Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Jagd- und Lebensbilder aus Amerika.
Wir hatten zwar unter freiem Himmel, aber recht gut geschlafen; der Morgen dämmerte in dem Walde, und wir wollten das Frühstück bereiten, als wir etwa hundert Schritte von uns drei Gestalten erblickten, eine größere mit zwei kleinen. Die erstere streckte zwei starke Arme aus und bewegte sie in eigenthümlicher Weise. Lauerten Indianer auf uns? Wir hatten noch keine Gewißheit erlangt, als es plötzlich um Vieles heller wurde. Jetzt konnten wir nicht mehr im Zweifel sein: die größere Gestalt war eine aufrechtstehende Bärenmutter und zwei Junge befanden sich bei ihr.
Freund M. griff sofort nach seinem Gewehre, und ehe ich ihn abhalten konnte zu schießen, hatte er der Bärenmutter eine Kugel zugesandt. Kaum knallte der Schuß, so ließ sich die Bärin auf alle Viere nieder und sie schnaubte gewaltig. M. hatte in dem noch zweifelhaften Lichte nicht scharf zielen können, und das Thier nur leicht vorn an der Schnauze getroffen. Die Schnauze aber ist bei dem Bär sehr empfindlich, und die leichteste Wunde daran bringt ihn in den heftigsten Zorn. Unsere Bärenmutter schüttelte eine Zeit lang stark brummend den dicken Kopf und kam dann in schnellem Laufe auf uns zu. Die schon ziemlich herangewachsenen beiden Jungen folgten.
Es blieb uns kein Ausweg, als schnell Jeder auf einen Baum zu klettern. Wir befanden uns in einem Walde von Eichen, und das war ein Glück, denn die Eichen strecken hier schon wenig Fuß vom Boden Aeste aus, die also ohne große Mühe zu erreichen sind.
K. kletterte an der dicken Eiche hinauf, unter welcher wir die Nacht verbracht hatten und die auch das Ziel der Bärin war. Bald hatte diese sie erreicht und sie beschnoberte die daliegenden Decken und Felle. Dann ging sie um den Baum herum, während sie an ihm hinaufsah. K. hatte Zeit gehabt, den dritten oder vierten Ast zu erreichen. Er hätte noch höher steigen können, glaubte aber, der Bär sei ein sogenannter grauer, und da er wohl wußte, daß der graue Bär im Klettern ungeschickt ist, hielt er es nicht für nöthig, sich höher zu flüchten, er setzte sich vielmehr bequem auf seinen Ast und sah aufmerksam herunter. Da leider mußte er sich überzeugen, daß er einen braunen Bär vor oder vielmehr unter sich hatte, welcher bekanntlich ein höchst gewandter Kletterer ist.
Das zeigte sich denn auch bald, denn die Bärin richtete sich an dem Baumstamm empor, umfaßte ihn mit den Vordertatzen und fing an, daran hinaufzusteigen.
Es war ein schrecklicher Augenblick.
Wir, M. und ich, kletterten von den Bäumen eilig herunter, auf die wir uns geflüchtet hatten. Ich griff sofort nach meinem Gewehr, und sandte der Bärin zwei Kugeln in das zottige Fell. Leider waren sie von so kleinem Kaliber, daß sie kaum durch die dicke Haarmasse durchgingen, die Bärin aber nur noch mehr reizten, was ihre Brummtöne verriethen, die nichts weniger als freundlich klangen. Einen Augenblick hielt sie sogar im Klettern an, als überlege sie, ob sie wieder herabsteige und den züchtige, der sie
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_487.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)