Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Um einen Begriff von dem Reichthume dieses Magnaten zu bekommen, muß man wissen, daß die Güter dieses Edelmannes den Flächeninhalt des Königreichs Sachsen übertreffen, gegen vierzig Städte, fünfunddreißig Schlösser und 130 Dörfer umfassen, und daß sein Gesammtvermögen auf 150 Millionen geschätzt wird. Und deshalb durfte es auch nur ein Esterhazy wagen, ein Schloß in solch’ einförmige Gegend, wie die am Neusiedlersee, zu bauen und so zu beweisen, wie durch Reichthum und menschliches Raffinement einer so öden Landschaft noch gewisse Reize abgewonnen werden können.
Esterhaz stammt aus dem Ende des 17. Jahrhunderts und steht seit länger als funfzig Jahren unbewohnt. In seinen Dimensionen riesenhaft (denn es zählt 356 Fremdenzimmer, außer den Tanz- und Concertsälen, den fürstlichen Gemächern, den Officianten- und Trabantenwohnungen), erscheint es dennoch beim ersten Anblick kleiner, was wohl das Ueberladene der Ornamentik und der tausend und aber tausend Schnörkel verursacht, welche die Architektur der damaligen Zeit bedingte, besonders da es im italienischen Styl aufgeführt ist. – Aber das Innere übertrifft diese Außenseite noch bei Weitem. – Wohin der Fuß tritt, berührt er geschliffenen Marmor oder Parkets von den kostbarsten Hölzern fremder Welttheile. Die Wände und Decken der Vorhallen sind bedeckt mit Gold und Malerei; gewirkte Seiden- und Ledertapeten der endlosen Zimmerreihen wechseln in mannigfaltigsten Variationen, venetianische Spiegel und Glasverzierungen werfen ihre brillantesten Lichter und Reflexe auf diese Prachtschöpfungen, die uns noch so frisch und glänzend entgegen strahlen, daß man meinen sollte, erst gestern habe der alte musikliebende Fürst, der Mäcen Joseph Haydn’s, seinen Feenpalast verlassen.
Den schroffsten Gegensatz zu dieser architektonischen Ueppigkeit bietet deren Umgebung – der Park des Schlosses, der wohl meist im schönsten Zopf-Styl angelegt sein mag, jetzt aber wie ein Bild versunkener Herrlichkeit vor uns liegt. Die Wege sind mit Gras und Unkraut überwachsen, die Bäume und Taxushecken haben ihre ursprüngliche Form verloren, und sind, nach damaligen Begriffen, sehr ausgeartet, d. h. ihrem Naturzustande näher gekommen – die kleinen niedlichen Amoretten liegen, von den Piedestalen gestürzt, mit Moos überwachsen, am Boden; die verschiedenen Schleichwege zu den Pavillons sind völlig undurchdringlich vor Gestrüpp und Binsen, und die kleinen, sonst so einladenden Lusthäuser, die ebenfalls bemalt und vergoldet waren, stehen, von Feuchtigkeit überzogen, in gräulicher Schwärze da und der Wind klappert mit den lockern Jalousie-Läden, durch die kein liebeglühendes Auge mehr lauscht.
Wenn auch unscheinbarer, doch für den Archäologen von viel bedeutenderem Interesse, ist das Schloß Forchtenstein, in der Nähe von Eisenstadt und gerade auf der österreichischen Grenze gelegen. Auf einem steilen Felsen erhebt es sich weit über das Land, und schaut mit seinem unförmlichen Wachtthurme, stolz ob seines ehrwürdigen Alters, nach Esterhaz hinüber. Forchtenstein erbaute ebenfalls ein Esterhazy im Anfange des 16. Jahrhunderts. Hier deutet Alles aus Kampf und Vertheidigung – keine Gärten, keine Pavillons, nicht Gold noch Marmor, nur starke Bastionen und Rittersale mit Waffensammlungen.
Die innern Räumlichkeiten sind eben so eng als unbehaglich, wie es nur in einem befestigten Schlosse des Mittelalters sein konnte. Der Baustyl ist gemischt, halb gothisch, halb byzantinisch, fast den Waffen entsprechend, womit die Burg theils gerüstet, theils verziert ist. Alle Lanzen, Speere und Schwerter sind leichter und in der Form graziöser als die unserer Ritter, die Brustharnische sind immer aus beweglichen Schienen zusammengesetzt, um sich darin nach allen Seiten hin bewegen zu können; die Helme sind leicht und oft schuppenartig, so wie man noch Schilde aus der ältesten Zeit von Korbgeflecht sieht. Türkische Waffen aller Gattungen prangen hier als Siegestrophäen, zwischen denen die alten ungarischen Fahnen hängen, die ein Kreuz mit dem Heilande als Banner führen.
Diese Veste, vielleicht das einzige Denkmal des mittelalterlichen Ungarns, dient jetzt als Gefängniß für die aufsässigen Bauern des Fürsten.
Das Eheleben des nun verbundenen Paares ist nach Innen leicht und kurz dahin zu beschreiben, daß es vollkommen dasjenige erfüllte und darstellte, was wir vorher in den Bedürfnissen Beider als Motive ihrer Verbindung, als Bedingung ihrer Liebe zu fixiren suchten. – Schiller sah sich immer inniger, immer tiefer geliebt, verstanden, bewundert; sah Charlotten’s schöne Natur sich immer reifer und bedeutungsvoller entfalten; fühlte das innigste Behagen in so treuer, ruhig aber unermüdlich waltender Pflege und in der elastischen Humanität, womit Charlotte dem einen Theil seines Wesens entgegenkam, das er selbst dahin beschreibt: „Meine Gefühle sind durch mein Nervenleiden reizbarer und für alle Schiefheiten, Härten, Unfeinheiten und Geschmacklosigkeiten empfindlicher geworden.“
Charlotte wurde sich immermehr bewußt, sowohl der hohen Segnungen, die sie durch Schiller empfing, als derjenigen, die sie ihm gab; oft litt und duldete sie freilich auch in dem innern und äußern Kultus ihrer Aufgabe, das aber machte sie dann auch wieder froh und stolz, und stählte ihren Charakter.
Sie lebten angenehm und wenn auch beschränkt, so doch ohne drückende Sorgen in Jena; die Familien Paulus und Griesbach waren ihr nächster und liebster Umgang. Charlotte lernte noch besser Clavier spielen, weil Schiller bei seinen Arbeiten gern eine sanfte Musik im Nebenzimmer hörte. Vor den Studenten fürchtete sich die junge Frau anfangs, doch überwand sie dies bald, begleitete ihren Mann in das Auditorium und bereitete ihm nebenan Thee, den sie ihm dann und wann zutrug. – Dann gingen sie miteinander nach Hause.
Bald sollten sie einer schweren Prüfung entgegen gehen: Schiller wurde lebensgefährlich und lange krank und er behauptete später, daß nur Charlotten’s ausdauernder Muth bei ruhigster und sicherster Ueberschauung ihn gerettet habe. In diese Rettung kam das großartige Geschenk aus Dänemark, das den Dichter auf drei Jahre hin reichlich versorgte und ihm Muth und Kraft für Wallenstein gab.
Indessen waren doch bedeutende Reste aus der Krankheit zurückgeblieben und störten den Dichter sehr häufig. Da berief er sein Auditorium in sein Haus und wenn er hier docirte, saß Charlotte neben ihm, aufmerksam auf seine Gesundheit wie auf seine Worte. Er fühlte sich dann sehr glücklich. –
Im Sommer 1793 wohnte das Paar in Heilbronn und Ludwigslust. Am 14. September kam Charlotte mit dem ersten Kinde, das Karl getauft wurde, nieder, sehr schmerzlich und lebensgefährlich. – Sie sprach stets gern von solchen Zuständen in ihren Briefen an Stein und Fischenich, aber in so einfach rührender Weise, mit so innigster Mutter-Seligkeit, daß man sie darum lieben konnte. –
Etwas Mutterhaftes, das sie stets gehabt hatte, bildete sich überhaupt immer mehr in ihr aus; so nannte sie den lieben Freund Fischenich, der nur zwei Jahre jünger als sie war, stets nur „lieber Sohn“ – Im Jahre 1794 begann Schiller’s schönes Verhältniß mit Goethe; Charlotte freute sich dessen unendlich und spricht ebenso maßvoll als treffend und charakteristisch darüber und über Goethe selbst; – Gleichzeitig verheirathete sich die von Beulwitz geschiedene Caroline mit dem Vetter Wilhelm von Wolzogen und als derselbe in Weimar angestellt wurde, freute sich ebenso Charlotte wie Schiller, die Geliebten in solcher Nähe zu haben. – Neue Krankheit Schiller’s forderte bald wieder die ganze Kraft Charlotten’s heraus, doch mußte sie auch Rücksicht auf ihre bevorstehende zweite Niederkunft nehmen. Sie theilte nun ihre Zeit
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_263.jpg&oldid=- (Version vom 15.5.2023)