Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1855) 225.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Der Indianer, wenn er mit einem Fremden geraucht oder mit ihm aus einer Quelle getrunken hat, ist sein Freund, und er würde gebrandmarkt dastehen, wollte er ihn betrügen oder hintergehen. Civilisirte Menschen, wenn sie mit einander ein Geschäft abschließen wollen, bieten sie einander gewöhnlich erst eine Cigarre und ein Glas Wein an, und nachdem sie zusammen geraucht und getrunken – mag nur Jeder aufpassen, daß er seinen Vortheil wahre.

Nein, gebessert hat die Civilisation die Menschen nicht, und in ihren Leidenschaften und Trieben selbst wenig verändert, nur in der Industrie der Völker und der dadurch geweckten Intelligenz liegt der alleinige Unterschied zwischen ihr und der Wildniß, und sind wir einmal dahin gelangt, so sehen wir gerade in der Civilisation, so lange sie nicht unsere Herzen veredelte und uns selber besser machte, auch nichts anderes als die Kunst sich selber Bedürfnisse zu erschaffen, um sie dann zu befriedigen.

Das Leben in der Wildniß ist ein Wasserrad, das sich dreht und dreht, nur um die obern Planken naß zu halten, damit sie nicht aus einander fallen, und die Planken müssen eben zusammen halten, damit sich das Rad drehen kann. Das Leben der Civilisation ist dasselbe, nur daß das Rad nicht einfach im Wasser selber steht, sondern ein ganzes Haus voll großer und kleiner Räder und Rädchen, Cylinder und Schrauben und Ventile hat, dasselbe Resultat hervorzubringen – und der Schlüssel dazu heißt: Uebervölkerung.

Der civilisirte Mensch geht in die Wildniß und kehrt freudig in seine Heimath, in die Mitte seiner Bequemlichkeiten zurück und denkt sich dabei: „Wie bist du glücklich, daß du nicht in einem solchen Zustand leben mußt;“ ja, begreift nicht, wie es andere Menschen darin aushalten. Der Wilde wird in das Leben und Treiben der Civilisation eingeführt, mit allen ihren Geheimnissen und Vortheilen bekannt gemacht, und kehrt zuletzt in seinen Wald zurück und lacht und spricht: „Was sich die Menschen da draußen nur für Mühe geben zu leben; da hab’ ich’s hier bequemer.“

Wird er dann gezwungen, die fremden Sitten und Gebräuche, fremde Civilisation und Religion anzunehmen – dann legt er sich hin und stirbt, aber das schadet gar nichts – die übervölkerten Länder besetzen und kultiviren sein Land und behaupten, der Civilisation einen Dienst erwiesen zu haben. Sie übersehen wunderbarer Weise dabei, wie die Einzigen, denen wirklich ein Dienst dadurch geleistet ist, sie selber sind, und daß auch in der That nur die Industrie und der Anker das Ziel waren, dem sie entgegenstrebten – die Menschen mochten darüber zu Grunde gehen.

Um wie viel Tausende hat sich z. B. nur auf den Sandwichs-Inseln die Bevölkerung der Ureinwohner seit der Einführung der Civilisation und des Christenthums verringert – bah, was Bevölkerung? – aber um wie viel ist der Anbau der Kartoffeln und des Zuckerrohrs gestiegen – es ist enorm – und von den Gestorbenen ist übrigens wenigstens der dritte Theil getauft gewesen – also selig gestorben.

Nichtsdestoweniger wird und muß, in nothwendiger Folgerung, die Civilisation mehr und mehr um sich greifen und nach und nach den ganzen Erdball bewältigen – wenn ihn nicht vielleicht der liebe Gott vorher noch erst einmal wieder sauber abwäscht wie zu Noah’s Zeiten – der Indianer wird aussterben, wie jene Thierkolosse ausgestorben sind, deren riesige Ueberreste uns noch jetzt mit staunender Bewunderung erfüllen, und Dampfessen werden dort rauchen und Locomotiven keuchen, wo jetzt die stolze Palme noch in schweigender Majestät ihre Krone wiegt, dem sprudelnden Bach und der duftenden Blüthe Schatten gebend. Das Alles wird geschehen, und zwar in einer unverkennbaren Nothwendigkeit, dem wachsenden Menschengeschlecht Raum, seinen Körper zu erhalten – Raum für seine strebsame Thätigkeit zu geben, und der eben, der den Raum zu vergeben hat – der Indianer – fällt zum Opfer, ob er als Christ oder Heide stirbt, bleibt sich da gleich.

Weil wir aber einem solchen Ziel entgegen arbeiten, haben wir nicht nöthig, dasselbe als den besten Zeitpunkt anzupreisen.

Alle werden wir alt, Alle suchen wir eine Stellung im Leben einzunehmen, aber wir brauchen uns nicht vorzulügen, daß die Zeit des Lebens die schönste ist, wo wir solche Stellung erreicht haben – wie Wenige von uns gäben ihre Jugend für das Alter hin.

Darum dürfen wir die Wildniß nicht verachten, ihre Bewohner nicht Heiden und Cannibalen schimpfen und selber thun als ob wir etwas ganz Besonderes wären. Jene Völker aber sind noch in der Jugend: es sind Kinder, die weiter nichts gebrauchen als einen Platz zum Essen und Spielen (denselben Platz, auf den wir gern unsere Kommoden und Schränke stellen möchten) und wenn sie erst einmal in ihren Gräbern liegen, die stillen Söhne einer fernen Zone, dann werden wir ihnen doch eine Trauerrede halten, und bedauern nicht ein klein wenig früher daran gedacht zu haben, ein klein wenig milder mit ihnen zu verfahren. Aber dann ist es zu spät; ihre Geschichte ist dann auch ziemlich vergessen – wir haben mehr zu thun als über ausgestorbene Geschlechter nachzudenken – und die Welt ist civilisirt.




Die Rheinbrücke zu Köln.

Schon seit längerer Zeit war man in Köln mit dem Plan zum Bau einer stehenden Brücke über den Rhein umgegangen. Man übersah nicht die großen Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens, man erkannte aber auch die Vortheile nicht nur für die Bewohner der Stadt selbst, sondern auch für die der Rheinlande, die aus der Vereinigung der rheinischen Landestheile, welche Jahrhunderte lang durch den mächtigen Strom von einander getrennt wurden, nothwendig hervorgehen müssen.

Nach langen Verhandlungen genehmigte endlich der König von Preußen durch Cabinetsordre vom 4. December 1854 den vom Wasserbauinspector Wallbaum entworfenen Plan, demzufolge die Brücke nach dem nordamerikanischen Construktionssystemem von Ithias Town, dem sogenannten Town’schen „Lattice work-system,“ mittels eichener Gitterwände, die auf gemauerten Pfeilern ruhen, ausgeführt wird. Es werden vier doppelte Gitterwände von 26 Fuß Höhe nach der Länge der Brücke aufgestellt und von zwei Land- und drei Strom- oder Mittelpfeilern getragen werden. Zwischen diesen Pfeilern bleiben vier Durchflußöffnungen von je 313 Fuß lichter Weite. Die Mittelpfeiler werden von Tafelbasalt hergestellt. Ihre Fundamente werden 114 Fuß Länge und 31 Fuß Breite, die Pfeiler selbst aber in der Höhe der Brückenbahn eine Länge von 98 Fuß und eine Breite von 20 Fuß erhalten. Aehnlich werden auch die Landpfeiler ausgeführt; sämmtliche Pfeiler aber erhalten zu beiden Seiten der Fahrbahn Thürme, von denen die der Mittelpfeiler in cylindrischer Form bei 15 Fuß Durchmesser, 53 Fuß hoch und die der Landpfeiler in quadratischer Grundform 67 Fuß hoch über die Fahrbahn entworfen sind. Diese Thürme, an Zahl zehn, werden in mittelalterlichem Styl mit Zinnen-Bekrönung, Erkern etc., errichtet und dem ganzen Bauwerk ein höchst freundliches Ansehen geben.

Die Gitterwände bilden die Hauptconstructionstheile in dem hier zur Anwendung kommenden Systeme; in ihnen ruht alle Tragkraft, und von ihrer größern oder geringern Widerstandsfähigkeit hängt daher die Tragfähigkeit der Brücke ab. Ihre Zahl beträgt acht, die vier Doppelwände bilden, und in allen ihren Verbindungen rein aus Schmiedeeisen hergestellt werden. Fahr- und Fußwege werden durch einen 4–5 Zoll starken Bohlenbeleg gebildet.

Um zugleich das neue System in seinen Hauptzügen darzulegen, wollen wir über die Construction dieser Gitter Folgendes bemerken: Die Gitter sollen mit kräftig construirten Rahmen versehen und behufs Herstellung einer tüchtigen Querverbindung der vier Doppelwände, um sie gegen Schwankungen vollkommen zu sichern, in Entfernungen von 18 zu 18 Fuß, sowohl an ihren obern als an ihren untern Theilen durch starke eiserne Gurtungen fest mit einander verbunden werden. Durch die Anordnung dieser Querverbindungen im Terrain mit horizontalen Diagonalverstrebungen werden die Gitterwände zu einem festen unverrückbaren

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_225.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)