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Seite:Die Gartenlaube (1855) 301.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

und Hunderte von Menschen steigen auf und ab und leeren und füllen Körbe und Säcke und lassen so jeden Morgen des ganzen Jahres den Mai in neuer frischer Auflage erscheinen und nicht blos der Lenz mit Familie, sondern auch Sommer und Herbst und zwar so, daß die vornehmen Herrschaften immer in der Jahreszeit, wo gewisse Früchte unmöglich erscheinen, dieselben just ganz frisch auf ihren Tafeln, in silbernen und goldenen Schalen auftischen können.




Jagd- und Lebensbilder aus Amerika.
Nr. 4. Ein Kampf mit grauen Bären.

Der graue Bär (Ursus ferox) ist das furchtbarste von allen wilden Thieren, welche den Kontinent von Amerika bewohnen, selbst den Jaguar und den Trugar nicht ausgenommen. Besäße er die Schnelligkeit des Löwen oder Tigers der alten Welt, so würde er auch diese noch übertreffen, denn er ist so stark, wie der erstere und so grausam wie der letztere. Glücklicher Weise überholt ihn jedoch das Pferd, sonst würden ihm noch weit mehr Menschen zum Opfer fallen, als es geschieht. Auch die Büffel, Elenns und das Wild entrinnen ihm leicht, gelingt es ihm aber, sie zu überraschen, so sind sie unfehlbar seine Beute, denn er ist so stark, daß er den stärksten Büffel zur Erde zieht. Er ist so groß wie der Polarbär, dem er auch im Gliederbau am Meisten gleicht, nur hat er längere Ohren, seine Pfoten sind stärker und sein Aussehn ist wilder. Die meiste Kraft besitzt er in den Vorderklauen, die so groß sind, daß ihre Spur häufig 12″ lang und 8″ breit ist. Sein Gewicht beträgt durchschnittlich 500 Pfund. Sein Fell ist meistentheils bräunlich mit weißen Haaren vermischt, zuweilen aber auch ganz weiß oder gelblich-roth.

Man findet ihn in den Rocky Mountains an den Küsten des nördlichen Eismeeres entlang, durch den ganzen Kontinent bis dahin, wo der Rio Grande die Krümmung nach dem Golf von Mexico macht. In den vereinigten Staaten und Canada hat man ihn nie wild gesehen. Das ist indessen sehr natürlich. Sie sind durchweg bewaldet und der graue Bär liebt den Wald nicht, sondern hält sich lieber in öderen Gegenden unter niedrigem Gesträuch in der Nähe von Strömen aus, wo ihm das Wild zuläuft. Er klettert auch nicht, dazu sind seine kolossalen Klauen zu ungeschickt.

Er ist außerordentlich gefräßig und verschlingt Fisch, Fleisch und Geflügel mit gleicher Begier, und läßt sich nebenbei auch noch Frösche, Eidechsen und anderes Gewürm sowie Larven von Insekten gefallen. Ferner liebt er süße Beeren und ist im Stande, nach Rüben ganze Prärieäcker umzuwühlen. Häufig jagt er den Panther oder ein Rudel Wölfe von ihrer Beute, um sie sich anzueignen.

Die Jagd auf ihn bildet den Höhepunkt alter Jagdthaten in Amerika, und man hört daher natürlich auch allerlei Jagdgeschichten darüber. Für die Indianer ist das Erlegen eines grauen Bären eben so ruhmvoll, wie die Erbeutung eines menschlichen Scalps und sie ziehen zu einer solchen Jagd auch zu ganzen Stämmen aus.

Einer meiner Jagdfreunde wußte eine sehr lustige Geschichte zu erzählen, die ihm auf der Jagd mit einem grauen Bären begegnet war.

Er ging in der Prairie auf die Antilopenjagd und war eben im Begriff, ihnen schußgerecht nahe zu kommen, indem er eine rothe Wolldecke, die er mit sich führte, vor sich ausspreizte und dadurch die Aufmerksamkeit dieser ungemein neugierigen Thiere erregte, als er mit einem Male ein paar Schritt von sich entfernt einen grauen Bären erblickte. Diese Versuchung war zu stark für ihn und er sandte diesem eine Kugel aus der Büchse zu, welche er durch die Decke gesteckt hatte, in der er auch eine Oeffnung für sein Gesicht hatte. Der Bär war nicht hinreichend getroffen und brüllte daher nun wüthend auf und kam auf den frechen Schützen zugelaufen. Schon hielt sich dieser für verloren, als ihm einfiel, daß er einmal gesehen, wie die Spanier die wüthendsten Stiere durch Ueberwerfen eines rothen Tuches zum Stehen bringen. Er beschloß daher, das Gleiche zu thun und warf dem Bären, als er nahe genug war, die Decke solcher Gestalt über den Kopf, daß dieser durch die Oeffnung kam, und drückte sich dann schnell unter ihm weg, um nach einem Baum zu entfliehen, den er vorher in’s Auge gefaßt hatte. Erst nachdem er ein paar hundert Schritte gelaufen war, wagte er es, sich umzusehen. Da bot sich ihm ein urkomisches Schauspiel dar. Der Bär wollte ihm fortwährend folgen, konnte aber der Decke wegen nicht, und zerrte und zauste an dieser voller Wuth, ohne sie loswerden zu können. Als mein Freund dies sah, änderte er seinen Entschluß, lief rasch in das Lager zu seinen Gefährten und warf sich auf sein Pferd, um zu dem Bären zurückzueilen und ihm eine bessere Ladung zu ertheilen. Er fand ihn auch noch ziemlich auf derselben Stelle, aber jetzt hatte er die Wolldecke schon zu lauter Fetzen zerrissen, die ihm nachschleppten, wenn er sich bewegte. Er überholte ihn leicht und sandte ihm eine Kugel in’s Gehirn, die ihm den Garaus machte.

„So lustig ist die Geschichte nicht, die ich auf der Jagd mit grauen Bären erlebte,“ begann darauf ein Kapitain, der zu unserer Gesellschaft gehörte, „aber vielleicht ist sie nicht minder lebendig und interessant. Ihr wißt, ich habe einmal nebst einigen Gefährten eine Zeit lang mit Indianern gejagt. Auf dieser Parthie, in den Bergen von Santa Fé war es, wo mir mein Abenteuer aufstieß. In einem tiefen Thale, wo wir über Nacht unser Lager aufgeschlagen hatten, wurden wir vom Schnee überfallen und als wir des Morgens ausziehen wollten, sahen wir nichts als eine ungeheure Schneefläche vor uns. Auch die steilen, wohl 200 Fuß hohen Berge, welche das Thal einschlossen, waren ganz mit Schnee und Eis bedeckt. An ein Vorwärtsgehen war unter diesen Umständen nicht zu denken, wir mußten im Lager bleiben. Dieses war auf einem kleinen Plateau errichtet, das durch einige Fichten vor dem Winde geschützt war, die uns zugleich Brennmaterial lieferten. So weit befanden wir uns ganz wohl, aber bald gingen unsere Vorräthe aus und wir waren zwei, drei Tage lang ohne Nahrung. Männer und Frauen saßen in düsterer Verzweiflung um die Feuer und kauten an den Stückchen Leder, die sie noch auftreiben konnten, bis sie zuletzt die Sohlen ihrer Mocassins dazu nahmen. Es war ein trauriger Anblick. Wir Andern streiften ab und zu in der Nähe des Lagers umher, irgend etwas Eßbares zu entdecken, aber immer vergebens. Endlich sahen wir einen Indianer auf seine Kniee fallen, und hastig den Boden mit der Axt aufwühlen. „Was ist das?“ riefen fast Alle zugleich in seiner Nähe. „Yam-Yam! Yam-Yam!“ rief er freudig aus, indem er rastlos weiter hieb.

„Wahrhaftig, der Indianer hat Recht, es ist die Manna Wurzel,“ sagte der deutsche Doctor, der uns als Naturalist begleitete, indem er einige Blätter in die Höhe hob. – Auch ich erkannte diese als zu dem wunderbaren Conrolrulus, Iponea lentophylla gehörig, dessen Wurzel Manna-Wurzel heißt, weil sie ungefähr die Gestalt eines solchen hat.

Nach ein paar Minuten waren ein halbes Dutzend Leute damit beschäftigt, zu hacken.

„He,“ rief ihnen darauf der Doctor zu, „seid keine Narren! Das heißt blos Zeit verschwenden. Macht ein tüchtiges Feuer über der Stelle, dann bekommen wir die Wurzel gleich getrocknet. Das leuchtete Allen ein und es wurde ein mächtiges Feuer angezündet, um das sich Alle herumsetzten, um darüber zu kalkuliren, ob die Wurzel ausgewachsen und ein „fettes altes Thier“ sein werde

Da krachte es mit einem Male über unsern Köpfen, als wäre ein hohler Baum umgestürzt. Wir sahen auf und erblickten einen großen Gegenstand – ein Thier, das sich einen Weg bahnte und dann geradewegs auf die Klippe zulief und sich dann kopflings von dieser hinabstürzte. Es gab einen lauten Fall, aber schnell sprang das Thier auch wieder auf und stand auf allen Vieren. Es war ein Büffel und sämmtliche Jäger brachen in ein lautes Hurrah aus. Für einen Moment waren beide Parteien – die Jäger und der Büffel, gleich überrascht, und der letztere blickte uns ganz verwundert an, aber dies dauerte auch nur einen Augenblick, dann rannte er mit dem Horn gegen die Erde, wüthend vorwärts, um durch unsre Plattform zu brechen. Wir hatten aber auch schon unsre Büchsen ergriffen und sowie er durchbrach, krachten mehrere Schüsse und noch andere folgten ihm. Ein Blutstrom

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_301.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2023)