Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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im Stande bestimmte, vorausbestellte, gewissen Krankheit ähnliche Zustände (wie z. B. Wechselfieber, Bleichsucht, Krätze u. s. w.) im gesunden menschlichen und thierischen Körper zu erzeugen, was doch allein nur eine positive Bestätigung des homöopathischen Aehnlichkeitsgesetzes wäre. Ihre ganze Kunst besteht nur darin, durch wirksame oder giftige Arzneistoffe vereinzelte, lange vor Hahnemann bekannte Erscheinungen und Vergiftungssymptome hervorzurufen, welche allerdings dieser oder jener Krankheit, oft aber auch mehreren verschiedenen Leiden zukommen. Dies wollten denn auch die drei leipziger Bastard-Homöopathen DD. Cl. Müller, Meyer und Haubold mit dem Verf. in wochenlanger strenger Clausur und ins Blaue hinein (zuvörderst mit Belladonna, Veratrum album, Cantharis, Glonoin, Mercur. solub.) vornehmen und zwar ohne irgend welche genauere Bestimmung. Sie standen aber davon ab und wollten mit dem Verf. nichts mehr zu thun haben, als dieser auf Niedersetzung einer unparteiischen Commission und einer wissenschaftlicheren Versuchsmethode drang.
Die höchst unwissenschaftlichen Prüfungen der Arzneistoffe von Seiten der Homöopathen an Gesunden von der verschiedensten geistigen, gemüthlichen, körperlichen und geschlechtlichen Constitution haben die homöopathische Arzneimittellehre zu einem Convolut der lächerlichsten, sich gegenseitig widersprechenden Behauptungen und des dem gesunden Menschenverstande geradezu Hohn sprechenden Unsinns gemacht. Denn welcher nur einigermaßen verständige Mensch wird z. B. glauben, daß es Arzneimittel gibt, welche vorzugsweise auf die rechte und andere, welche auf die linke Körperhälfte wirken; daß für jeden einzelnen Zahn und jeden besondern Schmerz in demselben bestimmte Heilmittel existiren; daß gegen jede besondere irrige Vorstellung, gegen jeden absonderlichen Appetit nach gewissen Stoffen, gegen die verschiedenen Träume, gegen jeden verschieden gefärbten Zungenbeleg und Urin andere Mittel vorhanden sind; daß beim Ausfallen der Haare nach den verschiedenen Körperstellen (ob am Scheitel-, Vorder- oder Hinterhaupte, an den Schläfen, im Schnauz- oder Backenbarte) verschiedene Heilmittel zu wählen sind; daß Schweiße nach ihrem verschiedenen Geruche und verschiedenen Sitze verschieden zu behandeln sind; daß Selbstmordsucht anders kurirt werden muß, wenn sich Einer erschießen, erhängen oder ersäufen will; daß Gemüthsbewegungen verschiedene Mittel verlangen, je nachdem sie aus Angst, Schreck, Furcht, Eifersucht, Liebe u. s. f. hervorgehen; daß bei Heilung der Furcht danach verschieden zu verfahren ist, ob sie vor Ansteckung, Aufgefressenwerden, Cholera, Gespenstern, Hunden, Dieben, Dunkelheit u. s. w. stattfindet; daß man unglückliche Liebe, Heimweh, Muttermäler, Sommersprossen und Warzen, Läusesucht und Gebärmuttervorfälle, Fluchen und Schimpfen, Gedächtnißschwäche und Ungeschicklichkeit, Arbeitsscheu und Feigheit u. s. w. durch innere Arzneimittel heben kann. – Welcher denkende Mensch wird nicht Argwohn gegen eine Heilmethode fassen müssen, welche im Besitze von Mitteln zu sein wähnt, von denen die meisten gegen hundert, viele aber mehrere Hunderte und einige sogar bis tausend Erscheinungen zu erzeugen und zu heben im Stande sind; von denen viele gerade die entgegengesetztesten Zustände hervorzurufen vermögen (z. B. Graphit langwierige Hartleibigkeit und stete Weichleibigkeit; Silber Widerwillen gegen alle Speisen und starken Appetit selbst bei vollem Magen, Chamille Widerwillen gegen und heftigen Appetit nach Kaffee); deren Wirkungen auf Menschen und die verschiedenen Haussäugethiere so verschieden und eigenthümlich sind, daß man unwillkürlich darüber lachen muß (s. unten die Wirkung des Schwefels); von denen sehr viele in den größten Gaben von der Chemie als ganz indifferent für unsern Körper nachgewiesen werden (wie Kohle, Graphit, Gold, Silber, Bärlapp, Kiesel- und Alaunerde, Spongia und Sepia u. s. f.) und welche in homöopathischer Verdünnung doch große Dinge thun sollen. – Wem sollten die Augen über die Homöopathie nicht aufgehen, wenn er hört, daß gegen jedes Leiden, selbst gegen die unheilbarsten und sogar gegen chirurgische Uebel eine Menge von erprobten Heilmitteln empfohlen werden. So sollen (nach Jahr) bei Abortus 28, bei Krampfadern 23, bei Finnenausschlag 31, bei Aneurysmen 17, bei Balggeschwüren 8, bei Bleichsucht 32, bei eingeklemmten Brüchen 8, bei Brustwassersucht 18, bei Geistes- und Gedächtnißschwäche 16, bei Geistesverwirrung 42, bei schiefem Halse 7, bei Krebs 22, bei unglücklicher Liebe 8, bei Muttermälern 23 Mittel Heilung bewirken u. s. f. – Wer ist wohl so leichtgläubig, um die Prüfungen mit Mitteln, welche von den Homöopathen gegen die lebensgefährlichsten Zustände, wie Schlagfluß, Herzentzündung, Croup, Scheintod und Starrkrampf der Neugebornen, Kindbettfieber und Convulsionen der Wöchnerinnen, halbseitige Lähmungen u. s. f., empfohlen werden, für wahr zu halten. Versucher der Art müßten ja als Mörder dem Criminalgerichte anheimfallen. Doch hat man noch niemals sich aufopfernde Homöopathen infolge ihrer Arzneimittelprüfungen hinsiechen sehen, auch Hahnemann selbst war stets gesund und erreichte ein sehr hohes Alter. – Zur Bestätigung des Gesagten mögen noch folgende, der reinen Arzneimittellehre und den neuesten homöopathischen Werken entnommenen Thatsachen dienen:
Die Chamille, welche nach Hahnemann 448 Symptome hervorruft, erzeugt in großer Gabe und hebt in decillionfacher Verdünnung: freudenlose Stumpfsinnigkeit mit Schläfrigkeit; heftigen Appetit auf rohes Sauerkraut; zänkisch-ärgerliche Träume; Knacken und Knarren in der linken Hirnhälfte; Nichtaufhören, über alte ärgerliche Sachen zu reden; unerträgliches Bauchweh früh bei Sonnenaufgang; öfteres Versprechen; Gewissensscrupel über Alles; Bewegungen zu blinden Hämorrhoiden[WS 1]. – Helleborus hilft, wenn sich Einer unschicklich kleidet, wehmüthig beim Anblicke eines Unglücklichen wird, Heimweh und Verzweiflung am Leben hat. – Ipecacuanha erregt und heilt: mürrisches Wesen, was Alles verachtet und will, daß auch Andere nichts achten und schätzen sollen; Aufgelegtsein zum Bösewerden; Unbehülflichkeit und Ungeschicklichkeit, wenn man an Alles stößt. – Stechapfel (mit 463 Symptomen) ist empfohlen: wenn Einer zu sterben und den Abend nicht zu erleben glaubt, sich freut zu sterben und Anordnungen zu seinem Begräbniß macht; bei Dummlichkeit im Kopfe und Unzüchtigkeit.
Die Homöopathie besitzt innere Mittel gegen Scheintod, aber verschiedene Mittel bei Erfrorenen, Erhängten, Erstickten, Erschlagenen und Ertrunkenen; – gegen starke Appetite, aber verschieden nach dem Gelüste, wie nach Bier, Branntwein, Austern, Gurken, Sauerkraut, Heringen, Kaffee[WS 2], Obst, Kalk, Kreide, Erde u. s. f.; – gegen die verschiedenartigsten Träume (angenehme, ängstliche, ärgerliche, ekelhafte, lebhafte, kopfanstrengende, von Tagesbegebenheiten, Dieben, Räubern, Gespenstern, Teufeln, Leichen, Begräbniß, Unglück, Krankheiten, Schlägerei, Mord, Schlangen, Ratten, Ungeziefer, Wasser, Feuer, mit Aechzen, Aufschrecken, Schreien, Sprechen, Schnarchen, Weinen, Kauen, Gesichtsverzerrungen, mit angezogenen, ausgestreckten oder gespreizten Beinen, über den Kopf geschlagenen Armen, auf der rechten oder linken Seite liegend u. s. f.); – gegen irrige Vorstellungen, und zwar gegen jede besondere ein anderes Mittel, z. B.: als sollte Einer gebraten werden, als sei er braungefleckt, als sei die Nase durchsichtig, als sei der Geist vom Körper los, als sei man ein Harlekin, auf einer Hochzeit, als sei das Scrotum geschwollen, als wären die Menschen Schweine, als müsse man nackt gehen, Andere bei der Nase fassen, auf einem Ochsen reiten u. s. f.
Ganz erstaunenswerth sind nun aber die verschiedenen Wirkungen eines und desselben Arzneimittels bei dem Menschen und bei den Thieren. So erzeugt und heilt z. B. der Schwefel beim Menschen: Scheu vor dem Waschen, Melancholie mit Zweifel am Seelenheile, große Neigung zu philosophischer und religiöser Schwärmerei, Würmerbeseigen, nächtliches Bettpissen und viel Neidnägel; beim Pferde den Dummkoller, Rattenschwanz, die Pörzelseuche und Piephacke, die Läusesucht und Hufspalte; beim Rinde: die Dreh- und Egelkrankheit, die Klauenspaltentzündung, die Absonderung von zäher, bitterer, dünner und wässeriger Milch, den Durchfall der Saugkälber und Sterzwurm; beim Schafe: Gesichtsgrind, Lungenwürmerseuche und Maulschwämmchen der Lämmer; beim Schweine: die Räude, den Ferkelausschlag und die Borstenfäule.
Aurum, Gold, erzeugt und heil nach Jahr: Zerschlagenheitsschmerzen (besonders in den Gliedern und früh im Bette); lähmige Schmerzen und lähmiges Reißen; Ameisenlaufen hier und da; unruhigen Schlaf mit ängstlichen Träumen; weinerliche, religiöse Melancholie; Sehnsucht nach dem Tode und Selbstmordsucht; Zanksucht, Groll und jähzorniges Auffahren beim geringsten Widerspruche; dunkle, braunrothe Flecke auf der Nase und geschwürige, rissige, schorfige Löcher mit Geschwulst der Nase; Neigung vorhandener Brüche zum Austreten; Schüttern des Herzens, als wäre es los. – Nach Hahnemann erzeugt und hebt das Gold: geschärftes Denkvermögen, treues Gedächtniß, Jucken zwischen Daumen und Zeigefinger, Wohlbehagen und Lustigkeit, den Glauben der Liebe Anderer verlustig zu sein und dies kränkt bis zu Thränen.
Holzkohle (welche nach genauen Untersuchungen selbst in sehr großer Quantität keine andere Wirkung auf den Körper hat, als daß sie den Stuhl schwarz färbt), soll (nach Jahr) erzeugen und heilen: Schmerzen mit Angst und verzweifelter Hoffnungslosigkeit; Kopfschmerz und Katzenjammer nach Schwelgerei; rheumatisches Ziehen und Reißen mit Blähungsbeschwerden und Athemversetzen; brennende Schmerzen (besonders in den Gliedern und Knochen); Anfälle jählinger Schwäche bis zur Ohnmacht und Lähmung; zittrige Angegriffenheit und Erschöpfung; große Tagesschläfrigkeit; feinkörnige, frieselartige Ausschläge; viel Frostigkeit und Kälte; große Neigung zum Schweiß; weinerliche Verzweiflung, bis zum Erschießen; Furcht vor Gespenstern; rothe grindige Nase; finnige Blüthen im Gesichte; große Qual von Blähungen; viel Schleimabgang aus dem Mastdarm, bei und außer dem Stuhle; viel geile Gedanken; öftere Heiserkeit, besonders früh und Abends; Husten von der geringsten Erkältung; viel Schleimauswurf durch Husten. – Nach Cl. Müller hilft sie in der dritten Verreibung: bei Kopfschmerzen und Katzenjammer nach Schwelgereien, bei Flimmern vor den Augen, bei Trockenheit des Gehörganges oder völligem Mangel an Ohrenschmalz, bei Grindern an der Nasenspitze, bei rother Nase, bei Nasenbluten, Mundfäule, salzigem Geschmacke, braunem Zungenbelege, unbiegsamer harter Zunge, bei schmerzhaftem geschwollenen Zahnfleische in Folge von Sauen an den Zähnen, bei Zahnweh zur Zeit der Regel, bei hartnäckiger Heiserkeit und Rauheit der Stimme, besonders früh und Abends, bei Krampfhusten, der durch Sprechen und schlechte Witterung schlimmer
Anmerkungen (Wikisource)
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_427.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2023)