Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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am Newhampshire. Hier sah man einen Sohn des schönen Frankreichs seine kurze wohlangerauchte Thonpfeife an dem Cigarrenstumpf eines Neumejicaners anbrennen, dort einen Engländer mit einem gelbbraunen Jüngling von den Sandwichsinseln ein Stück Kautaback unter sich theilen. Hier rauchte ein Shawneeindianer die Friedenspfeife mit einem Abkömmling der stolzen „Sechs-Nationen-Indianer“, und dort, in einem Winkel des Marktplatzes zwischen aufgethürmten Biberfellpacken, mit dem Rücken an ein kleines Zelt gelehnt, in dem Branntwein und geräucherte Bärenschinken verkauft wurden, spielten ein alter Schwede und ein Virginier, die beide schon viele Jahre hindurch in den Bergen gejagt hatten, Karte um eine Büffelhaut und um’s Geld. Rings herum waren die Buden der Handelsleute aufgeschlagen, und zu diesen strömten sowohl die Weißen als die Indianer. In jenem glücklichen Jahre ward das Pfund Biberfell mit sechs Dollars bezahlt; doch Gold und Silber sieht man eben nicht viel auf diesen Märkten; der Biber ist das Bezahlungsmittel und wird zu dem angegebenen Preise von allen Kaufleuten angenommen, die dafür den Jägern und den Indianern Waaren verabreichen, und dabei natürlich ganz entsetzlich betrügen.
Trotz des Verbots, daß die Kaufleute auf diesen Märkten an die Indianer Branntwein verkaufen, war doch auf dem hier in Rede stehenden ein ungeheures Quantum „Feuerwasser“ vorhanden. Bevor nun der Indianer zu handeln anfängt, giebt ihm der Kaufmann einen tüchtigen Schnaps, der sogleich Leben in ihn bringt, und hat er nur einmal den ersten Schluck im Leibe, so kann man sicher sein, daß er den Handel bald abschließt. Die fürchterlichsten Excesse haben oft auf diesen Märkten und in Folge davon stattgehabt; einmal griff eine Schaar Siouxindianer, die von einem dieser Märkte zurückkehrten, wo man sie durch Branntwein und andere starke Getränke halb rasend gemacht hatte, ein Handelsfort an, das einer amerikanischen Pelzwerkcompagnie zugehörte. Sie plünderten es ganz aus und verbrannten zum Schlusse den Handelsmann mit seiner ganzen Familie auf einem Scheiterhaufen, zu dem das Wohnhaus des Forts die Brennmaterialien lieferte.
Nächst dem Branntweintrinken bildet das Spiel einen der Hauptzüge bei diesen Versammlungen. Auch der Pferdewettlauf ist sehr beliebt, und manches Biber- oder Büffelfell wechselt den Besitzer in Folge von Wetten, welche auf die Geschwindigkeit einzelner Pferde gemacht werden. Im Spiel zeichnen sich die Biberjäger vorzüglich aus; sie lieben, wie die Indianer, den Branntwein; aber noch leidenschaftlicher das Spiel. Nach indianischer Weise rund um das Feuer sitzend und eine ausgespannte Büffelhaut vor sich, spielen sie in verschiedenen Gruppen die am meisten geschätzten Bergspiele. Der Einsatz sind Biberfelle, und wenn diese verspielt sind, kommt die Reihe an die Pferde, die Maulesel, die Büchsen, die Jagdhemden und oft auch die Hosen dazu. Verwegene Spieler, erhitzt von Branntwein und Unglück, gehen im Lager herum und fordern auf, das höchste Spiel der Biberjäger zu spielen, wo der Einsatz ist: dessen Pferd, dessen Squaw, oder, was auch vorkommt, dessen Kopfhaut. „Nun ist Pferd und Biber weg,“ heißt es, wenn Einer bedeutend verloren hat. Meistens finden jedoch Pferd und Biber den Weg zu den Taschen des Handelsmanns, und der Jäger muß nun, vorausgesetzt, daß seine bekannte Ehrlichkeit ihm Kredit verschafft vom Kaufmann seine Ausrüstung für diesen Zug des nächsten Jahres auf Kredit nehmen. So verkehrt handeln diese Biberjäger, denen doch oft eine einzige glückliche Jagd Mittel in die Hände giebt, um dem ganzen wilden Jägerleben den Rücken zu kehren, und sich in irgend einer westlichen Kolonie niederzulassen und dort den übrigen Theil ihres Lebens in Ruhe zuzubringen. – Oft sind jene Märkte auch Zeugen von Blutvergießen und andern Verbrechen, die einzig und allein durch Branntwein und Kartenspiel veranlaßt werden. Zweikämpfe mit Büchsen auf zehn Schritt Entfernung sind häufig und oft fallen beide Duellanten auf das Wort „Feuer!“ zu gleicher Zeit.
Unter den Jägern fiel uns besonders der sog. alte Schwede auf, ein mehr als 60jähriger Mann, der schon dreißig Jahre in den Felsengebirgen und unter den Indianern zugebracht hatte. Hoch, stark und muskulös, mit einem von Sonne und Wind dunkel gefärbten Gesicht, gab er durch seine blauen Augen und sein hellblondes Haar, das in starker Fülle über seine Schultern herablief und dem die Jahre noch nicht die Silberfarbe aufzudrücken vermocht hatten, seine nordische Herkunft deutlich zu erkennen. Keiner von seinen Kameraden kannte seine frühere Lebensgeschichte; er ging unter dem Namen the old Swede (der alte Schwede), obgleich ihm dieser Name mißfiel. Eigentlich hieß er Hjalmar Adlerkreuz und hatte einem einzigen seiner wenigen vertrauten Freunde erzählt, daß er von einem alten adeligen Geschlechte Schwedens abstamme. Was ihn aber nach Amerika geführt und dort veranlaßt hatte, Biberjäger zu werden, das war Niemand im Stande aus ihm herauszulocken. Niemals sah man ihn lachen, selbst nicht über die spaßhaftesten Scenen. Nie trank er Branntwein, außer einmal im Jahre, auf dem Markte, wo er seine Felle verkaufte, und auch da war er sehr mäßig. Dagegen beherrschte ihn die Leidenschaft des Spiels vollständig. Er selbst hat erzählt, daß er in den letzten zwanzig Jahren seines Aufenthalts in den Bergen über 15,000 Dollars für Biberfelle erhalten habe. Jedes Jahr hatte er beschlossen, sich rückwärts nach St. Louis zu wenden, um dort seine Tage zu beschließen, und aus diesem Grunde hatte er auch seine Felle nie anders als gegen baares Geld verkauft; aber ein vierzehntägiger Aufenthalt in dem Lagerplatz hatte ihn immer wieder „reingeputzt,“ und nach so vieler Jahre Verlauf hatte er nicht einmal beim Wiederbeginn der Jagd so viel Kredit, um sich die nothwendige Ausrüstung zu verschaffen. Verschiedene Erzählungen berichten von seinem Muthe, seiner Ausdauer und Geistesgegenwart, und auch sein Tod ist nicht weniger charakteristisch.
Adlerkreuz war eben mit mehreren andern Trappern auf einem Ausflug, als sie in der Morgenstunde in ihrem Lager von einer großen Anzahl Indianer angegriffen wurden, die nach gewöhnlicher Weise die Jäger überrumpelt hatten und nun ein großes Blutbad unter ihnen anrichteten. Adlerkreuz selbst war verwundet, aber doch noch im Besitz seiner Büchse und seines Pulver- und Kugelbeutels. Nahe bei der Stelle, wo sie sich gelagert hatten, stand ein hohler Baum; schnell eilte er zu demselben, kroch hinein und vertheidigte sich von da aus lange Zeit mit der größten Hartnäckigkeit und Kaltblütigkeit gegen die Indianer, denen er fünf Mann tödtete und mehrere verwundete. Da die Indianer den muthigen Jäger aus seinem Versteck nicht herausbringen konnten, so benutzten sie den eben günstig wehenden Wind und legten Feuer in das lange dürre Gras. Bald entzündete sich nun auch der dürre Stamm, und Adlerkreuz sah sich nun genöthigt, seinen Schlupfwinkel zu verlassen. Er ergriff die Büchse am Lauf, stürzte mit furchtbaren Kolbenschlägen unter die Indianer und fiel endlich, durchbohrt von unzähligen Pfeilen, nachdem er mehrere seiner grimmigen Feinde umher zu Boden geschmettert. Später fanden einige von seinen Kameraden die Leiche. Der Kopf war skalpirt, aber derselbe Ernst, der während des ganzen Lebens über seine Gesichtszüge gebreitet war, zeigte sich noch unverändert im Tode. Man begrub ihn auf der Stelle, wo er gefallen war, und in dem dunkeln einsamen Bergpaß steckten die rauhen Jäger nach ihrer Gewohnheit dem gefallenen Gefährten ein einfaches hölzernes Kreuz auf.
Das Musethier (cervus alres) ist die größte Hirschart. Der Bock erreicht die Größe eines Maulthiers, ja man findet sie in noch größerem Maße. Ein solcher war 17 Faust hoch und wog 1200 Pfund. Das Thier ist etwas kleiner. Der Bock ist dunkelbraun auf Rücken, Kopf und Weichen, im Winter sieht er jedoch dunkler und nur ganz alte Böcke werden beinahe schwarz. Das Thier ist heller und unter dem Bauche beinahe weiß.
Es gehört offenbar ganz zur Art des europäischen Elenns, darf aber nicht mit dem amerikanischen Elenn verwechselt werden, das ganz anderer Art ist. Es ist die größte, aber auch ungraciöseste Hirschart. Sein Kopf ist lang, ohne alles Verhältniß, sein Hals kurz und seine Beine zu hoch. Ferner sind seine Ohren beinahe einen Fuß lang, eselähnlich, breit und schlotternd, seine Augen schmal, seine Schnauze viereckig mit einem tiefen Einschnitt in der Mitte, der ihm das Ansehen eines Thieres mit gespaltenem Huf giebt. An der Kehle zwischen Hals und Nacken hat es einen rauhen Auswuchs krauser Haare, den man bei dem Bock wie bei dem Thiere findet. Eine aufrechtstehende Mähne, die vom Gehörn bis zum Widerrist läuft, vollendet die Häßlichkeit seiner Erscheinung. Auch das Gehörn ist auffallend. Es ist geschaufelt, aber aus jeder Seite der Schaufeln wachsen Enden oder Spitzen hervor. Die Weite des Gehörns beträgt häufig mehr als vier Fuß. Ein solches weg einmal 60 Pfund. Natürlich giebt dies dem Thiere eine stattliche Erscheinung. Da es aber nur die Böcke ziert und es sich bei diesen erst im siebenten Jahre vollständig entwickelt, so
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 465. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_465.jpg&oldid=- (Version vom 4.7.2023)