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Seite:Die Gartenlaube (1855) 229.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

No. 18. 1855.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle. Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 121/2 Ngr. zu beziehen.


Braut und Gattin.
(Schluß.)


„Mein Herr,“ sagte die junge Frau, „ich kann Ihnen für Ihre Sorge nicht danken, denn sie war so eigennütziger Natur, daß sie mir eine peinliche Last ward. Meine Abhängigkeit von Ihnen ist zu Ende, und eine neue, mich beglückende hat begonnen. – Sie werden meinem Gatten über das Vermögen Rechenschaft ablegen, das Ihnen mein Vater einst anvertraut hat.“

Ein Gemisch von Schmerz und Hohn sprach sich in dem weißen Gesichte des Grafen aus.

„Ich war auf diesen Empfang vorbereitet,“ antwortete er ruhig. „Aber rechnen Sie darauf, daß ich Ihnen verzeihe, Ihnen, der verblendeten jungen Dame.“

„Herr Graf,“ unterbrach ihn Albrecht heftig, „vergessen Sie nicht, daß Sie ein Gast unter dem Dache des Baron von Beck sind! Jede Kränkung meiner Gattin trifft mich – und fragen Sie Ihren Neffen, er wird Ihnen bestätigen, daß ich ein Mann von Muth und Ehre bin.“

„Noch habe ich mit meiner Mündel zu verhandeln, Herr Baron! Oder soll ich schweigen, wenn die Tochter meines verstorbenen Freundes in einer Bigamie lebt?“

Amalie zuckte wie von einem Blitzstrahle getroffen zusammen.

„Fritz,“ rief Albrecht in zorniger Aufwallung, „Du wirst die beiden Herren ersuchen, mein Schloß zu verlassen. Sage ihnen, daß mein Rechtsanwalt zu ferneren Unterhandlungen bereit sei.“

„Gut, so breche auch ich meine Unterhandlungen ab, Herr Baron, und stelle Ihnen sogleich meinen Rechtsanwalt entgegen. Dann wird Amalie begreifen, daß sie noch unter meiner Autorität steht, und daß ich nicht streng genug meine Pflicht erfüllt habe.“

Fritz hatte indeß die Thür geöffnet und zog eine bleiche, abgehärmte Frau in den Saal. Sie trug armselige schwarze Kleider und eine Mütze nach Art der Landleute jener Gegend.

„Herein, herein!“ rief Fritz, dessen ganzes Wesen plötzlich wie umgewandelt erschien. „Sage dem Herrn Baron, armes Geschöpf, daß er Dich verrathen hat, sage ihm, daß Du ein Opfer seiner vornehmen Laune, seines Leichtsinns bist!“

„Katharina!“ rief erbleichend der Baron, und starr vor Entsetzen blickte er die traurige, geisterhafte Erscheinung seiner ersten Gattin an.

Aus Amaliens blühendem Gesichte war alles Blut gewichen. Unfähig ein Wort zu äußern, entwand sie langsam ihren Arm dem des entsetzten Gatten und ging schwankend in ein Nebenzimmer, wo sie still weinend auf einen Sessel sank.

Die bleiche Katharina sah mit unheimlichem Lächeln bald den Baron, bald die beiden Männer an. Trotz der von Gram und Irrsinn entstellten Züge ließ sich noch erkennen, daß sie einst von ausgezeichneter Schönheit gewesen. Sie schien nicht zu wissen, was das Alles bedeutete. Fritz stand neben ihr, eine gräßliche, wilde Freude blitzte aus seinen schwarzen Augen.

„Mein Gott, träume ich denn?“ stammelte der Baron, indem er mit der Hand über seine schweißbedeckte Stirn fuhr, als ob er sich von der Wirklichkeit überzeugen wollte.

„Nein, Herr Baron, es ist kein Traum!“ rief Fritz. „Hier steht Katharina, Ihre Gattin, welche die ersten Ansprüche an Sie hat. Zweifeln Sie nicht daran,“ fügte er mit erstickter Stimme hinzu, „Sie sind mit zwei Frauen verheirathet! O, nach diesem Augenblicke habe ich lange gegeizt, er war das Ziel meines ganzen traurigen Lebens!“

Albrecht brach fast zusammen; er mußte sich an der Lehne eines Sessels halten, um nicht zu Boden zu sinken.

„Was ist das? Was ist das?“ rief er in einem unbeschreiblichen Tone. „Mensch, Deine letzten Worte rollen einen Schleier auf, der ein entsetzliches Geheimniß birgt! Treibe mich nicht zum Wahnsinn, zur Verzweiflung! Du warst mir kein treuer Diener! Gieb Aufklärung! Hast Du mir mein Lebensglück zertrümmert?“

„Wie Sie das meinige, Herr Baron! So ras’te auch ich, und rennte den glühenden Schädel an die Bäume des Waldes, als Sie die Tochter des Försters, um deren Liebe ich mich bewarb, durch zärtliche Schmeichelreden gefangen hatten, daß sie sich von mir abwandte. Das schwache Mädchen gab dem glänzenden Herrn den Vorzug, dem Herrn, der sie zu lieben glaubte; der schlichte Diener aber, der sie zu einer glücklichen Gattin gemacht haben würde, weil er sie rein und wahr liebte, ward zurückgesetzt. Mir blutete das Herz unter den fürchterlichsten Qualen, aber ich ertrug sie, weil mich die Hoffnung nicht verließ, sie würden Ihr Unrecht einsehen, und meinen Warnungen, die mir damals Ihren Zorn zuzogen, Gehör geben. Aber Sie raubten mir das Mädchen, das ich anbetete, und zu spät erfuhr ich Ihre heimliche Trauung – ja, Herr Baron, ich erfuhr sie, als Sie das arme Wesen verlassen hatten. Ich liebte Katharina noch, aber ich konnte sie nur bedauern, denn sie glücklich zu machen, lag nicht mehr in meiner Macht. Da erfaßte mich die Verzweiflung, zugleich aber ein Groll gegen den Urheber meines Unglücks, daß ich auf das Crucifix eine furchtbare Rache schwor. Ich war jener Prosper, von dem ich Ihnen erzählte, daß er Katharina’s Argwohn anregte, ich sagte ihr, von innerm Hasse gestachelt, daß die heimliche Trauung nur ein Mittel gewesen sei, um das züchtige Mädchen zu Ihrer Buhlerin herabzuwürdigen. Und sie war es auch nur, Herr Baron, trotz der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_229.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)