Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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fällt dann in seiner eigenen Schwere, welcher das Gesetz von der beschleunigten Geschwindigkeit beim Falle noch um mehr als 100 Centner Nachdruck hinzufügt, auf die glühende Masse herab. Jeder Schlag fällt mit einer Macht von 4500 bis 6000 Pfund. Sie folgen sich so schnell aufeinander, daß er des Sprüchwortes „man muß das Eisen schmieden, weil es warm ist“, sehr stark eingedenk zu sein scheint. Dabei fällt er blos von einer Höhe von etwa fünf Fuß, welche beliebig bis fünfzehn Fuß gesteigert werden kann. Beachtenswerth ist hier besonders die haarscharfe Genauigkeit und Feinheit des Schlages, welche man mit der spiegelblanken Stahlfläche des ungeheuern Eisenblockes in der Gewalt hat. Der Hammer haut auf Verlangen vierzig ungeheuere Eisenplatten mit wenig Schlägen in eine zusammen, aber er knackt auch eine Nuß auf, ohne den Kern im Geringsten zu beschädigen; er berührt in seinem Falle das Glas einer auf den Ambos gelegten feinen Cylinder-Damenuhr, ohne es zu zerbrechen. Beim Schmieden von Kanonen für 300-Pfünder muß er freilich einem dreimal mächtigeren Blocke weichen, der mit jedem Schlage die ganze Umgegend so erschüttert, daß man vier englische Meilen davon, ohne ihn zu hören, jeden Schlag in den Wellen eines Beckens oder Glases voll Wasser sehen kann. Als Nasmyth für ein Kriegsdampfschiff einen Kurbelschaft von 320 Centner Gewicht schmiedete, klirrten viele Meilen umher alle Fenster, und ein Freund von ihm behauptete, er könne ihm aus einem Schreiben, das er während der Zeit gerade angefertigt, genau sagen, wie viel Schläge er mit seinem Hammer getan. Jeder Schlag habe seine Feder aus der Bahn gestoßen.
Die Dampfmaschine, welche den Hammer schwingt, läßt sich in ihrem Detail, ohne in’s Technische zu gehen, nicht beschreiben. Es genügt, hier zu sagen, daß es der Dampfkolben ist, welcher dem ungeheuern Hammer gleichsam als Stiel und schwingender Arm dient. Die zu schmiedenden Eisenmassen werden mit ungeheuern Krahnen und Kettenflaschenzügen aus dem Feuer auf den Ambos geschwungen und hier von verschiedenen Instrumenten, die ebenfalls durch Kettenkrahne und große Massen riesiger, stahlarmiger Arbeiter leicht dirigirt werden, so gedreht und gewendet, wie es der Schmiedemeister mit kurzen, militärisch scharf ausgestoßenen Worten befiehlt. So kann man sich mit Hülfe der Abbildung wohl eine Vorstellung von dieser riesigsten aller Operationen mit Eisen machen; nur vergesse man nicht, sich die Funken und glühenden Eisenstücke, die bei jedem Schlage nach allen Seiten umher und unter die Arbeiter spritzen, recht massenhaft und groß zu denken, so daß schon Mancher lebensgefährlich verbrannt ward oder gar die Augen verlor. Dies scheint aber die übrigen Arbeiter nicht im Geringsten zu geniren, was wieder ein Beweis ist, daß sich der Mensch an Alles, selbst das Schrecklichste gewöhnt, wenn es nur eben bleibend ist und gleichsam alltäglich wird, wie das liebe Sonnenlicht. Würde uns doch letzteres auch alle stockblind machen, wenn es etwa alle vier Wochen plötzlich einmal seine Aufwartung machte.
Von den übrigen Abtheilungen der ungeheuern nasmyth’schen Anstalt wollen wir nicht weiter sprechen, da das Schmieden, Schmelzen, Frischen, Gießen, Härten, Weichen und Stählen des Eisens im Einzelnen und Kleinen als bekannt vorausgesetzt werden darf, wiewohl die neueste Wissenschaft in Behandlung des Eisens auch dem gemeinsten Grobschmiede ein eigenes Interesse giebt, gelehrt wie ein Professor zu werden. Die Anstalt hat für den Laien als Ganzes und Großes das höchste Interesse. Sie wäre eine Welt im Kleinen, wenn sie nicht so groß wäre. Bewundernswürdig ist die Disciplin, die Technik, die Organisation, womit hier die Arbeiter von 6000 Händen und mehr Tausend Dampf-Pferdekräften unter der Regierung des Hauptes und der Minister, der technischen Direktoren und „Vormänner“ („foremen,“ gleichsam der Offiziere bei den einzelnen Arbeiten) auf das Genaueste in einander greifen. Diese kleinen Staaten der industriellen Wissenschaft, der praktischen Intelligenz mit ihren Aristokraten von Kapital und Kapacität haben denn auch mit ihrem „Jung-England“ eine Zukunft, während man an dem großen Staate England mit seiner gichtischen, geburtsnärrischen, nepotischen, klikenhaften Aristokratie und Diplomatie nachgerade immer gründlicher verzweifeln lernen muß. Dieses eisenarmige, leidenschaftlich fleißige und für die ganze Welt produktive „junge England“ kann mit dem alten gichtischen, faulen, blos von Traditionen und fremden Einflüssen lebenden aristokratischen durchaus nicht mehr aus- und vorwärts kommen.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_278.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)