Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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b) Das ausgeflossene Blut, wenn es nicht sofort aus dem Körper entfernt wird, scheidet sich gewöhnlich (wie das aufgefangene Blut beim Aderlasse) in einen festen und einen flüssigen Theil, es gerinnt (sein Faserstoff wird fest), doch bleibt es bisweilen auch flüssig. Im letzteren Falle werden nach Auflösung der Blutkörperchen die Blutbestandtheile allmälig aufgesogen und wieder in den Blutstrom geschafft. Die Blutfarbe bleibt dabei nicht selten zurück und färbt die Stelle der Blutung entweder bleibend oder eine Zeit lang bald schwärzlich oder grünlich, bald bräunlich oder gelblich, so daß sich dann später entweder gar keine Spur mehr von der Blutung oder nur eine gefärbte Stelle zeigt. Gerann aber der Faserstoff des ausgeflossenen Blutes, dann können die Folgen sehr verschiedene, mehr oder weniger heilsame sein. Jetzt ist es nämlich möglich, daß das Faserstoffgerinsel sich in ein neues Gewebe, in weicheres oder härteres Fasergewebe verwandelt, welches zeitlebens dort, wo es entstand, bleibt, gewöhnlich ohne weitere Beschwerden zu machen, und welches sehr oft den Blutfarbstoff in verschiedener Färbung (roth, gelb, braun, schwarz) in sich zurückhält. Auf diese Art findet sich später da, wo die Blutung stattfand, eine härtliche nicht selten gefärbte Stelle. - Auch kann es geschehen, daß das geronnene Blut zu einer dunklen, harten, sogar kalkigen Masse eintrocknet, und dann nicht mehr entfernt wird. – In andern Fällen erweicht das Faserstoffgerinsel zu einer dicklichen, eiterähnlichen Flüssigkeit, die durch Fäulniß in eine ätzende, zerstörende Jauche umgewandelt werden und so zur Verschwärung Veranlassung geben kann. Auf diese Weise entsteht bisweilen da, wo Blut austrat, eine eiternde, geschwürige Stelle, die aber, wie später gezeigt werden wird, durch die Natur ebenso geheilt werden kann. Hiernach kann es also bei Blutungen kommen: zur vollständigen Aufsaugung des Blutes, zur Bildung härtlicher Stellen durch Eintrocknung oder Fasergewebsbildung, zur Vereiterung oder Verschwärung. In der Regel sind die letzteren Folgezustände gefahrlos, und ihre Heilung wird durch die Natur besorgt (s. Schlagfluß in Nr. 19 der Gartenlaube).
Die Natur kann nun in ihrer Heilung der Blutungen in Etwas unterstützt werden, abgesehen natürlich von chirurgischer Hülfe (Compression, Unterbindung) bei Blutungen aus größeren und zugänglichen Blutgefäßen, und von Anwendung der Kälte unmittelbar auf die blutende Stelle (z. B. Eis bei Magenblutung u. s. w.). Diese Unterstützung geschieht aber am besten durch große Ruhe und horizontale Lage des ganzen Körpers, besonders aber des blutenden Theiles, und durch Verminderung der Blutzufuhr zur Stelle der Blutung durch Herabsetzung der Herzthätigkeit. Den letztern Zweck erreicht der allopathische Arzt durch Darreichen narkotischer Arzneistoffe, besonders des rothen Fingerhutes, während der Homöopath dies durch sein Nichts nicht ermöglichen kann. Nach starkem Blutverluste muß durch leicht verdauliche, nahrhafte Kost das verloren gegangene Blut wieder ersetzt werden. Die Diät bei Blutungen darf ja nicht eine reizende sein, sondern muß in kühlen, milden, leicht verdaulichen Speisen und Getränken bestehen. Alles, was das Herz stärker klopfen machen könnte (wie Kaffee, Thee, Spirituosa u. s. f.), ist ängstlich zu vermeiden. Die Luft im Zimmer muß mehr kühl als warm sein.
Unter den mehr als hundert Lungen, durch welche das größte aller Städte-Ungeheuer London Athem holt, den grünen Parks und „Squares“ ist der Hyde-Park der größte, sonnigste und populärste. Im Westende zwischen den vornehmsten Stadttheilen gelegen, ist Hyde-Park während der Season, der Parlamentszeit, die allen hohen Adel des Landes mit Familie in London concentrirt, alle Tage der Tummelplatz von Tausenden fahrender und reitender Damen und Herren, die hier Luft schöpfen und sich auf dem Pferde und im Wagen Motion machen lassen, damit ihnen um sechs Uhr das schwere Mittagsbrot schmecke. Links hinauf zieht sich eine gute halbe Stunde lang die große Lustreitbahn (Rotten Row), in welcher sich zwischen vier und sechs Uhr die schwarzen, einförmigen Amazonen tausendweise corsoartig unter Bäumen und zwischen Eisenspalieren auf- und abtummeln. Rechts weiter drüben zieht sich um den langen kleinen See (die Serpentine) ein Fahrweg mit besondern eisernen Spalieren für Fußgänger bis hinein in die schattigen Kensington-Gardens. Hüben und drüben über den lustigen Wasserspiegel hinweg, auf welchen kleine und große Kinder ihre kleinen bewimpelten Schiffe kreuzen lassen, winken uns bunte Massen von Fuß- und Wagencorso’s an. Sonntags werden diese Corso’s natürlich dichter als in der Woche, da sich außer den „Damen“ und „Vermittlerinnen“ für die Aristokratie auch bürgerliche Familien, besonders reiche Käsekrämer und Bierschenker (die nach dem Sonntagsfreudenbeschränkungsgesetze vom vorigen Jahre bis 6 Uhr Abends schließen müssen), unter die Aristokratie mit gepuderten Dienern mischen.
Das sind die nöthigsten Striche zu einen Vorstellung vom Hyde-Parke, der 1851 so friedlich, kosmopolitisch bekannt ward und jetzt drei Sonntage hinter einander sah, welche auch dem englischen, constitutionellen Rechtsboden ein Loch beibrachten und den Landesfrieden ernstlich gefährdeten. Es ist vielleicht die Krim-Krisis in einer heimischen Form, so wenig auch die nächste Veranlassung zu den Sonntags-Unruhen im Hyde-Park damit im Zusammenhange zu stehen scheint.
Der englische Sonntag war auch schon vor der Bierbeschränkung als der traurigste, farbloseste, polizeibeschränkteste in der ganzen Christenheit berüchtigt und beliebt, je nach der kirchlichen Richtung. Während auf dem Continente selbst die „nackteste Reaction“ dem Volke seinen Sonntag gelassen, und man in Paris sogar unter Napoleon III. des Erholungstages froh werden kann, und der berliner Thiergarten ebenso wenig durch die Polizei gelitten hat (im Gegentheil darf man jetzt darin „rauchen“), als der wiener Wurstel-Prater, fiel es den englischen Wächtern der Freiheit voriges Jahr ein, dem musik- und tanzlosen Sonntage auch noch die Bierhäuser mehrere Stunden des Tages, und um zehn Uhr Abends, wenn die meisten Familien von weiten Ausflügen in die leere, dunstige Straße und Stube erschöpft zurückkehren, durch eine listig durch’s Parlament geschmuggelte Bill zu schließen. Die Aufregung und Erbitterung darüber war groß, aber Demonstrationen dagegen verschwammen in dem ausbrechenden Kriegsgeschrei. Vergessen freilich konnte man nicht, woran der Arbeiter jeden Sonntag erinnert ward, wenn er die ihm spärlich zugemessene Erholung Abends durch einen kühlen Trunk beschließen wollte, während es den Reichen und Standespersonen, die alle ihre „Klubs“ haben, unverwehrt blieb, sich zu jeder Tages- und Mahlzeit, auch den ganzen Tag des Herrn hindurch mit Speise und Trank zu laben.
Bekanntlich rief nun neuerdings die beispiellose Liederlichkeit und Verwirrung in Führung des Kriegs (dem Privilegium der „regierenden Klassen“) eine tiefe und allgemeine Erbitterung gegen den Adel und die Reichen, gegen das ganze Parlament, hervor. So hieß es Oel in’s Feuer gießen, als der edle Lord Robert Grosvenor im Unterhause auf Schließung alles Verkehrs an Sonntagen antrug, und das Unterhaus diesen Antrag in zwei Lesungen mit ziemlicher Majorität annahm. Schon war die dritte Lesung angesagt, nach welcher der Antrag Gesetz geworden wäre, als sich den Sonntag vorher plötzlich eine Demonstration dagegen im Hyde-Park entfaltete, die allgemeines Erstaunen erregte, so friedlich sie auch dieses erste Mal noch verlief. Man erstaunt über völlig Unerwartetes. Noch kurz vorher hatten die Zeitungen dem Volke eine freiwillige Servilität von Geburt und Geld und Niederträchtigkeit der Gesinnung vorgeworfen. Die bittere, freche Verhöhnung, welche der Adel plötzlich an diesem Sonntage erfuhr, die scharfen Kritiken, die ihm, Nase dicht gegen Nase, in’s Gesicht geschleudert wurden, zuckten wie ein panischer Schrecken durch die „obersten zehn Tausend,“ die England regieren und alle Macht und alles Geld der dreißig Millionen Engländer zu Hause und in den funfzig Kolonien in ihrer Gewalt haben.
Am 23. Juni, Sonnabends Abends, hieß es, man wolle morgen Nachmittag im Hyde-Park ein großes Meeting halten, berufen von dem alten Chartisten-Chef Robert Jones. Er blieb von den niedergeschlagenen Anführern der Chartisten-Demonstration vom 8. April 1848 fast allein bis hierher übrig. Die Chartisten wollten eine „Charte,“ erweitertes Wahlrecht u. s. w., wurden aber damals von Tausenden freiwilliger Special-Constabler (unter ihnen der jetzige
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_387.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)