Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Eigenschaften diejenigen sind, die mein zweiter Mann besitzen muß. Die zweite Wahl ist ungleich schwerer zu treffen als die erste, weil der Verstand die entscheidende Stimme hat. So mancher junge und reiche Bewerber hat sich mir vorgestellt –“
„O, ich glaube Ihnen, Madame!“
„Aber es war keiner unter ihnen, den mein Verstand billigte. Ich behaupte, daß ein in dieser Beziehung begangener Fehler nie wieder gut zu machen ist.“
„Ganz meine Ansicht!“
„Man muß an das reifere Alter denken.“
„Ganz recht!“
„Gegenseitige Achtung bildet die Basis einer glücklichen Ehe.“
„Ganz mein Grundsatz!“
„Und eine innige Freundschaft wird durch Runzeln und weiße Haare nicht beeinträchtigt.“
„Madame, das Schicksal hat zwei Menschen zusammengeführt, die für einander bestimmt sind!“ rief feurig der Major. „Ich biete Ihnen Herz, Hand und Vermögen an!“
„Ich würde eine Unredlichkeit begehen, wollte ich Sie in diesem Augenblicke durch ein Versprechen binden.“
„Wie?“
„Der Mann, dem ich für immer angehöre, darf mich nicht oberflächlich beurtheilen, er soll mich nach einer nähern Kenntniß schätzen und achten. Ich müßte jetzt schon in Ihren Augen verlieren, wollte ich durch Ihren mir so außerordentlich schmeichelhaften Eifer gewinnen.“
„Wohlan, ich bleibe eine Zeit lang in Leipzig, und wenn ich abreise, glaube ich die Gewißheit mit mir nehmen zu können, daß mir mein Heirathsgesuch eine schätzenswerthe und liebenswürdige Gattin verschafft hat.“
Der Major von Wildau hatte Josephinen ein ziemlich getreues Bild von seiner Person entworfen, und wenn er ihr den eigentlichen Grund seiner beabsichtigten Heirath verschwiegen, so glaubte er dadurch nur eine List auszuüben, um sich desto sicherer in den Besitz der Frau zu setzen, in die er sich während der kurzen Unterredung bis über die Ohren verliebt hatte. Madame Lindsor bezeichnete ihm nun die Stunden, in denen sie für ihn zu sprechen sei. Es war genau die Zeit, die Philipp zu seinen Arbeiten zu verwenden pflegte. Sie bat ihn, das angeknüpfte Verhältniß sehr geheim zu halten und bei seinen Besuchen sehr vorsichtig zu sein, damit sie der Medisance nicht preisgegeben würde, wenn er sich nach näherer Bekanntschaft bewogen finden sollte, zurückzutreten. Der Major, ein in seinen Entschlüssen rascher und consequenter Mann, sagte zwar nicht, daß er einen Rücktritt kaum für möglich halte, aber er dachte es. Ueber die Vermögensverhältnisse weigerte er sich zu verhandeln, da er der Mann sei, seiner Frau eine Subsistenz zu sichern. Er ging, und miethete sich in seinem Hotel ein Zimmer auf vier Wochen.
Kaum hatte Meta die Thür hinter ihm verschlossen, als sie zu ihrer Herrin eilte.
„War das der bewußte Heirathskandidat, Madame?“ fragte sie lachend.
„Ja, Meta!“
Er drückte mir einen Louisd’or in die Hand, als er schied. Seine Hand zitterte und sein Gesicht glühete vor Aufregung. Das sind Zeichen, die auf das Gelingen Ihres Plans schließen lassen.“
„Und dennoch glaube ich,“ sagte Josephine lächelnd, „daß dem Manne schwer beizukommen sein wird.“
„Sie sind schon Siegerin, Madame.“
„Gott gebe es, denn die Folgen einer Niederlage würden nicht wieder auszugleichen sein. Sei klug und verschwiegen, Meta, Du kannst Dich meiner Dankbarkeit versichert halten.“
„Ich werde meine Rolle schon spielen, Madame!“
Am Abend kam Philipp. Er schützte eine leichte Unpäßlichkeit vor, um seinen Gemüthszustand zu verbergen. Die junge Frau war ganz Aufmerksamkeit, ganz Zärtlichkeit und Bedauern. Sie sprach unverholen ihren Unmuth darüber aus, daß es ihr nicht vergönnt sei, ihm stets ihre Pflege widmen zu können.
„Was hindert uns, Josephine, die lästige Fessel zu brechen?“ fragte er. „Mir will es fast scheinen, als ob wir die Sclaven eines Vorurtheils wären.“
„Ist der Begriff von Ehre ein Vorurtheil?“ fragte sie ernst. „Philipp, Du bist von Herzen gut, aber schwanke nicht in Deinem Entschlusse. Die Welt ist einmal, wie sie ist, und wenn wir uns den Verhältnissen jetzt fügen, so sind wir dafür später in jeder Beziehung unabhängig. Ich fürchte mich nicht, mit Dir ein eingeschränktes Leben zu führen; aber ich fürchte den Reichthum, der uns nicht gebührt.“
„Nun, Josephine,“ rief Philipp, „auch ich leiste Verzicht auf ich will selbst nicht einmal hoffen, daß uns je ein rechtmäßiges Vermögen zufällt – der Versuch, meine literarischen Arbeiten zu verwerthen, ist geglückt, ich kann und will arbeiten, Josephine; aber schmälere mir nicht länger das Glück meines Herzens, zwinge mich nicht zu einem Raube an meiner Liebe! Warum wollen wir nicht gleich ein Leben beginnen, das uns im schlimmsten Falle bestimmt ist, das wir selbst erwählt haben?“
„Ach,“ seufzte die reizende Frau, „das ist auch mein innigster Wunsch, aber leider muß ich aus gebieterischen Rücksichten auf die Erfüllung desselben verzichten. Verzeihe mir, iieber Freund, daß ich in unserm eigenen Interesse mit ruhigem Verstande erwäge. Jetzt sind wir noch jung, und unsere Liebe genügt, uns glücklich zu machen. Wir haben nur für uns zu sorgen, und darben wir, so finden wir Ersatz in unserer Liebe. Aber bald schwinden diese poetischen Genüsse, unsere Empfindungen werden ruhiger, und das materielle Element des Lebens verscheucht die Poesie. Dieser Wandlung, Philipp, sind wir Alle unterworfen, sie ist ein Gesetz der Natur, dem sich kein Sterblicher entziehen kann. Es wäre eine große Unklugheit, wollten wir die Mittel unbeachtet lassen, die sich uns zur Milderung dieses bestimmt eintretenden Umstandes darbieten. Und dazu rechne ich meine Erbschaftsangelegenheit. Erfüllen sich meine Erwartungen nicht, nun, so habe ich mir später den Vorwurf nicht zu machen, daß ich etwas versäumt habe.“
„Josephine, auch diesen Grund lasse ich nicht gelten, denn er ist zu ängstlich! ich hege das feste Vertrauen, daß ich durch meine Arbeit die Sorgen verscheuche. Glaube mir, ich habe den Muth, diese Verpflichtung zu übernehmen, und Du, meine Gattin, wirst ihn aufrecht zu erhalten wissen.“
„Ja, Philipp, das wird mein Bestreben sein, weil es meine Pflicht ist. Ich weiß, wozu ich als Deine Gattin verbunden bin.“
„Und Du zögerst noch?“ fragte schmerzlich der junge Mann.
„Weil ich es ebenfalls für Pflicht erachte. Du giebst großmüthig Dein Vermögen hin –“
„Ich entbinde Dich von dieser Pflicht! Ich will ja nur Dich, Josephine, nur Dich!“
Sie schmiegte sich an ihn und flüsterte:
„Philipp, habe ich nur Pflichten gegen Dich allein zu erfüllen?“
Der junge Mann stutzte; sein Argwohn erwachte wieder, und er fragte mit leise bebender Stimme:
„Josephine, sollte es inder Welt außer mir einen Sterblichen geben, der Ansprüche – –“
„Noch nicht!“ fuhr sie leiser fort, indem sie ihren Arm um seinen Nacken schlang. „Philipp,“ flüsterte sie erröthend, und indem sie ihren rosigen Mund an seine heiße Wange legte – „wir werden bald nicht mehr allein sein! Es kommt eine Zeit, wo mir ein drittes Wesen Pflichten auferlegt, und von diesen kannst Du mich nicht entbinden.“
Zwei große Thränen rannen über ihre Wangen, und fester drückte sie den Gatten an sich, der den Sturm von wunderbaren Empfindungen in seiner Brust kaum noch verschließen konnte. Einige Augenblicke stummen, süßen Entzückens folgten. Dann sank Philipp vor ihr nieder, und bedeckte ihre kleinen Hände mit Küssen und Thränen. Es drängte ihn, seinen Argwohn zu bekennen und um Verzeihung zu bitten; aber ihm fehlte der Muth, das herrliche Wesen in diesem Augenblick zu kränken, wo sie ihm ein so süßes, beglückendes Geständniß abgelegt hatte. Alle Zweifel waren verschwunden, und Philipp gelobte sich im Stillen, das Glück zu verdienen, das ihm seine Gattin gewährte.
„Begreifst Du mich nun?“ fragte sie verschämt, und sich zu ihm hinneigend.
„Ich folge Dir blindlings!“ rief der berauschte Philipp. „Bin ich schwach, so bin ich es aus Liebe zu Dir, darum sorge für mich und – –“
„Unser Kind!“ flüsterte sie ihm ganz leise in das Ohr.
Es war spät, als Philipp seine Wohnung betrat. Er konnte nicht schlafen, sein Glück beschäftigte ihn zu sehr, und im Angesichte desselben schämte er sich seiner Eifersucht. Er wollte keinen Verdacht hegen, denn er sagte sich, daß der Verdacht gegen eine Frau ein Verbrechen an der Liebe sei. Und sie war ja seine Gattin.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_445.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)