und Wünschen niedergeschrieben.

I.

Meine Wirksamkeit als Erzieherin beginnt sehr frühe, ja ich könnte den Anfang derselben in meine Mädchenjahre setzen, wenn ich dazu den Verkehr mit kleinen Kindern rechnen wollte, der immer meine liebste Erholung war; aber nur mit Kindern, die meiner Hülfe in irgend welcher Beziehung bedurften, mit armen, elenden, kranken, die ich waschen, ankleiden, führen konnte, oder die Geduld genug hatten, sich Geschichten von mir erzählen zu lassen, Lehren und guten Rath von mir anzunehmen. Ich habe auch aus jener frühsten Periode noch manches freundliche Bild mir erhalten, aber zu Betrachtung eines solchen dürfte ein fremdes Auge kaum Reiz genug finden, die Gestalten und Farben sind eben nur für mich erkennbar und verständlich, weil die Phantasie hier Alles in Allem ist und die Wirklichkeit nur Nebensache.

So übergehe ich diese Zeit und komme zu der, wo ich mit Erziehungsversuchen in etwas größerem Maßstabe begann. Wie früher, so zog mich auch in reiferen Jahren und nach Begründung eines eigenen Hausstandes meine Neigung vorzüglich zu armen Kindern. Sah ich auch wohl für Kinder bemittelter Familien nicht immer Alles recht geschehen, Vieles sogar sehr falsch und gegen die einfachsten Lehren der Natur und gesunden Vernunft, so wußte ich doch, daß hier mindestens alle Mittel für das Bessere geboten seien, und daß überdies mein Rath beim Mangel einer äußeren Autorität meiner Person nicht beachtet werden würde. Dazu sah ich, daß, soviel auch immer für die Armen, für die Erlösung derselben aus ihrem materiellen Nothstande gethan werde, doch noch sehr viel zu thun übrig bleibe für die Erhebung derselben aus dem noch gefährlicheren sittlichen Nothstande. Und so beschloß ich, mich solcher Familien zu nähern, wo die Aeltern, von unablässiger Sorge um Leben und Erhaltung bedrängt, zu Erziehung und sittlicher Pflege ihrer Kinder nicht Zeit und Gelegenheit finden könnten, oder wo über dem Jammer um das häusliche Elend, das Gefühl für das Gute abgestumpft, die Lust zur Erziehung der Kinder erstorben sei. Hier wollte ich den Versuch wagen, ob nach Abhülfe der äußersten Noth es gelingen würde, den Sinn für innere Veredlung und sittliche Erhebung zu erwecken und im Vortheil der Kinder thätig zu machen.

Es war im Jahre 1847 als ich den ersten Versuch in der eben erwähnten Weise wagte. – Die von mir zu diesem Zweck erwählte Familie war die eines Handarbeiters. Häufig aufeinander folgende Krankheitsfälle, so wie der Tod einiger Kinder, und Arbeitsmangel hatten die äußeren Verhältnisse dieser Familie immer drückender und peinigender werden lassen und sie tief in Schulden gebracht. Schwer empfand der gewissenhafte und sorgsame Vater das Traurige seiner Lage, und die drückende Ueberzeugung, seine


  1. Nach dem Tode ihres Gemahl sagte sie zu der letzten Geliebten desselben, einer Fürstin Auersperg: „Liebe Fürstin, wir haben viel verloren.“
  2. Letzteres z. B. in dem Trauerspiel gleichen Namens von Laube. In unbefangener und heiterer Gestalt hat den Eigenwillen und die leichte Entzündbarkeit des Herzens der jungen schwedischen Monarchin das Lustspiel: „Die Königin von sechzehn Jahren,“ zur Anschauung gebracht.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: sei
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_490.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)