Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Körperbau (ein sogenannter apoplektischer Habitus: untersetzte Statur, kurzer, dicker Hals, rothes Gesicht), der zum Schlagflusse disponirte. Nur Personen in den höheren Lebensjahren und solche, die schnell fett geworden sind, werden am gewöhnlichsten vom Schlage getroffen.
Wodurch wird nun dieser plötzliche Tod oder diese Bewußtloßigkeit mit halbseitiger Lähmung veranlaßt? In der Regel trägt irgend ein Leiden des Gehirns die Schuld, bei dem Zustande aber, welchen der Arzt Hirnschlagfluß nennt, ist allemal eine Zerreißung von Blutgefäßen im Gehirne, mit Austritt einer größern oder geringern Menge von Blut aus den zerrissenen Gefäßen in die Hirnsubstanz, die Ursache. Daß nun aber öfters Gefäße im Gehirne zerreißen und so das ausgeflossene Blut entweder das ganze Gehirn oder nur die, vom Gehirne zu der einen Hälfte des Körpers tretenden Nerven durch Druck oder Zerquetschung lähmen kann, hat seinen Grund zunächst in einer solchen Entartung der Blutgefäßwände, bei welcher dieselben zerreißlicher werden, so daß jede stärkere Blutanhäufung in den Hirngefäßen auch leicht eine Zerreißung derselben veranlaßt. Diese Entartung ist aber doppelter Art; sie besteht nämlich entweder in einem Starrer-, Härter- und Brüchigwerden der Gefäßwand, wie dies im höhern Lebensalter der Fall ist, oder in einem Fettig-, Weich- und Mürbewerden derselben, wie dies bei Personen vorkommt, die schnell fett wurden (zumal in Folge häufigen Genusses spirituöser Getränke). Die Zerreißung dieser leicht zerreißlichen Blutgefäße kann sodann durch Alles veranlaßt werden, was eine größere Anhäufung von Blut in denselben erzengt, sonach durch Alles veranlaßt werden, was entweder eine größere Menge von Blut zum Gehirne hintreibt Oder dasselbe vom Gehirne nicht gehörig abfließen läßt.
Die Erscheinungen und Folgen der Hirnblutung richten sich nach der Quantität des ausgegossenen Blutes, nach der Beschaffenheit und dem Verhalten der Hirnsubstanz, in welcher die Blutung geschah, und nach den Umwandlungen, welche das ausgelaufene Blut erleidet. – Zerreißen nur wenige kleine Gefäßchen und tritt eine geringe Menge Blutes aus denselben hervor, so daß dann die Fasern und Zellen der Hirnsubstanz einen nur geringen Druck durch dasselbe erleiden, so ist die Bewußtlosigkeit und Lähmung auch nur gering und, da das Blut wieder aufgesogen wird, bald vorübergehend. In solchen Fällen stellt die Natur (niemals der Arzt) den Kranken vollständig wieder her; nur läßt sich hierbei der Zeitpunkt nicht angeben, bis zu welchem die Lähmung ganz verschwunden sein wird, da dies von dem schnellen oder langsamern Wegschaffen des Blutes und seiner Ueberbleibsel abhängt (gerade so, wie manche Brauschen zeitig, andere spät vergehen). – Ergießt sich eine größere Menge Blutes aus den zerrissenen Gefäßen, dann wird dieses selten wieder aus der Gehirnsubstanz ganz weggeschafft, sondern theilweise in eine härtliche Masse verwandelt, welche die Hirnsubstanz fortwährend zusammen drückt und deshalb die halbseitige Lähmung niemals, trotz aller Arzneimittel, Bäder und magnetisch-elektrischer Kuren, vollständig vergehen läßt. Auch kann sich hier einige Zeit nach dem Schlaganfalle rings um das ausgeflossene Blut in der Hirnsubstanz eine Entzündung bilden, welche den Tod herbeiführt. – Bei starkem Blutergusse wird die Hirnsubstanz zerquetscht und zerrissen, und deshalb tritt hier plötzlicher Tod ein oder es bleibt doch die Lähmung für immer in gleich hohem Grade zurück. – Man sieht hieraus, daß sich die Folgen eines Schlaganfalles nicht genau bestimmen lassen; denn es kann ebenso zur vollständigen Heilung kommen, wie auch die halbseitigen Lähmungen in geringem oder in hohem Grade zurückbleiben, der Tod früher oder später eintreten kann. – Daß der Arzt durch Medicamente heilsamen Einfluß auf den Schlagfluß und seine Folgezustände ausüben könne, ist purer Aberglaube. Zur Mode ist es unter den Aerzten geworden, dem vom Schlage Gerührten tüchtig zur Ader zu lassen, Blutegel an den Kopf zu setzen und kalte (Eis-)Ueberschläge auf den Kopf zu machen. Verf. hat noch niemals sehen können, daß dadurch das Gehirn blutarmer geworden wäre; ja nicht einmal bei solchen Personen, die an Verblutung gestorben waren, fand er zu wenig Blut in den Organen der Schädelhöhle.
So wenig nun der Arzt bei und nach einem Schlaganfalle helfen kann, denn er muß nach Einrichtung eines vernünftigen diätetischen Verhaltens des Kranken im Allgemeinen ja doch Alles der Natur überlassen, so viel vermag er, und auch der Laie, zur Verhütung des Schlagflusses beizutragen. Wir wissen, daß ältere Personen mit starren Blutgefäßen, sowie solche, die schnell fett wurden, am häufigsten vom Schlage gerührt werden und zwar in der Regel dann, wenn sich bei ihnen eine größere Mange von Blut im Gehirne anhäufte. Man suche deshalb eine solche Anhäufung bei derartigen Personen so viel als nur möglich zu verhüten. Daß Jemand widernatürlich starre und brüchige Blutgefäße hat, läßt sich am besten an der Schläfenpulsader erkennen, welche vor dem Ohre an der Seite des Schädels in die Höhe läuft und, wenn sie starrer ist, sich sehr geschlängelt sehen und härtlich fühlen läßt. In diesem Falle also und bei Fettleibigen werde zuvörderst Alles vermieden, was dem Abflusse des Blutes vom Gehirne zum Halse und zur Brust herab hinderlich ist, wie: enge Hals- und Brustbekleidung, Hüften anstrengendes und länger dauerndes Singen, Schreien und Instrumente blasen, längeres Bücken und Heben schwerer Gegenstände, Pressen bei hartem Stuhlgange und beim Erbrechen, starke Blähungen, bedeutendere Körperanstrengungen (Laufen, Tanzen, Schwimmen), Schlafen mit tiefliegendem Kopfe, Einwirkung größerer Kälte und veränderten Luftdruckes (z. B. auf hohen Bergen und vielleicht zu mancher Jahreszeit). Sodann vermeide man Alles, was den Blutandrang (Zufluß von Blut) zum Kopfe steigert und auf das Gehirn stark erregend einwirkt, sonach vorzugsweise das, was Herzklopfen erregt, zu reichlicher Genuß spirituöser Getränke (Berauschung) und starken Kaffees oder Thees, Ueberladungen des Magens, heftige Gemütsbewegungen, anstrengende körperliche und geistige Arbeiten (besonders des Nachts), heftig wirkende Sinneseindrücke, allzu große oder zu plötzliche Wärme und Kälte, überhaupt Erkältungen (besonders der Füße) u. s. w. – Von selbst versteht es sich wohl, daß äußere Verletzungen des Kopfes, Stöße, Schläge, Fallen auf denselben, als veranlassende Ursachen zur Zerreißung von Hirnadern ebenfalls ängstlich vermieden werden müssen.
Die Behandlung eines soeben vom Schlage Gerührten bestehe von Seite des Laien darin, daß man denselben nach möglichst schneller Lösung aller einigermaßen fest anliegenden Kleidungsstücke in eine gemächliche, mehr sitzende als liegende Stellung mit erhöhtem, unbedecktem Kopfe und herabhängenden Füßen bringt, die Luft des Zimmers rein und kühl erhält, die Füße erwärmt und Alles abhält, was Blutandrang nach dem Kopfe und Hirnerregung veranlaßt. Bei der gehörigen Ruhe des Kranken wird sodann die Natur den vorhandenen Umständen gemäß, auch ohne Beistand des Arztes und nicht selten trotz dessen störenden Eingreifens, so walten, wie es den im menschlichen Körper herrschenden Gesetzen nach nicht anders sein kann.
Pfingsten naht, Pfingsten lockt uns wieder hinaus in die Feiertagswelt der grünen Natur, hinaus zu dem ewigen Jubel des hellsten Sängerchors, des gottgesegneten, fröhlichsten Völkleins der Wälder, und dem Menschen, der Monden lang in dumpfen Mauern eingeschlossen war und im Drange der Geschäfte „Saatengrün und Lerchenwirbel, Amselschlag, Sonnenregen und linde Luft“ vergaß, dem Menschen sind ein paar Tage geschenkt, wo er einmal wieder ganz Mensch sein darf, ein paar Tage, wo er seine Werkeltagssorgen hinter sich wirft. „Gesegnet, noch im Grabe gesegnet – sagte einmal Jean Paul – sei der Mann, der die Ferien erfand und könnte ich, noch wollte ich seinen weißgebleichten Schädel streichen.“
Auch mich führte jüngst meine Reiselust mit einigen Freunden auf das herrliche, anmuthige Thüringerwaldgebirge. Noch seh ich die schattigen Buchenhallen; noch seh’ ich die gesunden, blühend schönen Gebirgsleute, noch die grünen ober blauen Blousen, den runden, schwarzen Filz der Männer, noch den weiten, kattunenen Frauenmantel, das keck flatternde, auf der Seite geknüpfte, seidene Tuch der Mädchen; noch klingt das harmonisch gestimmte, oft nach
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_249.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2023)