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Seite:Die Gartenlaube (1855) 213.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

gebracht werden konnten. Die Fluthen strömten unterdeß unaufhaltsam in’s große Werder; es entstanden dort mehrere Durchbrüche, und binnen kurzer Zeit waren gegen hundert Ortschaften mit 25,000 Einwohnern total überschwemmt. So weit das Auge vom Schloßthurme Marienburgs reichte, bemerkte man eine unübersehbare Wasserfläche, aus der nur Häuser- und Baumspitzen einige Fuß hoch hinausragten.

Da der Eisgang der Nogat[WS 1] den ganzen Tag hindurch sehr stark blieb, so konnte man nicht hinüber, um den Ueberschwemmten, die sich nur mit wenigen Ausnahmen Kähne besorgt hatten, Hülfe zu bringen. Als man sich endlich gegen Abend durch das Nogateis einen Weg bahnte, vereitelten wieder starke Strömungen im Werder jedes weitere Vordringen. Um diese Zeit hatte sich bei Montau ein zweiter Durchbruch gebildet, und die auf den Damm Geflüchteten befanden sich jetzt auf einem Deichstücke, das in jedem Augenblicke versinken konnte. Am Morgen des 29. März versuchte man, sie mit Kähnen zu retten; es war aber nicht möglich, die gewaltigen Strömungen an den Durchbrüchen zu passiren. Erst am andern Tage gelang es den von Danzig zur Hülfe herbeigeeilten Pionieren, die von Angst, Hunger und Kälte schwer heimgesuchten Unglücklichen von dem Dammstücke, so wie die in die Kirche Geflüchteten in Sicherheit zu bringen. Kähne durchschnitten nun in allen Richtungen das überschwemmte Werder, sammelten Unglückliche von Dächern und Bäumen und brachten Lebensmittel und warme Kleidungsstücke. Manche dieser Armen waren so erstarrt, daß sie nicht mehr gehen konnten. Ich habe einen solchen Unglücklichen gesehen, den man in’s marienburger Krankenhaus brachte. Man hatte ihn auf einer Weide gefunden, die ihm fast dreißig Stunden zum Aufenthalt gedient. Er vermochte kein Glied zu regen; Füße und Hände waren ihm dick angeschwollen, das Gesicht schien das einer Leiche zu sein, wofür man ihn immer halten konnte, als er starr und regungslos in’s Lazareth getragen wurde[1].

Daß aber der entartete Mensch noch grausiger ist als das entfesselte, wüthende Element, dafür liefert diese Ueberschwemmung einen fürchterlichen Beleg. Es ist nicht nur vorgekommen, daß reiche Besitzer, deren Höfe weniger von den Fluthen bedrängt waren, den schutz- und obdachlosen Flüchtlingen ihr Haus und ihre Vorräthe verschlossen, sondern gleich am Tage nach dem montauer Durchbruch fuhren Boote, mit Dieben und Räubern bemannt, in die heimgesuchten Höfe und Dörfer und stahlen, wo etwas zu stehlen war oder brandschatzten mit grenzenloser Frechheit. Man hat aber den Piraten sehr bald das Handwerk gelegt, und jetzt muß jedes Boot, das am Werder kreuzt, die polizeiliche Erlaubniß dazu haben.

Das ist ein kurzes, aber getreues Bild von der furchtbaren Ueberschwemmung, die einen großen Landstrich betroffen hat. Noch läßt sich alles Elend und alles Unglück, das die Fluthen angerichtet haben, nicht bis in’s Detail summiren, da das Wasser noch fußhoch und an vielen Stellen bis an die Häuserdächer das Werder bedeckt; so viel steht aber fest, daß Montau verschwunden, außerdem noch viele andere Häuser fortgerissen, viele Menschen umgekommen oder verarmt, viele Thiere ertrunken und große Landstrecken versandet sind. Die Wintersaat ist wohl gänzlich zerstört und theilweise auch die Aussicht auf einen Ertrag der Sommerernte, denn das Wasser kann vielleicht noch Wochen lang stehen bleiben.

Gegenwärtig hat man zwar schon Anstalten zur Wiederherstellung der durchbrochenen Dämme getroffen und mit dem Bau eines Fangdammes begonnen; eine solche Arbeit ist aber sehr schwierig und erfordert Zeit, und so werden die armen Bewohner des Werders mindestens drei bis vier Wochen Wasserstand haben und die Folgen dieser fürchterlichen Ueberschwemmung noch Jahre lang drückend fühlen.




Gesundheitsregeln.

Die weibliche Kleidung.

Die gesunde Leber.

Die Frauen verdanken eine Menge von beschwerlichen und gefährlichen Krankheiten ihrer theils unzweckmäßigen, theils ungenügenden Kleidung, und zwar deshalb, weil diese entweder selbst als Krankheitsursache wirkt oder den krankmachenden Einflüssen leichten Zutritt zum Körper gestattet. Um dies erklärlich zu finden, erinnere man sich nur an Das, was der Körper zu seiner regelmäßigen Erhaltung verlangt (s. Gartenl. Jahrg. III. Nr. 6). Er braucht zuvörderst ein gutes Blut, welches flott durch alle Organe des Körpers hindurch läuft, sodann bedarf er aber auch noch des gehörigen Wärmegrades und des zweckmäßigen, mit gehöriger Ruhe abwechselnden Thätigseins aller seiner Theile. Die Bereitung eines guten Blutes ist nur bei guten Verdauungs- und Athmungsorganen

  1. Die Zeitungen erzählen noch folgende Episode aus Marienburg vom 2. April: „Vorgestern Abend wurde, aus den Fluthen gerettet, eine alte Frau mit einem Kinde von Gr. Montau hier eingebracht, die wohl das Schrecklichste erlebt hat, was ein Mensch erleben kann. Sie saß mit ihrem Schwiegersohne, dessen Frau und Kindern und einem Pflegekinde, im Ganzen acht Personen, auf dem Dache, als dasselbe plötzlich einbrach und alle in die Fluthen stürzten; sie retteten sich sämmtlich auf einer Bohle und trieben in dem reißenden Strome hinunter. In der Todesangst sieht sie sich zum Oefteren nach ihren Angehörigen um, sieht aber immer weniger auf dem Brette, bis sie zuletzt mit einer Enkelin und dem Pflegekinde allein ist. Sie wurden jetzt durch ein Dorf getrieben, wo sie auf einem ganz nahen Hofe drei Männer in einem Kahne sieht, die sie nun auf das Erschütterndste bittet, sie zu retten; die Männer rühren sich nicht, und sie schwimmen weiter. Außerhalb des Dorfes verschwindet auch das Mädchen unter den Fluthen; später trieb sie durch noch ein Dorf; dann schwand ihr Bewußtsein, bis sie auf einem Bette erwachte; sie war schon erstarrt, als sie gerettet wurde.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Nogart
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_213.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2023)