Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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der erlösende Tod auf sie herabgestiegen, liegen geblieben war. Aus unzähligen Gräbern hatte der Regen die obersten Schichten herausgewaschen, so daß sie grimmig aus Gras und Blumen in die Höhe drohten, wie um gegen ihren Tod, ihr Begräbniß und diese Kriegsführung die Rache des Himmels herabzurufen.
Trommeln und Pfeifen und unsere Sporen trieben uns und die Pferde in voller Lebenskraft durch die Ueppigkeit des Todes und des auferstandenen Frühlings, heute noch Kinder des letzteren, um vielleicht schon morgen verstümmelt und todt unter dessen Blumen zu versinken.
Am 22. und 23. Mai hatten etwa 5000 Franzosen mit Verlust von 1700 Mann Minen gesprengt und Schanzen genommen und bei Verfolgung der fliehenden Russen Hunderte und aber Hunderte bayonnettirt, da kein Pardon erbeten und gegeben ward. Von allen den Mann gegen Mann mit Bayonnet und Säbel Fechtenden war immer wenigstens je Einer gefallen, so daß die stumpfen Winkel der einzelnen Schanzreihen und der ganze Weg bis nach dem Redan hin der aufgehenden Sonne ein unabsehbares Labyrinth von zerstochenen, zerhackten und zerschossenen[WS 1] Leichen bot. Man hatte natürlich, wie immer bei solchen Gelegenheiten, vom Abend bis zum Morgen gefochten.
Nach diesem entsetzlich theuer erkauften Siege, für welchen General Pelissier bereits 10,000 Mann zu opfern bereits gewesen war, glaubte man das gehörige Fundament für die Erstürmung der Mamelon-Höhen gewonnen zu haben. Der Mamelon ist ein rauher, unregelmäßiger Steinhügel, dem Malakoff- oder weißem Thurme gegenüber, unten etwa von einer und oben von einer Viertel englischen Meile im Umfange und beinahe 100 Fuß höher als das Plateau des Malakoffthurmes. Tiefe Schluchten mit Wasser und Steinen gefüllt, Schanzen in verschiedenen Winkeln und schroffe, kantige, rauhe Abhänge umschützen ihn. Von Oben drohen schwere Kanonen und tausende kleinerer, Tod speiender Feuerschlünde. Es galt also eine der kühnsten, blutigsten Kriegsthaten, auf die Pelissier ununterbrochen bis zum 7. Juni vorbereiten ließ. Nachmittags brach die siebente Division zu diesem Werke auf, die zweite unter General Carnot bildete den vordersten Posten. Etwa 700 Yards vor dem Fuße des Berges in der Karabelnaja-Schlucht sammelten sich die Truppen und wurden hier von General Bosquet militärisch eingeweiht. Ein Bataillon des algierischen Regiments, in Columnen von Subdivisionen, mit scharlachrothen Fez, blauen offenen Jacken mit gelbem Besatz, weithosig bis an die Kniee, wo gelbe Lederbänder die weißen Gamaschen hielten, mit bloßen Hälsen, braun und zum Theil ganz schwarz von Gesicht, aus deren schwarzen Bärten die Augen schreckhaft weiß hervorblitzen, diese malerische, wilde Sorte von Halbbarbaren bildet stolz und mit elastischem Schritt die vorderste Spitze des gewaltigen Zuges. Das Zuavenregiment mit robusten Leibern und furchtbaren Bartwäldern contrastirt eben so malerisch zu den kleinen, magern, elastischen Chasseurs à Pied.
Man denke sich 12,000 Mann der verschiedensten Truppengattungen in eine weite, öde, mürrische Schlucht hinein, angedroht von dem fürchterlichen Mamelon, mürrisch angestaunt von öden, dahin gestreckten Höhen, diese auf das Bunteste belebt von rothröckigen Engländern und blitzenden Offizieren und Gläsern, Jubelgeschrei von allen Ecken und Enden, stürmisch und in allen Tonarten erwiedert von den unabsehbaren dichten, geschlossenen Reihen der Franzosen – und man wird sich ein schwaches Bild der Scene ausmalen können. Nun füge man Omer Pascha mit 15,000 gelben Türken und braunen Aegyptern auf der Inkerman-Seite hinzu, um einen Ausfall der Russen aus den Thälern zu verhüten, Pelissier und Canrobert mit einem glänzenden Gefolge von Stabsoffizieren und Adjutanten auf einer Höhe der Victoria-Redoute, Lord Raglan mit seinem Stabe auf einer andern Anhöhe, von wo aus man die Stelle, wo die Engländer angreifen sollten, gar nicht sehen konnte, und ein paar Tausend Engländer unten, so hat man die großen Figuren dieses Sturmes alle beisammuen.
Vier mächtige Raketen, die 61/2 Uhr in den Himmel hinaufzischten, gaben das Zeichen zum Angriffe. Von allen Seiten drängten die Truppen heran und flogen mehr über die untern russischen Schanzen, als sie kletterten, ohne auf besondern Widerstand der Russen zu stoßen. Auch als sie massenweise die steilen Höhen hinaufklimmten, wurden ihnen blos wenige Schüsse von den Parapeten
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage:zerschossenenen
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_357.jpg&oldid=- (Version vom 20.6.2023)