Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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draußen, und in reiner Luft wird nun reinere und humanere Gerechtigkeit gesprochen.
Dr. Stenhouse zeigte dann mehrere Arten seiner Holzkohlenluftfiltrirbeutel für einzelne Nasen und Lungen, Respirators.
Die gewöhnlichen Respiratoren von Draht geben in höchster Vollendung nur warme Luft, reinigen sie aber nicht, die Kohlenrespirators, beiläufig blos ein Drittel des Preises kostend, reinigen und wärmen die eingeathmete Luft zugleich. Auch sprach er sich gegen eine Patentirung seiner Erfindungen aus: er wolle die Preise von simpeln Mitteln zum Schutze gegen Krankheiten und Lungengifte aller Art nicht vertheuern, eine Erklärung, die mit großen Beifallsäußerungen aufgenommen ward. Er machte besonders auf den wohlthätigen Gebrauch dieser Respiratoren für Aerzte und Krankenwärter in Hospitälern und bei ansteckenden Seuchen aufmerksam, für alle Personen, die in Aquaducten, Cloaken, Minen u. s. w., in Industrien zu thun haben, die lungenverderbliche Gase absetzen. Dabei gab er wieder von der Krim-Regierungsweisheit ein hübsches Beispiel. Sein Freund, Dr. Sutherland, sei nach dem Hospitale zu Scutari abgegangen und habe die Regierung um fünfhundert solche Respirators gebeten, von den verschiedenen Departements aber einzeln dieselbe Antwort erhalten, daß die Pflicht, Respirators zu besorgen, nicht zu diesem Departement gehöre, also Summa Summarum zu keinem. Die Regierung wird auch die letzte Instanz sein, welche sich dazu versteht, reine Luft zu athmen oder sie wohl gar für Andere zu besorgen.
Für überfüllte Hospitäler, Auswanderungsschiffe, enge, überfüllte Straßen in London und andern großen Städten, feuchte und ungesunde Gegenden überhaupt werde der Holzkohlen-Respirator ein wahrer Heiland werden. Und so hoffe er schließlich, daß die Zeit nicht mehr fern sei, wenn auch die empfindlichste und schwächste Person ohne Nachtheil für die Gesundheit das Bett des an bösartigen Krankheiten Leidenden besuchen, Jeder ohne Nachtheil durch die giftigsten Sümpfe und die tödlichsten Klimate der Erde wandern und Jeder seine kostbare Lunge vor den Billionen Feinden, die überall gegen sie umher schwärmen, verassecuriren werde. Vorläufig kann Jeder seine Wohnung dadurch um Hunderte von Procenten verbessern, daß er eine Fensterscheibe einschlägt und sie nicht vom Glaser, sondern vom Drahtflechter wieder ganz machen läßt und zwischen zwei Scheiben von Drahtgaze Kohlen schüttet. Hält er dann die übrigen Zugänge der Luft ziemlich verschlossen, so daß alle Luft durch die Kohlen marschiren muß, ist er der Reinheit seiner Atmosphäre um so sicherer, vorausgesetzt, daß für gehörigen Abgang der schon zum Athmen verbrauchten, des Sauerstoffs beraubten und mit Kohlensäure u. s. w. versehenen Luft gesorgt wird, wofür in England das stets im offenen Kamine brennende Feuer der beste Ausfeger ist.
Nach dem Schlusse des Vortrages drängte ich mich etwas nach dem Centrum, um mir die Helden Faraday, Tyndall u. s. w. näher anzusehen und den ersteren zu fragen, was die großen Kohlenbecken eigentlich enthielten.
„Das eine ist das Grab eines großen Katers,“ sagte er, „in dem daneben schlummern einige Ratten, ohne sich vor ihrem Nachbar zu fürchten. Der Tod versöhnt selbst diese bittern Feinde.“
Ich habe hier als Laie nach einem einmal gehörten Vortrage berichtet. Die Sache ist aber so interessant und so wichtig für die große menschheitliche Grundbedingung des Wohlseins, daß ich die Herren Sachverständigen, die an diesem Organe mitarbeiten, bitte, sie aufzunehmen, sie bestimmter zu erklären und der Menschheit mundrecht zu machen. Das Beste, Nützlichste, Einfachste, Wichtigste, Notwendigste, Wohltätigste muß man immer noch sehr oft erklären und empfehlen, in sofern es neu ist, denn der Mensch hat im Allgemeinen eine wunderbare Ausdauer und einen unüberwindlichen Heldenmuth, sich gegen Alles zu wehren, was sich ihm als Wohlthat bietet, falls diese Wohlthat das Unglück hat, sich als früher noch nicht dagewesen darzustellen, als junger Anfänger, als paßloser, polizeilich nicht approbirter, von der Großmutter nicht geerbter, vor des deutschen Bundes schützenden Privilegien nicht decorirter Fremder aus dem fabelhaften Lande der Wissenschaft. Man filtrirt in ehrwürdiger Erbweisheit den Kaffee, um ihm die beste Blume zu nehmen und ihn zu verderben, aber ehe sich der Mensch einen Filtrirbeutel in’s Fenster macht oder wohl gar vor die Nase bindet, um sich die Luft, die er athmet und von der er ganz wesentlich lebt, zu filtriren und sich so eine wesentliche Lebensversicherungsanstalt in die Physiognomie zu stecken, ehe er das thut, stirbt er lieber, obgleich er hinterher aus reiner Faulheit und Gedächtnißschwäche vergißt, wieder aufzustehen und es mit einem filtrirten Leben zu versuchen. Daß der Mensch blos einmal stirbt, ist auch eine bloße alte, schlechte Angewöhnung. Wenn die Leute todt sind, denken sie, sie mußten die Mode auch mitmachen und todt bleiben, so langweilig dies auch sein muß. In der That stirbt der Mensch gar nicht, sondern fängt sofort, nachdem der Doctor den Todtenschein geschrieben, in allen möglichen Richtungen und Geschäftszweigen der Natur erlaubte und unerlaubte Gewerbe an, nur daß er der alten Mode wegen die Leute immer in dem Glauben läßt, er sei todt. Vielleicht weiß er’s auch nicht besser, aber Factum ist, daß die meisten Menschen, wenn sie todt sind, sich mehr Freiheit nehmen, sich mehr Theilnahme am Leben erlauben als vorher. Namentlich machen sie viel in Luft und Gas und mehr, als den Leuten von Fleisch und Blut gut ist. Letztere bedürfen daher der Respiratoren, damit erstere uns mit ihren Produkten nicht übermäßig versorgen.
Der Kampf vor Sebastopol.
Das Drama auf der Halbinsel ruft in seinem blutigen Wechsel immer neue Darstellungen der Scenen und Situationen hervor, die geeignet sind, uns ein möglichst klares Bild der dortigen Ereignisse zu geben.
Wir nehmen bei der heutigen Abbildung einen Standpunkt ein, wie er bis jetzt noch von keinem Berichterstatter gewählt, von keinem Blatte bildlich dargestellt worden ist, im Fort Konstantin selbst, von dessen Krone man die kleine Scholle Erde überblickt, um deren Besitz sich jetzt Franzosen, Engländer, Russen, Türken, Sardinier, Aegypter, Polen, Griechen, Araber und Tscherkessen schlagen. Die Zeichnung ward während eines der Bombardements der Flotte aufgenommen und dürfte unsern Lesern wegen ihrer Uebersichtlichkeit sehr willkommen sein. Von hier aus finden wir leicht das Terrain der Angriffsobjekte, die in den letzten Tagen von den Alliirten in den eisernen Gürtel gezogen worden sind, der sich enger und enger um die Seefeste schließt. Wir haben kaum nöthig, den Blick des Lesers auf die hervorragendsten Parthien unseres Bildes zu lenken, die mit Hülfe der beigegebenen Noten schnell gefunden werden können, und wir beschränken uns daher nur auf die Bemerkung, daß die am 6. und 7. erstürmten Verschanzungen der Belagerten theils seitwärts, theils hinter dem Malakoffthurm (Nr. 16 und 19) gelegen sind, deren Besitz die Alliirten in den Stand gesetzt hat, die bedeutenderen Befestigungen des Malakoffthurms etc. jetzt mit aller Energie und leichter als zuvor anzugreifen. Die Erstürmung dieses Thurmes würde eine Wendung in dem Riesenkampfe herbeiführen, die über das Schicksal der im Hafen ankernden russischen Flotte und der Stadt Sebastopol selbst, besonders aber über die zu ihren Füßen sich befindenden Zeughaus und Pulvermagazine entscheidend wäre, denn jetzt schon, nach Erstürmung des grünen Mamelon ist, wie alle Nachrichten übereinstimmen, die russische Flotte sehr gefährdet und kann jeden Augenblick durch die Geschütze der Alliirten vernichtet werden, wenn nicht, wie zu vermuthen steht, die Russen es vorziehen, dieses Zerstörungswerk selbst zu verrichten. Nach den neuesten Nachrichten sind bereits die Schiffe aus dem Kriegshafen entfernt. Aber selbst im Besitz des so sehr gefürchteten Malakoffthurmes
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_317.jpg&oldid=- (Version vom 12.6.2023)