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Seite:Die Gartenlaube (1855) 488.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

neuerdings angegriffen hatte, oder ob sie den ersten Feind weiter verfolge. Sie entschloß sich zu dem Letztern.

K. blieb auf dem Baume, wie sich denken läßt, nicht ruhig sitzen, er kletterte vielmehr unter den Zweigen fast so schnell und geschickt wie ein Eichhörnchen höher und höher hinauf. Als er sich etwa sechzig Fuß vom Boden befand, rutschte er auf einen Ast vor, der sich horizontal von dem Stamm hinausstreckte. Er hatte seinen guten Grund dazu; er bemerkte nämlich, daß sich gerade über diesem Ast ein zweiter befand, und er glaubte diesen erreichen und auf ihn sich hinaufschwingen zu können, sobald die Bärin ihm auf den ersten folge; auf diese Weise hoffte er den Stamm wieder zu erlangen und daran heruntersteigen zu können, so lange die Bärin noch draußen auf dem Aste sei. Der Plan war ganz gut erdacht, leider aber zeigte es sich bald, daß der erste Ast unter der Schwere seines Körpers sich bog, und dabei sich von dem obern so weit entfernte, daß er denselben nicht einmal mit den Fingerspitzen erreichen konnte. Er wollte also umkehren und einen andern Ast suchen, als – Entsetzen! – die Bärin bereits von dem Stamm her auf denselben Ast trat und sich anschickte, unsern Freund K. da zu holen.

Umkehren und der schrecklichen Bärin entgegentreten, konnte er unmöglich; weder unter noch über sich vermochte er andere Zweige zu erreichen und weiter vor auf dem Aste durfte er sich auch nicht wagen, denn da trug er ihn nicht mehr, und – man vergesse es nicht – er befand sich in einer Höhe von mindestens sechzig Fuß. Er konnte also dem wüthenden Thiere in keiner andern Weise entkommen, als wenn er aus dieser Höhe hinunter sprang, aber dies war gewisser Tod.

Die Bärin kletterte unterdeß auf dem Aste weiter und weiter vor. Wir standen athemlos unten, luden unsere Gewehre von Neuem, fürchteten aber nicht schnell genug damit zu Stande zu kommen.

Es war eine grauenhafte Minute, die ich in meinem Leben nicht vergessen werde, in welcher K. aber bewundernswürdige Geistesgegenwart und Charakterstärke zeigte. Statt sich der Angst und Verzweiflung zu überlassen, behielt er seine Kaltblütigkeit vollständig, um über seine Rettung nachdenken zu können.

Da plötzlich kam ihm ein Gedanke und er rief uns zu:

„Einen Strick! Einen Lasso! Werft ihn mir zu, aber um Gottes willen rasch, sonst bin ich verloren!“

Zum Glück lag ein Lasso, ein langer schmaler Lederriemen mit einer Bleikugel an dem einen Ende, unter dem Baume bereit. Ich warf sogleich mein halbgeladenes Gewehr hin, stürzte nach dem Lasso und faßte ihn kunstgerecht. Ich darf wohl sagen, daß ich eine ziemliche Geschicklichkeit im Lassowerfen erlangt hatte, und in dieser Kunst es mit jedem Südamerikaner aufnehmen kann.

Ich stellte mich dann gerade unter den Ast, auf dem der Freund oben nicht weit mehr von der Bärin schwankte, ließ ihn erst mir um den Kopf sausen, zielte gut und schleuderte ihn in die Höhe. K. war, um Zeit zu gewinnen, auf dem Aste so weit vorgegangen als es nur möglich war. Die Bärin folgte ihm weiter und weiter. Unter der doppelten Last aber bog sich der Ast wie ein Bogen, und es war ein Wunder, daß er nicht brach.

K. saß rücklings auf dem Aste mit dem Gesichte nach dem Stamme und folglich nach der Bärin zu. Diese war kaum noch zwei Schritte von ihm entfernt, so daß er gewiß ihren heißen Athem bereits in dem Gesichte fühlte. Es war die höchste Zeit. Zum Glück sauste da das Ende des Lasso herauf, gerade zwischen K. und die Bärin, und schlang sich um den Ast. Blitzschnell faßte ihn K. und eben als die Bärin die große Tatze ausstreckte, um ihren Feind zu packen, ließ dieser den Ast los und glitt an dem Lasso hinunter.

Leider aber war der Lasso zu kurz, denn es fehlten mindestens zwanzig Fuß zwischen seinem Ende und dem Boden unten. Wir selbst hatten mit Entsetzen dies bemerkt, doch gab es ein Mittel, den herabspringenden Freund aufzufangen. Wir hatten ja die Haut eines erlegten Büffels bei uns; diese nahmen wir und hielten sie unter dem Lasso ausgebreitet. K. sprang herunter darauf, und im nächsten Augenblicke stand er wohlbehalten neben uns.

Es war ein Augenblick des Triumphs. Der Ast, welchen die Last unseres Freundes tief niedergezogen hatte, schnellte, als er den Lasso losließ, mit Macht empor; die Gewalt dieser Bewegung kam so unerwartet und war so stark, daß die Bärin losließ, mehrere Fuß hoch emporgeschleudert wurde und dann aus der Höhe herunter dumpf aufschlagend an den Boden fiel. Eine Zeit lang blieb sie bewegungslos liegen; aber sie war nicht todt, nur betäubt, und sie würde sich bald genug wieder aufgerichtet und den Kampf von Neuem begonnen haben, wenn wir die Zeit nicht gut benutzt hätten. Wir jagten ihr jeder eine Kugel in den Leib, ich schoß sie namentlich in das Auge, und so streckten wir sie bald leblos nieder.

Die Jungen hatten sich aus dem Staube gemacht, und wir suchten auch nicht lange nach ihnen; von der Alten aber schnitten wir einige fette Rippen ab, und wer in seinem Leben jemals Bär-Coteletten gegessen hat, wird sich vorstellen können, wie vortrefflich sie uns diesen Morgen nach bestandenem Abenteuer schmeckten.




Ueber Frauenbestimmung.

Von Professor Biedermann.
IV.
Die Frauen in der Politik.
[1]


Am Häufigsten haben sich die Frauen versucht, und den verhängnißvollsten Einfluß haben sie geübt auf einem Gebiete, welchem sie für immer hätten fern bleiben sollen, auf dem Gebiete der Politik. Die Erklärung dafür ist leicht zu finden. Die Politik war die längste Zeit hindurch ausschließlich in den Händen der Machthaber und ihrer Umgebungen. Die Kunst, auf die Menschen und durch sie auf die Verhältnisse einzuwirken, die Gewandtheit persönlicher Leitung und Ueberredung, auch die Intrigue in ihren mannigfachsten Wendungen war dabei ganz am Platze.

Für diese Art persönlicher Wirksamkeit aber haben die Frauen ganz besondere Neigung und ein ganz besonderes Talent, und sie haben dieses, bisweilen zum Guten, öfter jedoch leider zum Schlimmen, vielfach benutzt. Die ältere und neuere Geschichte, selbst die neueste kaum ausgenommen, weiß von weiblichen Einflüssen, von weiblichen Intriguen in großen und kleinen Staatsangelegenheiten, auf dem Felde der äußern wie der innern Politik, Allerlei zu erzählen. Um nur einige der hervorragendsten Beispiele zu nennen, wo Frauen in die Geschicke ganzer Völker eingriffen, erinnere ich an jene Katharina von Medici, die Mutter Karl’s IX. von Frankreich, die Hauptanstifterin der gräßlichen Ermordung der Protestanten (der sogenannten pariser Bluthochzeit oder Bartholomäusnacht) im Jahre 1572; an jene Henriette von Frankreich, deren leichtfertiges Wesen nicht wenig zu dem unglücklichen Schicksale ihres Gemahls, Karl’s II. von England, beitrug; an jene Marie Antoinette, Ludwig’s XVI. Gemahlin, welcher die Geschichte eine ähnliche Schuld bei dem großen Drama der französischen Revolution, wohl nicht ganz mit Unrecht, beimißt; ich erinnere ferner an die bekannten Geliebten Ludwig’s XIV. und XV., Madame Maintenon, deren bigotte Frömmigkeit (eine verspätete und schlechte Buße für ihr früheres sehr unfrommes Leben), den, gegen Weibereinfluß nur zu schwachen König zu harten Maßregeln wider seine protestantischen Unterthanen verleitete, welche Frankreich vieler Tausende seiner gewerbfleißigsten Bürger beraubten und französische Industrie, französische Bildung, aber auch ein gut Theil französischer Leichtfertigkeit nach Deutschland herüber verpflanzten; Madame Pompadour, die, um sich an Friedrich II. von Preußen wegen eines Witzwortes, das er über sie gesprochen, zu rächen, den Beitritt Frankreichs zu dem Bündniß gegen diesen König durchsetzte, aus welchem der siebenjährige Krieg hervorging.


  1. S. die Nummer 10, 14 und 17 d. J.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 488. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_488.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)