Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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von einer schwarzsammetnen, barettmäßigen Reisemütze bedeckt. Die Züge des Gesichts, frei und edel in ihren Linien, ließen Seelenadel und Geist vermuthen. Zwei große, wie mir schien, in dunkler Bläue erstrahlende Augen, gaben dem Ganzen einen Ausdruck von Schwärmerei und Glück.
Nie, muß ich bekennen, werde ich diese Erscheinung vergessen, die mich beim ersten Blick für sich einnahm, und so mächtig anzog, daß ich ihr lange nachsah, und im Interesse über sie ganz versäumte, auch die Dame näher zu betrachten, die ihr zur Seite ging. Nur, daß sie ebenfalls hoch und schlank und etwas Junonisch-Majestätisches in ihrem Wesen hatte, gewahrte ich beim Nachschauen noch, das ein so emsiges und auffallendes war, daß der hinzutretende Doctor H…, es gewahrend, mir zurief:
„Kennen Sie denn diese Personen nicht? Das ist der Verfasser von „Nach der Natur“ mit seiner Frau, die er sich eben von Heidelberg her nach seiner schlesischen Heimath heimholt.“
„Wie, Hauenschild?“ rief ich. „Hauenschild war das?“
„Nun freilich,“ lautete die Antwort. „Eben der. Er wohnt im Hotel Belvedère und ich habe das Vergnügen, ihm alle Tage an der table d’hôte gegenüber zu sitzen, die er durch seinen Geist, seine Liebenswürdigkeit und heitere Laune entzückt. Seien sie morgen unser Gast und lernen Sie ihn kennen. Das ist ein Mann für Sie.“
Man kann sich denken, mit wie großem Vergnügen ich auf diesen Vorschlag einging, und um so mehr, wenn ich hier noch anführe, daß ich bereits von Rudolph Gottschall und dem bremer Verleger, Franz Schlodtmann, auf die Bekanntschaft im Voraus sehr gespannt gemacht war. Beide, der mitstrebende Dichter, wie der junge, damals sich wacker umthuende Buchhändler waren seines Lobes voll gewesen, und hatten mir nicht genug Gutes zu seinem Lobe mittheilen können. Das ist eine hinreißende, wahrhaft geniale Dichternatur, sagte man mir, eine lebensvoller, quellender Geist, dessen Sprudeln und Rauschen zu beobachten und zu folgen, ein seltener Genuß ist. Seine Unterhaltung, war mir von dem enthusiastischen Gottschall versichert worden, sei wie ein Strom, in dem alles Höchste und Kleinste der Erde mitsammt dem gesternten Firmament sich wiederspiegele. In seinen Worten, hieß es, baue sich kaleidoskopartig im ewigen Wechsel der Gedankenzusammenfügung und Auflösung eine ganze Welt vor der Seele des Hörenden auf. Und mit seinen Briefen, behauptete man, sei es etwas Aehnliches. Die Gedankenfülle, Länge und interessante Mannigfaltigkeit derselben war in einem gewissen Kreise meiner literarischen Bekanntschaft gleichsam sprüchwörtlich geworden. Ein Brief à la Hauenschild wurde jeder Brief genannt, den man als bedeutend anerkennen wollte.
Daß ich nun höchst begierig war, Hauenschild selbst kennen zu lernen, mit dem ich schon durch Andere längst in eine nahe, geistige Verbindung gesetzt worden, wird man ohne Zweifel begreiflich finden, und mir darum glauben, wenn ich hier gestehe, daß ich den Mittag des andern Tages kaum erwarten konnte. Endlich war er da und ich im Hotel Belvedère sogleich mit der Bitte bei Herrn Heuer, dem gefälligen und intelligenten Besitzer desselben, mich so recht in unmittelbarer Nähe Hauenschild’s placiren zu lassen.
„Aber mein Gott,“ sagte dieser, „wissen Sie denn nicht, daß er heut früh mit seiner jungen, schönen Frau nach Schlesien abgereist ist? Warum sind Sie nicht acht Tage früher gekommen? Nun werden Sie sich mit dem Nachhall seines Hierseins begnügen müssen, denn der ganze Tisch wird die Abwesenheit dieses schönen Paares vermissen, und seine Klagen darüber laut werden lassen.“
Ich war wie vom Donner gerührt, und begab mich in sehr gedrückter und verdrossener Stimmung auf meinen Platz, wurde aber am Ende doch noch froh, wenigstens eine Nachlese seines hamburger Aufenthaltes abhalten zu können. Es wurde fast die ganze Tischzeit über von nichts, als ihm und seiner Frau gesprochen. Und aus diesen Gesprächen der Tisch-Habitué’s erhellte deutlich und klar, daß mir meine Freunde nicht zu viel zu Hauenschild’s Lobe erzählt. Auch hier fielen alle Urtheile zu seinen Gunsten aus. Man rühmte die Lebendigkeit, die Fülle und den unnachahmlichen Reiz seiner Gespräche, seine Lust, sich mitzutheilen, die stete Geneigtheit, sich auf Alles und Jedes einzulassen und da begierig zu lernen, wo er nicht lehren konnte.
Ein junger Kaufmann, welcher an einem Exportgeschäft betheiligt war, zeigte sich ganz begeistert darüber, daß der Dichter, als er ihm eines Tages mit einem andern Kaufmanne die Chancen einer neuen Unternehmung erörtern hörte, ihn ersucht hatte, auch ihm einen Einblick in dieselben zu gönnen, im Falle er eine solche Neugier nicht für unbescheiden halte. Wir im Innern von Deutschland, hatte Hauenschild gesagt, haben nur so wenig Gelegenheit, dergleichen überseeische Spekulationen kennen zu lernen, daß ein Schriftsteller, der doch gar wohl in den Fall kommen kann, sie einmal berühren zu müssen, mit allem Eifer zugreifen muß, sich an geeigneter Stelle damit bekannt zu machen. Mit einem Kunstgärtner hatte er sich viel über Blumenzucht unterhalten, bei dem Besitzer des Hotels sich so genau nach dem Gange und Betriebe seines Geschäftes erkundigt, als ob er im Sinne hätte, selbst einen Gasthof anzulegen.
Ein solches Benehmen war bei Hauenschild, wie ich später oft Gelegenheit hatte, wahrzunehmen, keine Koketterie oder Liebedienerei, sondern ein wirkliches Interesse, das er für alle Dinge hatte, die er Menschen mit allem Ernst und Eifer betreiben sah. Nur die müßigen Liebhabereien waren ihm zuwider, und dagegen hat er sich immer ziemlich unbarmherzig erwiesen. Alles, was er selbst angriff, gewann auch nur zu bald eine Ansehen, das weit darüber hinausging, wie dies z. B. seine Vignettenzeichnerei beweist.
Hauenschild nämlich, der viel Sinn für Schönheit hatte, liebte es auch, die Bücher elegant eingebunden zu sehen. Unter dem 16. Juli 1852 schrieb er mir selbst:
„Ich habe eine Passion dafür, daß gute Bücher auch hübsche Bücher sind. Gottschall kann Ihnen sagen, daß alle meine Bücher luxuriös gebunden werden, und daß ich jährlich ein ganzes Kapital für den Buchbinder brauche. Wundern Sie sich also nicht darüber, daß ich mich so lebhaft für – Einbände interessire.
Um diese sauber, sinnig und artig werden zu lassen, beschäftigte er sich auf das Angelegentlichste damit, Umschlagvignetten für besondere Werke zu zeichnen, in welchem Kunstzweige ein gewisser R. Schubert in Berlin, auf Hauenschild’s besondere Anregung hin, neuerdings sehr Außerordentliches geleistet hat. Die sämmtlichen Umschlagvignetten im Campe’schen Verlage rühren von Hauenschild her, und mit welchem Eifer er sich daran zu schaffen machte, kann am Besten auch wieder eine Stelle des schon vorin citirten Briefes darlegen: „Außer diesen größern Arbeiten (der Jongleur, Umarbeitung der Cordula u. s. w.)“ schreibt er, „und einer Menge von kleineren kritischen Arbeiten, die nunmehr nicht länger warten dürfen, hab’ ich noch eine Menge Anderes vor, worüber ich Ihnen aber lieber ein anderes Mal schreibe. Auch mein Umschlagzeichnen kann ich nicht lassen, obgleich mir’s in Breslau schön damit ging. Wir saßen in Zedlitz-Hotel Abends zusammen, Emil Devrient, Gottschall, Karl Beck, Kurnik, Herr und Frau Moritz, Doctor Nimbs und noch einige Andere. Wir kamen auf Heine, auf den Romanzero und den Faust. Einer aus der Gesellschaft behauptete, das Tanzpoem könne schon des Umschlags wegen kein Glück machen. Ich wollte zwar keine Meidinger’sche Anekdote anführen, mußte aber endlich freiwillig meine Verfasserschaft eingestehen, da dem Zeichner Absichten zugemuthet wurden, an die er nicht denken konnte.“
„Es gab ein großes Gelächter. Aber denken Sie sich auch nur, wie die von mir angegebene Idee ausgeführt worden ist. Ich wollte haben, daß eine antike Venusstatue, ausdrücklich noch die kapitolinische, ruhend auf den Staubgefäßen einer Lilie, als der Blume der Reinheit, entgegengesetzt würde der Mephistophela, die emporwächst aus einer Passiflore, als der Blume des mittelalterlichen Christenthums. Der Hellenismus, dessen Schöpfung die Göttin der Schönheit ist, sollte gegenüberstehen der Ausgeburt des Leidenkultus, nämlich raffinirter Lüderlichkeit. So war denn auch der Tänzerin eine angemessene Stellung und eine prägnante Physiognomie zugedacht, während die Statue in aller makelfreien Reinheit des Marmors erscheinen mußte. Sie sehen, daß dieser Plan wohl mit dem Texte harmonirt. Statt dessen aber kehrte die Ironie des Schicksals in Gestalt eines Lithographen die Sache um: Mephistophela sieht noch anständig aus gegen die in ein nacktes, schiefbeiniges Frauenzimmer travestirte Capitolina. Die ganze Geschichte ist somit verunglückt, aber ohne meine Schuld. Zum Glück rettete später wenigstens R. Schubert meine Zeichnung für den Romanzero, die allerdings ohne Werth ist, durch seine Platte für die Miniaturausgabe. Es ist immer nicht angenehm, auch das Unbedeutendste, was man sauber auf das Papier gebracht hat, durch Ungeschicklichkeit verpfuschen zu sehen.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_304.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2023)