Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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vor, der zugleich Bartscheerer sein mußte, und dieser Gedanke machte namentlich dem Oheim Entsetzen, wenn er ihn mit den reichen Anlagen seines Neffen und den daran geknüpften Hoffnungen verglich. Gleichzeitig mußte aber auch schon für ein sicheres Einkommen gesorgt werden, denn die Folgen jener ersten Liebe machten die Ehe nothwendig. Der junge Mann trat also als Schreiber bei einem Advokaten ein, und wurde, noch nicht einundzwanzig Jahre alt, am 19. Januar 1810, schon Ehemann, und bald darauf auch Vater. Und nun beginnen für den jungen Mann erst die eigentlichen Leidens- und Kampfjahre- die Frau ist körperlich leidend, wird immer leidender, und zwar am Gehirn, so daß auch ihr seelischer Zustand immer trauriger und trauriger wird, beschränkt, reizbar, heftig; - so geht ein volles Viertel-Jahrhundert in tiefstem, innern und äußern Eheleiden hin; das erste Kind stirbt; das zweite, eine lebhafte, begabte Tochter, ist ganz auf den Vater, und dieser vom Krankenbett der Frau nur auf Erwerb angewiesen, unter Duldung und Entbehrung aller Art. Solche Kämpfe konnten nun wohl eher einen Charakter als ein Talent entwickeln; dem Letzteren fehlte es natürlich an Gemüthssammlung, an Innerlichwerden, auch an äußerer Anregung in einer Stadt wie Fulda, während des Krieges; aber unser Dichter ist ein glänzendes Beispiel , wie unendlich viel die Festigung eines tüchtigen Charakters dem Talente vorarbeitet; viele der hohen Vorzüge, die wir später an den Werken König’s noch anzudeuten suchen werden, haben ihren Ursprung in der Charaktergröße und Stärke, die er während dieser Zeit sich gewann. Trieben nun lebhaftes Temperament, heiterer leichter Sinn, Unbefangenheit gegen Welt und Menschen den häuslich Unbefriedigten leichter hinweg und umher, so halfen ihm vor Verirrungen seine frühe Vernünftigkeit, gesellschaftliche Blödigkeit, pecuniäre Anspruchslosigkeit und Enge, ein reizbarer, sittlicher Stolz, immer mehr gefundene Freundschaft und Neigung in gebildeten Kreisen und auch ein religiöser Ernst. Dieser aber immer freier und höher getragen, mehr als innerliche Stimmung, des Kirchlichen müde, dem Dogma abhold, doch auch ohne Zweifel und Polemik, in harmonischer Toleranz. Während dem war unser Dichter vom Hülfsschreiber da und dort, Scribent an der Mairie Frankfurt, unter Regentschaft des Fürsten-Primas, geworden und arbeitete auch dann und wann im Büreau des Finanzministers, Graf Bentzel-Sternau, des bekannten Schriftstellers, wenn derselbe ab und zu nach Fulda kam; die politischen Doctrinen des Staatsdienstes suchte er dabei durch eifriges Selbststudium sich anzueignen. - Daneben aber regten sich auch noch die ersten Anfänge der Schriftstellerei in Gelegenheitsgedichten und Prologen, namentlich für das vom Fürsten-Primas errichtete vortreffliche Liebhabertheater, dem sich der Dichter auch als Schauspieler widmete. Er erregte Aufmerksamkeit, wurde empfohlen und bekam die Stelle eines Controleurambulant bei der neuen Accise. Das war für den Dichter eine widerliche Stelle, aber sie gab sicheres Brot für Weib und Kind. Nach der leipziger Schlacht wurde die betreffende Accise aufgehoben, König behielt aber seinen Gehalt von 240 Gulden fort und wurde ohne sichere Anstellung mit Aufträgen mancherlei Art beschäftigt. Nun trat die Theilung des Fürstenthums ein; Coudray, der bekannte Baurath und Freund Goethe’s, kam nach Weimar und sorgte vorher, daß die bisher von ihm geführte Regie des Theaters an König übertragen wurde. Da fühlte er sich nun so recht in seinem Element, und als Fulda im Jahr 1816 Kurhessisch wurde, ließ er sein Festspiel „Die Erfüllung“ aufführen; der Kurfürst wohnte der Aufführung bei, ignorirte aber den Verfasser; desto eifriger nahm sich dessen der geistvolle Oberkammerrath Fulda an; er setzte seine Anstellung als Secretair im Finanzministerium durch. So, neu gehoben und gekräftigt durch höhern Rang und Gehalt, schrieb unser Dichter sein erstes Trauerspiel „Wyatt“, er bezeichnet es jetzt selbst als „eine kleine Missgeburt;“ im Jahre 1819 nach Hanau versetzt, schrieb er das Drama „Otto’s Brautfahrt“, von Müllner günstig rezensirt, auch in Frankfurt zur Aufführung angenommen, doch durch den Tod des dortigen Direktors Ihle vernachlässigt; dann entstand ein tragischer Torso: „Der Bischof-Ritter“ und dies und jenes Gelegenheitsstückchen für das Wintertheater in Hanau.
Inzwischen hatte das Treiben der Jesuiten und Ultramontanen auch den besseren Theil der katholischen Geistlichkeit des Landes aufgeregt; wie viel mehr erst unsern wackern König. So schrieb er denn in dem vom Pfarrer Friedrich zu Frankfurt gegründeten Journal „der Protestant“ viele gegen jenes Treiben gerichtete Artikel und gab dieselben im Jahre 1829 bei Sauerländer in Frankfurt, unter dem Titel: „Rosenkranz eines Katholiken“ heraus. Das Domkapitel in Fulda verlangte Widerruf, und als Antwort darauf veröffentlichte König das Werk: „Christbaum des Lebens“, worin er die Nothwendigkeit der Reformation darlegte und mit dem Katholicismus brach. Bald darauf, 1830, wurde er excommunicirt; unter dem Schutze seiner Regierung zwar nicht öffentlich von der Kanzel herab, aber doch geheim und durch Decret. König blieb nun ohne Kirche, in religiöser Selbstständigkeit; auch der Uebertritt des früheren Chefs und Freundes, Graf Bentzel-Sternau, zum Protestantismus, konnte ihn nicht zu demselben Act bewegen; er bemühte sich als freier Einzelner, durch sittliche und geistige Reinheit seinen Baustein zum .großen Bau des Christenthums darzubringen.
Kaum hatte er ruhig diese kirchlichen Kämpfe abgeschlossen, als ihn das Vertrauen seiner Mitbürger in staatliche Kämpfe warf, indem er als Landtagsdeputirter nach Kassel gesendet wurde. Mit derselben Offenheit und Freisinnigkeit, bei aller Ruhe und Festigkeit, womit er dort gekämpft, kämpfte er nun auch hier, und vergeblich wendete das Ministerium Hassenpflug zweimalige Auflösung des Landtags und Einschüchterungssystem gegen die Beamten an. Es erschien König’s Schrift: „Leibrecht und Verfassungsrecht, oder über die Bürgergarden“ und er resignirte auf Beförderung im Staatsdienst. Niemand aber war, der nicht seinem Charakter und seiner Gesinnung volle Gerechtigkeit widerfahren ließ; Niemand, der ihm Nebenabsichten, Nebeninteressen und Rückhalte vorwerfen konnte und wollte.
Und in Mitten an dieser Kämpfe, schon in die Vierziger eingetreten, sollte seine eigentliche Hauptkraft zum Durchbruch kommen, sollte er seine große Lebens- und Dichter-Aufgabe beginnen: er schrieb seinen ersten Roman. „Die hohe Braut“. Das Buch zündete sofort; Laube, damals Redakteur der „Zeitung für die elegante Welt,“ war der Erste, der es mit Posaunenton der Literatur verkündete; damals fand die Kritik noch Ansehen und Glauben - das Buch wurde als „Ereigniß“ bezeichnet und aufgenommen, und Heinrich König war auf einmal ein berühmter Schriftsteller; Buchhändler, Redakteure, Almanachsherausgeber, junge Dichter und Kritiker drängten sich um ihn. Er aber blieb der ruhige, stille, anspruchslose Mann; immer ernster, immer tiefer, mit immer größerer Pietät seiner hohen Aufgabe nachstrebend, und so denn auch immer bedeutender schaffend, was wir im Eingang dieser Skizze als seine Werke nannten.
Was daran schon gleich zu Anfang überraschte, war die männlich-feste Abgeschlossenheit, die klare, objektive Ruhe, die hohe ethische Würde, wie man das Alles bei einem ersten Werke solcher Art unendlich selten findet; hier nun zeigte sich, was wir oben andeuteten, wie die bedeutsame Charakter-Entwickelung des Mannes dem Dichter glücklich vorgearbeitet, ihm zu seinen Schöpfungen sicheren Grund und Boden vorbereitet hatte. Und jene seltenen Dichtergaben wurden nun stets klarer, freier und schöner, und die Anfangs damit verbunden gewesene Herbheit und Sprödigkeit wurde versöhnende, rein menschliche Harmonie. Darin erinnert König bedeutsam an Zschokke, nur daß König größeren historischen Geist besitzt; in der Liebenswürdigkeit und Einfachheit seines Erzählens steht er Hauff am Nächsten, nur daß er diesen an Tiefe und Gehalt übertrifft; Spindler’s Erfindungskraft, Leidenschaft und frappante Charakteristik erscheint bei König solider und künstlerisch sittlicher, und nur W. Alexis könnte ihn in gesunder, unmittelbarer Naturkraft übertreffen, wenn derselbe nicht nach der andern Seite hin so tief in specifisch altpreußischem Geiste steckte, so herb und spröde geblieben wäre, daß ihm eine, wenn auch immer fast großartige, so doch das reine Kunstwerk störende Einseitigkeit zugesprochen werden muß.
So steht König unter den Romandichtern der durch ihre Hauptrepräsentanten angedeuteten Periode und Richtung als der vortrefflichste da. Die Romandichter der specifisch modernen Gegenwart (auch Immermann noch mit inbegriffen) gehen eben in dieser Richtung zu weit ab von König’s historischem Schaffen, um ihn auch noch mit diesen parallelisiren zu können.
Und eben dieser weite, klar und fest fixirte Hintergrund und Boden des historischen Schaffens bei König ist es, der dasselbe stets so resolut, concis und gesund, und, unbeschadet des absichtslosen Kunstwerks, so fruchtbar, nützlich anwendbar erscheinen lässt; denn König ist nicht nur historischer Romandichter in dem Sinne
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_421.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)