Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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sich verstohlen umgesehen, wechselten sie schnell einige zärtliche Küsse. Mein pariser Freund versicherte mir, daß der Père La Chaise sehr häufig zum Stelldichein für Liebende, welche Vorsicht nöthig haben, gewählt wird.
Wir hatten indessen die Höhe hinter der „Chazelle,“ von wo man die schönste Aussicht hat, erreicht. Es war ein herrlicher Anblick. Vor uns Paris mit seinen Palästen, Säulen, Thürmen, Boulevards und Plätzen, ein weites, unübersehbares Häusermeer; zur Linken die Höhen von Belleville, von La Chazelle und Montmartre. Im Osten die von Bercy sich heraufschlängelnde Seine mit ihren Brücken und Quai’s, die immer von Menschen wimmeln. – Auf dem Rückweg warfen wir noch einen Blick auf den israelitischen Gottesacker, welcher, es verdient dies erwähnt zu werden, seinen Platz gleichsam innerhalb der Mauer, welcher die hundertunddreißig Acker des Père La Chaise umschließt, gefunden … Zum Begräbnißplatz wurde der Père La Chaise im Jahre 1793 durch ein Decret des Nationalconvents, welches alle Beerdigungen in Mitten der Stadt Paris, in den Kirchen und inneren städtischen Kirchhöfen streng untersagte … Von den Höhen von Belleville und des Montmartre begann ein kalter Herbstwind zu wehen und dunkle Regenwolken zogen über den Himmel und trieben uns zum Heimweg an. Am Ausgang der Rue de la Roquette, da wo sie auf den Boulevard Bourbon mündet, hemmte eine dichte Menschenmenge unsere Schritte und zugleich schlugen die Klänge der neuen französischen Nationalhymne: „Partant pour la Syrie,“ an unser Ohr. Es war ein Regiment Linieninfanterie, welches mit seinem Musikcorps an der Spitze nach dem Bahnhof marschirte, um nach Marseille abzugehen, wo es nach der Krim eingeschifft werden sollte … Der Oberst ritt mit gezogenem Säbel an der Spitze des Regiments, dessen Glieder sich gelöst hatten, um den Frauen, Mädchen und Kindern, die von ihren Gatten, Geliebten, Vätern, Abschied nahmen, Platz zu machen. Mir fiel die junge Frau vom Père La Chaise ein, deren Mann auch in der Krim stand; wie viele von diesen weinenden Frauen, Mädchen und Kindern sahen hier auf dem Boulevard Bourbon ihre Lieben zum letzten Mal.
„Indessen,“ meinte der Pariser, „bleibt sich das gleich, ob man vor Sebastopol oder im Père La Chaise begraben liegt – man schläft hier wie dort.“
Die Worte sind charakteristisch. Die jungen Soldaten schienen übrigens durchaus nicht traurig, man sah nur heitere, muntere Gesichter, die aussahen als gingen sie zum Tanz und nicht zum blutigen Schlachtenkrieg, und als der Oberst sich endlich auf dem Pferde wendete und „Achtung!“ commandirte, die Tamboure wirbelten und die Gewehre sich schulterten und die Weiber und Kinder zurückwichen, da blitzte jedes Auge im Regiment kampfeslustig, und die Umstehenden riefen ein Hoch auf den Colonel und seiner braves garçons! Wie viele von ihnen werden die Boulevards von Paris wieder erblicken?
Allgemeiner Briefkasten.
C. in Nan. (Frankreich.) Sie wollen unserm Wunsche betreffs einer Schilderung der Deutschen im Elsaß nicht nachkommen. Höhnend schreiben Sie: „Die Deutschen im Elsaß! Was heißt das? Zwar spricht das Landvolk noch immer die alte Sprache und auch die Straßburger können noch größtentheils „ditsch redde“, zwar wird noch hier und da „der Schiller“ auf der étagère der Herrschaften und das „Habermännel“ im Koffer des Gesindes gefunden, zwar hört man dann und wann noch „ditschi Liedle“ singen:
Z’naachts, wenn der Mond scheint,
Trappelt’s uf da Brucke,
Schleppt der Hansel ’s Gretel heim
Mit der siwern Krucke.
Zwar ist vielleicht unter dem heranwachsenden Geschlechte auch noch ein oder der andere Schulknabe schwärmerisch-einfältig genug, um, auf Straßburgs Wällen spazierend und auf einer der dort liegenden Kanonen rittlings ausruhend, wehmüthige Betrachtungen darüber anzustellen, daß sein den Vogesen zugekehrtes Bein französisch, das dem Schwarzwald zugekehrte andere hingegen deutsch sei, was allerdings sehr mißlich ist, denn wenn zwei Beine einander nicht verstehen, so ist das äußerst hinderlich für’s Fortkommen in der Welt. Und freilich ließe sich manches Interessante über die Deutschen im Elsaß sagen und auch von den Zigeunern in den Vogesen wüßte ich Vieles zu erzählen. Ich aber werde diesen Gegenstand nun und nimmermehr behandeln. Ich finde, daß die Elsasser nicht Gescheidteres thun können, als sich so schnell und vollständig als möglich zu französisiren. Jede Erinnerung an die Ueberreste vom deutschen Wesen im Elsaß bringt mein Blut in Wallung – darum nichts von den Deutschen im Elsaß.“ –
So schreiben Sie und doch wollen Sie „das alte Rabenmutterland“ noch innig lieben. Wir können uns den Grund dieser Abneigung, am wenigsten aber Ihren Wunsch, die Elsasser so bald als möglich als echte Franzosen zu sehen, nicht ganz erklären. Denn wenn wir auch zugeben, daß die alten Sünden und Schwächen Deutschlands keine großen Sympathien für das einstige Vaterland erwecken können, so ist dies doch nicht Grund genug, dem Vaterlande ein Stück Land und Volk zu mißgönnen, das urdeutsch war und die Resultate deutschen Fleißes, deutscher Kunst und deutscher Sitte noch besitzt. Sie lieben das Deutsche und denken doch nicht deutsch. –
Gedichte. L. in M. O. Leidet an Härte und kann nicht benutzt werden. – Th. in Schwarzburg. Viel Feuer und Gluth, viel Liebe und Schwärmerei, aber doch nicht zum Abdruck geeignet. – E. N. in Dresden. Der Raum des Briefkastens ist zu beschränkt, um ausführliche Beurtheilungen zu geben. Das Erscheinen eines Gedichts in der Gartenlaube ist wohl die beste Kritik. – O. Sch-ch. In der Ballade: „des Schiffers Treue“ viel Schönes, bis auf den Schluß, der unpoetisch gedacht. – Th. Ude in L. Wir danken Ihnen für den Beweis Ihrer Hochachtung. Der Gedanke des Gedichts ist sehr hübsch und ansprechend. – Alfred in A. Mit vielem Interesse gelesen. Aber warum bei so viel Jugend so viel Unglück und Thränen? Gewisse Dichter kommen uns immer wie Schwämme vor, je mehr man sie drückt, je mehr Wasser geben sie von sich. – H. T. in C–n.
„Dein zu sein – o welch Entzücken,
Welche Wonne, welches Glück
Liebend Dich an’s Herz zu drücken,
Liebe spräch’ aus jedem Blick.“
Sehen Sie, das ist Alles recht hübsch und schön, und wird auch Ihrer Bertha, Emma oder Aurora recht wohl gefallen, wenn Sie ihr die Verse auf einem rosenumkränzten Briefbogen sauber copirt eines Morgens durch die Post zuschicken – aber für die Gartenlaube – das ist doch wohl Ihr Ernst nicht! Und dann wünschen Sie auch noch Honorar. Sie kleiner Schäker! – K. in W. Danken freundlichst. Werden später benutzt. – J–l. in Ch. Vielleicht später, augenblicklich fehlt es uns wirklich an Raum. – Schließlich für alle die Herren Poeten nochmals die Notiz, daß wir uns zum Zurückschicken von Gedichten nicht verstehen können und deshalb wiederholt bitten, Abschriften zu nehmen.
Z! Z. in Breslau. Wir bitten freundlichst um Entschuldigung, wenn unsere Antwort etwas später erfolgt. Der „Ritt an den Jordan“ nimmt zu viel Raum weg, als daß er Aufnahme finden könnte, dagegen werden Sie den „Schiffbruch im Archipel“ schon nächstens abgedruckt finden. Ueber die kleine Novelle werden wir später Entscheidung fassen. Dürfen wir die Anfangsbuchstaben Ihres wahren Namens den Artikeln beisetzen?
G. in E. Ihr Artikel ist geistreich, aber doch nicht ganz verständig geschrieben. Wir wollen keine hübschklingende Tändeleien, sondern unterhaltende Belehrungen. Bei Ihnen wie bei manchem andern Schriftsteller gilt das alte gute Wort: Man trifft zehn geistreiche Männer an, bis man einen Verständigen findet. Die Redaktion.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_454.jpg&oldid=- (Version vom 2.7.2023)