Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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der Milz, nicht selten auch der Leber nach sich, und bedingen dadurch Blutverderbniß und Wassersucht. Daß die Homöopathie diese Anfälle mit ihren homöopathischen Gaben Chinins nicht zu unterdrücken vermag, lehrt die Thatsache, daß die Homöopathen (trotz Arseniks, Ipecacuanha, Pulsatilla, Veratrum, Ignatia, Eisen, China, Kochsalz, Capsicum neben der China) gewöhnlich ebenfalls noch zu großen Chiningaben greifen müssen, oder daß so sehr oft wassersüchtige Wechselfieberkranke mit geschwollenen Beinen aus den Händen homöopathischer Aerzte in die allopathischer übergehen. – Solchen Kranken würde ich den Rath geben, Schädenansprüche an ihren homöopathischen Arzt zu machen, denn er hat sie ohne Noth auf längere Zeit arbeitsunfähig gemacht.
d) Bei Syphilis und derartigen Uebeln kann der Homöopath durch sein Nichtsthun das ganze spätere Leben des Kranken zur Höllenqual machen und großes Familienunglück anrichten.
e) Der Homöopath schadet der Gesundheit in allen den Fällen, wo er bei Krankheitszuständen statt äußerer und chirurgischer Hülfe seine Mittel zum innern Gebrauche verordnet, wie: bei gewissen Hautkrankheiten, Augenleiden, Ohrübeln, Kehlkopfsaffectionen, Brustdrüsenkrankheiten, Brüchen, Harnbeschwerden, Genitalienleiden etc.
f) Der Homöopath erschwert vielen Patienten ganz unnützerweise ihr Kranksein dadurch, daß er sehr beschwerliche Symptome (z. B. Schmerzen, Schlaflosigkeit) durch seine Mittel auf einige Zeit weder zu lindern noch zu heben vermag, wie der Allopath es thut. Denn daß bisweilen Kopf- und Zahnschmerzen bei nervösen, hysterischen Personen nach homöopathischen Mitteln weichen, gleicht dem Aufhören der Zahnschmerzen schon auf der Treppe des Zahnarztes; auch schweigen nicht selten die heftigsten Schmerzen aus natürlichen Gründen endlich ganz von selbst. – Es ist oft sehr traurig, ansehen zu müssen, wie sich Kranke mit schmerzhaften Leiden in homöopathischer Behandlung fast zu Tode quälen. Deshalb springen in der Regel aber auch die fanatischsten Anhänger der Homöopathie von dieser ab, sobald sie von chronischen schmerzhaften Uebeln heimgesucht werden, und das ist es, was die Todtenliste der Homöopathen kleiner macht.
Hiernach wäre ein homöopathischer Arzt, weil[WS 1] er der Natur im kranken Körper freien Lauf läßt – denn seine[WS 2] Arzneien sind ja gleich nichts – einem alten mittelsüchtigen Allopathen allerdings vorzuziehen, niemals aber einem Jünger der physiologischen Medicin, welcher durch passende Diät (von welcher die Homöopathen ihren Speisezetteln nach noch sehr kindische Ansichten haben) und durch die am richtigen Zeitpunkte richtig gewählte Arzneistoffe die Naturheilungsprocesse unterstützt. – Wem seine Gesundheit und sein Leben lieb ist, der hüte sich deshalb vor der Homöopathie.
Hahnemann – welcher, wie die Homöopathen schreiben: „getrost an die Seite anderer großer Reformatoren zu stellen ist, denn seine Liebe zur Menschheit reiht ihn zu Lessing, seine Verstandesschärfe stellt ihn zu Kant, sein Thatensinn zu Baco von Verulam, und der Eifer und die Kraft, mit der er die Satzungen einer medicinischen Hierarchie stürzte, zu Luther“; – er bekam nach der Erzählung seiner Anhänger, nachdem er mehrere Jahre prakticirt hatte, Ekel an der praktischen Medicin, deren Ausübung bei ihrem damaligen Zustande ihm sein Gewissen verbot, und widmete sich so lange unter Noth und Mühsal der Pharmacie und Chemie, bis er bei Prüfung der Chinarinde sein geniales Heilprincip entdeckte, welches er selbst als auf die unumstößlichste Wahrheit gegründet bezeichnet.
Ganz anders klingt die nach unleugbaren Thatsachen von seinen Zeitgenossen erzählte Lebensgeschichte Hahnemann’s. Nach diesen mußte sich H. aus Mangel an Patienten von der praktischen Medicin zum Uebersetzen medicinischer Werke zurück- und in den verschiedensten Flecken und Städten herumziehen; seine chemische Thätigkeit benutzte er aber hauptsächlich zum Geldmachen. So verkaufte er z. B. ein angeblich von ihm entdecktes neues Laugensalz unter dem Namen Alkali Pneum, die Unze für einen Friedrichsd’or (bei Hilscher in Leipzig), welches sich aber durch Hermbstädt’s, Klaproth’s und Karsten’s Untersuchung (der H. auch niemals widersprach) als gemeiner Borax herausstellte, von dem die Unze ein paar Groschen kostet. – Trotz der Aufdeckung dieses Schwindels ließ sich H. doch sehr bald einen zweiten, ähnlichen zu schulden kommen, indem er ein untrügliches Vorbauungsmittel gegen Scharlach, ebenfalls für einen Friedrichsd’or, verkaufte, welches nichts Anderes als ein ganz werth- und wirkungsloses Belladonnapülverchen war. – Ebenso zeigte H. auch durch sein Gebahren im ärztlichen Leben, daß es bei ihm hauptsächlich auf Geldmacherei abgesehen war. Denn nicht nur, daß er sich stets das Honorar für Behandlung von Krankheiten vorausbedungen hat, er ließ sich dasselbe auch, wenigstens zur Hälfte, vorausbezahlen. Er ließ sich ferner bei äußern Krankheiten, welche, wie ihm recht wohlbekannt war, nur durch chirurgische Hülfe gehoben oder erleichtert werden konnten (z. B. Bruchschäden durch Bruchbänder), fortwährend seine Pülverchen für schweres Geld, selbst von armen Leute, abkaufen. – Auch H.’s eigene Worte werfen das gehörige Licht auf seinen geldgierigen Charakter; denn er schreibt in der Bevorwortung zu seinen chronischen Krankheiten: „Wüßte ich nicht, zu welcher Absicht ich hier auf Erden war, – selbst möglichst gut zu werden und umher besser zu machen, was nur in meinen Kräften stand, – ich müßte mich für sehr weltunklug halten, eine Kunst vor meinem Tode zum gemeinen Besten hinzugeben, in deren Besitz ich allein war, und welche daher bei ihrer Verheimlichung mir fort und fort möglichst einträglich zu machen bei mir stand.“ Blickt durch diese Worte mit christlich-frommer Heuchelei nicht der Charlatan hindurch, der mit Arcanen zu wuchern gewohnt ist? Welcher edle Mensch und Arzt denkt wohl an Verheimlichung einer heilsamen Curmethode um des Erwerbs willen?
Wie in Geldangelegenheiten, so ließ sich H. auch in wissenschaftlicher Hinsicht eine Menge offenbarer Schwindeleien zu schulden kommen. So ersann und verunstaltete derselbe absichtlich Citate, wie nachgewiesen ist, als er nach Beweisstellen in alten medicinischen Schriftstellern (Hippokrates, Boerhave, Sydenham, de Haen etc.) herumsuchte, die für die ewige Wahrheit des homöopathischen Princips zeugen sollten. – Er erdichtete ferner die Wirkung der Chinarinde, auf deren fiebermachende Kraft sich doch die ganze Homöopathie gründet. Denn niemals sind bisjetzt bei öfters wiederholten (früher auch unter der Aufsicht des Hrn. Hofrath Jörg angestellten) Versuchen mit der China die von H. angegebenen, einem Wechselfieberanfalle ähnlichen Erscheinungen eingetreten, und auch die jetzigen Homöopathen sind nicht im Stande, dieselben zu erzeugen. Dasselbe ist der Fall mit den meisten übrigen, von H. angeblich geprüften Arzneistoffen. Ueberhaupt ist die ganze Arzneimittellehre H.’s ein Mischmasch von Erdichtungen und Widersprüchen, in welchem, wahrscheinlich mit Fleiß, um die Controle zu erschweren, alle nähern Bestimmungen fehlen. Man erfährt z. B. nicht, von welchem Alter und welcher Körperbeschaffenheit Derjenige war, welcher das Mittel einnahm, in welcher Gabe und Form dasselbe gegeben wurde, wie oft und in welchen Intervallen es wiederholt wurde. Man erfährt daher auch nichts von der Entwickelung, Dauer, dem Verlaufe und Ausgange der ganzen Arzneikrankheit. Man traut seinen Sinnen nicht, wenn man liest, welche Wirkungen jedes, auch das indifferenteste Mittel in allen Organen des Körpers, vom Scheitel bis zur Zehe, hervorbringt, wie z. B. das ganz wirkungslose Blattgold den Menschen mit sich selbst uneinig und muthlos, jähzornig und widerwärtig macht u. s. f. – Auch fällt die grobe Inconsequenz auf, mit welcher H. seine Mittel an Gesunden probirte; denn während er früher mit homöopathische Gaben (z. B. mit der decillionfachen Verdünnung der Holzkohle) operirte, will er später nur große Dosen angewendet wissen. – Die Krone als wissenschaftlicher Charlatan setzte sich H. nun selbst dadurch auf, daß er, im gröbsten Widerspruche gegen seinen Ur- und Hauptgrundsatz und zum Schrecken seiner, viele Jahre schon der Wahrhaftigkeit ihres Meisters und seiner Heilmethode blindlings vertrauenden Jünger (die deshalb auch überall von dieser Geschichte schweigen), plötzlich in einem vierbändigen Werke nachzuweisen suchte, daß bis dahin die homöopathische Behandlung von sieben Achteln der chronischen Krankheiten eine ganz nutzlose gewesen sei. Er selbst schreibt (im Jahre 1828) Folgendes: „Den Grund aufzufinden, warum alle die von der Homöopathie gekannten Arzneien keine wahre Heilung in chronischen Krankheiten bringen und eine, womöglich richtigere Einsicht in die wahre Beschaffenheit jener Tausende von ungeheilt bleibenden – bei der unumstößlichen Wahrheit des homöopathischen Heilgesetzes dennoch ungeheilt bleiben – chronischen
Anmerkungen (Wikisource)
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_429.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2023)