Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Staatsrath zum Director einer Sektion des Ministeriums ernannt wurde.“ Sodann sehen wir ihn als Regierungs-Präsidenten zu Gumbinnen. Von immer größerer Wichtigkeit wird in der nächsten Zeit das Verhältniß des Herrn von Schön zu dem Freiherrn von Stein, und harrt einer noch specielleren Beleuchtung für die Zukunft. Beide Männer mit außerordentlichen Kräften gerüstet, von der gleichen, glühenden Vaterlandsliebe erfüllt, ergänzen einander, indem jener auf dem Gebiete des Staates eine mehr schöpferische, von Ideen bewegte, dieser eine das Empfangene mehr ausführende Macht zu erkennen giebt, so jedoch, daß Beide in der schnellen, kräftigen Ausübung dessen, was noth thut, auch wieder zusammentreffen. Herr von Stein war, obwohl an Jahre 1807 bekanntlich entlassen, schon nach dem tilsiter Frieden wieder in den Staatsdienst getreten. Von Schön und von Stein sind von jetzt ab zwei Haupt-Faktoren in der sich vorbereitenden Wiedergeburt Preußens, indem unter der Unablässigkeit ihres Wirkens jetzt überall die Kräfte treiben, welche eine neue Zeit auch wirklich herbeiführen. Auch der Tugendbund ist hier in höchsten Ehren zu nennen.
Die Aufhebung der Erbunterthänigkeit, der Vorrechte des Adels ist das große Werk, welches Herr von Schön zur Reife bringt. Derselbe hochverdiente Mann hilft die Städteordnung (19. Novemder 1808) hervorrufen. Nicht Stein, sondern Schön ist der eigentliche Schöpfer des „politischen Testaments,“ welches jener nur unterzeichnet hat. Wir vermuthen fast, daß Herr von Schön, bei seiner scharfen Beobachtung und großartigen Beweglichkeit nach allen Seiten hin, in dieser Zeit auch mit Fichte zusammengetroffen ist, der damals nach Ostpreußen kam. Fichte, ohnehin Philosoph, ideenvoll, rasch, von eiserner Willenskraft, von unerbittlicher Ausführung, kräftig an Wort, unerschrocken an That, war ganz der Mann für Herrn von Schön. Fichte war ja der Hauptanführer jenes Heeres deutscher Ideen, welches Napoleon I. vor allem fürchtete. Noch dazu glühte auch Fichte nicht blos für den Gelehrten-Stand, nein auch für den Bürger, für die deutsche Nation, der er in seinen berühmten Reden Weckstimmen in das schlafende Gewissen geschleudert hatte. Fichte hatte der deutschen Jugend die Macht des freien Willens früher in’s Bewußtsein gerufen, als es eine Heeresmacht von Freiwilligen gab, früher eine Ideen-Wehr aufgestellt, als eine Landwehr unter die Fahnen gerufen werden konnte. Klar zu wissen, was man wolle, diesen Willen ohne Aufschub, ohne Menschenfurcht in’s Werk zu richten, war von je her einer der Grundsätze des Herrn von Schön. Dies bewies er unter andern durch sein rücksichtsloses Auftreten gegen den König von Neapel 1812, den 18. December zu Gumbinnen. Der bloße Hinweis unseres Helden auf die Sturmglocken der Stadt war hinreichend, den Sturmschritt der andrängenden Bayonnette zum Stillstand und Rückschritte zu bringen. In ähnlicher Weise, mit der kurzen, handelnden Entschlossenheit des Patrioten, des Mannes, der keinen Fuß breit einzuräumen gewillt[WS 1] war, komme was da wolle, trat Herr von Schön auf, als von russischer Seite Gefahr für Ostpreußen drohte. So überlegte, so handelte er in dieser bedenklichen Zeit, in welcher dem Preußenlande von entgegengesetzten Seiten her Beeinträchtigungen nahe kamen, so bewies er sich bei tausend anderen Gelegenheiten, und setzte durch, was er wollte, denn so gereifter Einsicht und so unbeugsamem Muthe konnte nichts widerstehen. Preußen war jetzt zur Schlagfertigkeit gelangt, und auch diese Landwehr, diese in ihrem Begeisterungsfeuer kaum zu zügelnden Schaaren Freiwilliger zu Fuß und zu Pferde, aus den höheren, mittleren und niederen Ständen zusammengetreten, sie waren durch das unauslöschliche Verdienst unseres Patrioten von Ostpreußen hervorgerufen worden.
Mit dem Anfange der Freiheitskriege finden wir Herrn von Schön, „nach der Besetzung Sachsens,“ als „Gouverneur von Dresden.“ – Der Krieg ging für die Verbündeten so glorreich vorwärts, jedes Scharmützel, jede Schlacht überhäufte sie mit solchen Siegestrophäen, daß Herr von Schön auf diesen Feldern, wie er für deren Eroberung vorausgewirkt hatte, Genugthuung fühlen konnte, und in seine Heimath zurückkehrte, um andern, nicht minder ruhmgekrönten Zielen entgegenzueilen. So sehen wir ihn wieder in Gumbinnen wirken, immer Derselbe und doch voll neuer Pläne, voll Werdelust und Thatendurst sich der neuen Zeit entgegenstreckend, um die Wiederverjüngung, die große Reform des preußischen Staates, und wo möglich ganz Deutschlands herbeiführen zu helfen.
Im Jahre 1816 begann Herr von Schön seine Thätigkeit „bei der Regierung zu Danzig“ als Oberpräsident von Westpreußen; 1823 („nach erfolgter Vereinigung West- und Ostpreußens zu einer Provinz“) als „Oberpräsident von ganz Preußen.“ Herr von Schön hatte von jetzt ab seinen Sitz zu Königsberg, und diese Zeit seiner amtlichen Thätigleit als Oberpräsident über die Provinz Preußen war die ununterbrochene, reiche Aussaat eines Segens, dessen Früchte wir alle jetzt genießen.
Die „edelste Uneigennützigkeit“ war der Grundzug, der durch die ganze Verwaltung des ausgezeichneten Mannes ging. Die Art, wie Herr von Schön die „Kriegsentschädigungsgelder vertheilte und verwendete,“ nimmt schon allein die höchste Anerkennung der Mit- und Nachwelt in Anspruch. Herr von Schön „hob das landschaftliche Creditsystem“ Ostpreußens. Er gab der Industrie einen ganz neuen Umschwung, erweiterte ihr Gebiet, munterte die Interessenten auf. Hier ist besonders der Verbesserung der Schafzucht zu erwähnen, hier des in Angriff genommene Chausseebaues, der jetzt seiner Vollendung nach allen Seiten hin mit starken Schritten sich nähert. Herr von Schön rief eine Reform „der bäuerlichen Verhältnisse“ hervor, desgleichen eine des „Volksschulwesens;“ „Lehrerseminarien“ wurden gegründet. Ein so nie rastender, stets Neues ersinnender Menschenfreund, dabei auch für sich, und doch zum Wohle Anderer, stets neuen Studien obliegend, mußte weit über seine Provinz hinausdenken und walten, mußte seinen alten Lieblings-Plan, die Reform auch des Staats zu einem alle Stände durchdringenden Gesammtleben, unablässig im Auge haben.
Auf die Nothwendigkeit allgemeiner Ständevertretung hat wohl Niemand kräftiger, bündiger, erfolgreicher hingewiesen als Herr von Schön. Hier ist denn auch seiner Schrift, „Woher und Wohin?“ rühmlichst zu gedenken. Wie klein ihrem äußeren Umfange nach diese Schrift ist, so ist sie hervorgegangen aus dem tiefsten Grunde des Nachdenkens über den Staat, sie hat sein Wohl bis in die fernste Zukunft hin zum Ziele. Inhaltreich, gedrungen, befruchtend, Ursache (Mittel) und Zweck bestimmt angebend, dem Ohre sich markirend, wie der Titel schon ist, also ist jeder Satz, jedes Wort; ein Styl, der keinen Ausdruck, geschweige den einen Gedanken verschwendet, und jenes Römisch-Cäsarische: „Kommen, Sehen und Siegen“ zum Schlüssel seiner Tonart hat. – Wir sehen denn auch einen solchen Staatsmann im großartigsten und zugleich solidesten Sinn des Wortes nach Berlin zur „Mitberathung im Staatsrathe“ berufen.
Die wahre Weisheit – und wir wissen bereits, Herr von Schön war stets um Weisheit bemüht, und wußte seine Philosophie stets im Erwirken für Andere, im Entsagen für sich zu bewähren – die wahre Weisheit aber besteht in der seltenen Kunst, zur rechten Zeit anzufangen, zeitgemäß fortzufahren, jedoch auch zur rechten Zeit aufzuhören. Auch der Weise und der Staatsmann, nicht blos der Künstler, sollten den Ausspruch des Dichters immerdar beachten und ausüben: „an der Beschränkung erkennt man den Meister.“ Herr von Schön beobachtete dieses, indem er um seinen Abschied einkam. Ein „neuer Beweis seiner Uneigennützigkeit, da ihm ein Jahr später sein voller Gehalt als Pension zu Theil geworden sein würde.“ – Es wurde ihm dieser Abschied durch „Cabinetsordre vom 3. Juni 1842 bewilligt,“ mit dem „Titel eines Burggrafen von Marienburg wegen „„des ausgezeichneten Verdienstes, welches er sich nebst diesen andern im Laufe seiner Dienstzeit auch um die Erhaltung des Schlosses zu Marienburg insbesondere erworben, und des Feuers einer schönen Begeisterung, das er damals für die Wiederherstellung dieses edlen Denkmals einer großen Vergangenheit zuerst entzündet und fortdauernd genährt hat.““
Aber – der Schüler Kant’s, der Miterwecker seines Vaterlandes, der Verfasser von „Woher und Wohin“, der warme Verehrer einer gesunden Religion, der Wissenschaften und Künste, der Freund einer höheren Geselligkeit, der sich auch als Oberpräsident zu Königsberg [ungeachtet Geschäfte auf Geschäfte nach außen drängten, die alle gründlichst und pünktlich vollzogen wurden] stets mit den Vertretern der Intelligenz, mit den hervorragenden Geistern der Stadt umgab, er konnte unmöglich sein Amt niederlegen wollen, um sich der Ruhe und der Einsamkeit zu überlassen. Wir werden im Folgenden anzudeuten uns bemühen, wie geistesfrisch und arbeitsam, wie abwechselnd zwischen Zurückgezogenheit und Umgang auch der Lebensabend des außerordentlichen Mannes ist. Jener
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: gemeint
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_397.jpg&oldid=- (Version vom 23.6.2023)