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Seite:Die Gartenlaube (1855) 315.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

auch oft zur qualvollsten Strafe. So nahm z. B. der vorige Kaiser einem armen Lieutenant seine Geliebte weg und entschädigte ihn durch einen weißen Elephanten. Der Beschenkte war nun staats- und religionsverpflichtet, das furchtbare Thier mit den mächtigen Verdauungs-Apparaten standesgemäß einzumiethen und zu füttern, obgleich die in aller Welt schmale Lieutenants-Gage kaum für seinen eigenen Magen hinreichte. Zwar gab er seine meublirte Stube auf und zog mit dem Elephanten zusammen, doch war noch immer an kein Auskommen zu denken. So magerte er ab in Hunger und Liebe, bis die treue Geliebte es möglich machte, die aufgedrungene Gunst des Herrschers zu fliehen, sehr werthvolle Kostbarkeiten „mitgehen zu heißen,“ den Unglücklichen im Elephantenstalle aufzusuchen und mit ihm in das Gebiet der englischen Herrschaft zu fliehen.

„Rangoon Chronicle“ giebt noch eine Abbildung des Staats-Wagens, in welchem der Kaiser bei officiellen Angelegenheiten vierzigspännig (mit expreß dazu gehaltenen Menschen) ausfährt. Vor und hinter dem Wagen folgen dann alle höchsten Staatsbeamte zu Fuße und eine Menge Cavallerie. Der Wagen beteht aus einer ungeheuer hohen Pyramide, überall massiv vergoldet und von einem sammetnen Regenschirm überspannt. Auf dem Wagen selbst stehen vorn und hinten Kammerherren mit ungeheuern Sonnenschirmen. Die Hof- und Offizier-Costüme gehören zu den prächtigsten in der Welt: Kopfbedeckungen von blauem Sammet mit Gold und eigenthümlicher Form mit hervorstehenden, symbolischen Decorationen, und in Roben von Seide mit der kostbarsten Stickerei und Verzierung. Auch die Fußverzierungen und Schnabelschuhe (ein Monopol der höchsten Beamten, das Volk hat Monopole auf Lumpen und Barfußigkeit) sind so kostbar, daß man mit einem einzigen Paar eine halbe Bude kalauer Stiefeln würde kaufen können.

Da aber in allem diesem Prunke kein lebenskräftiger Inhalt steckt, wird er überall in Asien, wo sich europäische Civilisation mit ihren Erfindungen und Fleiße angesiedelt hat und immer weiter eindringt, allmälig verschwinden und verfallen, wie in Birmanien und Indien und China umher zahllose Tempel des Foh und des noch trägeren, sinnlos und sinnlich faullenzenden Buddah zu Ruinen verbröckeln, zu Höhlen von Raubthieren, oder wie in China von dem eingeschmuggelten abendländischen Geiste revolutionär zerstört oder in Hospitäler, Schulen, Kasernen und Waarenhäuser verwandelt werden.

Die halbbarbarischen Völker Asiens machen jetzt alle eine Krisis durch, aus der die Geschichte etwas herausprocessiren wird. Orgoni ist der Omer Pascha Birmaniens. Er soll das Land vertheidigen und die Herrlichkeit des Reichs wieder herstellen, aber im Kampfe mit civilisirten Feinden wird diese Herrlichkeit vollends ab- und aufgerieben. Ueberall haben sich schon Repräsentanten des civilisirten Westens in Asien Macht und Einfluß verschafft. Die russische Macht wird wesentlich von Deutschen zu einem Ziele geführt, das vielleicht noch Niemand ahnt. Ein deutscher Missionär säete die Revolution in China. Orgoni, der Franzose, führt die Truppen in Birmanien. Franzosen commandiren die Armeen Persiens. Ostindien ist Englisch. Ein Preuße und ein Engländer vertheidigen Silistria. Ein Engländer, Polen und Ungarn herrschen in der asiatisch-türkischen Armee. Engländer commandiren die Dampfschiffe des Sultans. Die bloße Thatsache, daß Fremde in jenen exclusiven Reichen Staatsämter bekleiden, ist Beweis genug, daß sie sich der Civilisation geöffnet haben und nicht mehr fähig sind, ihre barbarische Selbstständigkeit und feindseligen „Nationalitäten“ gegen die Menschheit verbindende und rund um die Erde pulsirende Circulation der Kultur zu halten.




Die verschiedenen Methoden der Heilkunst.

Die Homöopathie.
Aufforderung an die Homöopathen.


Der leidenden Menschheit fehlt es nicht an allen möglichen Wegen, aus welchen man ihr die Wiederherstellung ihrer Gesundheit anbietet. Denn außer kurirenden Schäfern, Hufschmieden, alten Weibern, Apothekern, Buchhändlern, Thierärzten, Magnetiseurs und Elektrisirern giebt es eine allopathische, homöopathische und isopathische, hydropathische, dynamische, schroth’sche, rademacher’sche, sympathische, mystische und gymnastische Heilmethode (s. Gartenlaube Jahrg. I. S. 192). Alle stellen sich brüstend hin und rufen (oder lassen es durch Zeugnisse in den Zeitungen bekannt machen): „Unsere Kranken werden durch unsere Mittel gesund." Natürlich! Die günstigen Resultate (sagt Steudel ganz mit Recht), die meist die unverwüstliche Natur hervorbrachte, die aber die Heilkünstler immer nur sich selbst und ihren Mitteln zuschreiben, waren von jeher das Schlagwort für jeden Unsinn, der in der Geschichte der Medicin so reichlich zu finden ist. Jede Partei behauptet immer, ihre Vorgänger seien Narren und Mörder gewesen, und sie allein habe den wahren Stein des Weisen entdeckt und wisse die Kranken zu heilen. Wir kennen das! Und wenn es auch nur ein einziges Mal wahr gewesen wäre, die Welt müßte längst ausgestorben sein, da nach diesem Grundsatze alle Heilkünstler bis auf die neueste Zeit Giftmischer und Todtschläger gewesen wären. Da aber von jeher das Verhältniß der Genesenden und Sterbenden bei den verschiedenartigsten Behandlungsweisen unter den Kranken im großen Ganzen so ziemlich dasselbe blieb, so kann der denkende Mensch nicht anders, als annehmen, daß zu allen Zeiten die Genesung von ganz andern Ursachen abhängig war, als von den medicinischen Lehrsätzen und ihren sich stets widersprechenden Heilmitteln und Heilmethoden. Diese Ursachen finden sich aber im menschlichen Körper selbst vor und sind die von Natur ihm innwohnenden Gesetze, durch deren Kenntnisse wir uns vor Krankheiten zu schützen und beim Kranksein selbst zu helfen im Stande sind.

Die Homöopathie (s. Gartenlaube Jahrg, II. Nr. 24), welche die Naturheilkraft trügerisch und unzuverlässig nennt, behauptet, für eine große Anzahl der häufigsten Krankheiten bestimmte Heilmittel zu besitzen, die Jedem, der seine Sinne zu brauchen versteht und frei von vorgefaßten Meinungen ist, verständlich und zugänglich sind und ihn in den Stand setzen, in den meisten Erkrankungen sich selbst zu helfen. – Der Unterzeichnete, welcher hiermit gegen die Homöopathie in die Schranken tritt und die Leser der Gartenlaube zu unparteiischen Richtern in diesem Kampfe auffordert, erläßt zuvörderst den folgenden Aufruf:

An die Homöopathen des In- und Auslandes.

Obschon die medicinische Wissenschaft mit der homöopathischen Heilkunst und den homöopathischen Heilkünstlern längst im Klaren ist, so scheint dies doch nicht umgekehrt der Fall zu sein, wie aus den Worten des Hrn. Dr. Clotar Müller in Leipzig hervorgeht, welcher behauptet, daß die physiologische Medicin die personificirte Impotenz in der höchsten Potenz sei. – Der Unterzeichnete, ein eifriger Anhänger dieser Medicin (deren reeller Boden die Naturwissenschaften sind) und der ärgste Feind aller unnützen Quacksalberei und Charlatanerie (ebenso wohl der allopathischen, wie der hydropathischen, gymnastischen, radmacher’schen u. s. w.) fühlt sich nun verpflichtet, das homöopathische Heilverfahren einer öffentlichen Beleuchtung zu unterwerfen. Diese Verpflichtung fühlt er aber ja nicht etwa seiner wissenschaftlichen Stellung wegen, sondern nur deshalb, weil er seit einiger Zeit durch populär-medicinische Aufsätze und Vorträge das Volk über den menschlichen Körper, sowie die Erhaltung und Wiedererlangung der Gesundheit auf naturgemäße Weise, so weit es in seinen wissenschaftlichen Kräften steht, aufzuklären sucht. Es versteht sich von selbst, daß diese Beleuchtung nicht, wie es so oft schon geschah, in animose und persönliche Zänkerei ausarten, sondern in nüchternen, hoffentlich auch den Laien überzeugenden Versuchen und Beweisen bestehen wird.

Ehe der Unterzeichnete die scheinbar heilsame Wirkung homöopathischer Heilmittel in vielen Krankheitszuständen in das gehörige Licht setzt und auf den großen Schaden, welches das homöopathische Heilverfahren in manchen Krankheiten bringt, aufmerksam macht, will er zuvörderst festgestellt wissen, ob der oberste Grundsatz, auf welchen sich die ganze Homöopathie gründet, auch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_315.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2023)