Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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No. 16. | 1855. |
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„Ich sah Sie diesen Morgen bei der Fontaine!“ stammelte sie. „Mein Gott, wie froh bin ich, daß es keine Täuschung war! Und dennoch mußte ich daran glauben.“
„Amalie, dann setzen Sie wenig Vertrauen in mich!“ sagte Albrecht im Tone sanften Vorwurfs. „Nach unserer letzten Unterredung in Spaa hätte ich Ihre heimliche und schnelle Abreise für unmöglich gehalten.“
Sie warf einen seelenvollen Blick auf den Baron.
„Für unmöglich?“ fragte sie weich.
„Oder sollte ich anmaßend genug gewesen sein, ein Glück vorauszusetzen, dessen ein Anderer würdiger gewesen?“
Sie trat rasch zu ihrer Toilette und holte einen Brief hervor.
„Lesen Sie!“
Der Baron las: „Angebetete Amalie! Die Vorsehung hat es gewollt, daß ich ein Duell zu bestehen hatte. Mein Gegner ist zugleich Ihr gefährlichster Feind, denn er entbrennt in lasterhafter Begierde zu Ihnen und sucht Sie mit allen Künsten der Hölle zu umstricken. Noch lebt sein ihm angetrautes Weib, und schon richtet er die lüsternen Blicke nach Ihnen, die er durch Schmeichelworte und Lügen zu berücken hofft – die heilige Jungfrau, unsere Schutzpatronin, hat Sie vor Ihrem listigen Feinde sicher gestellt, denn der Baron von Beck athmet nicht mehr, er ist in dem Zweikampfe gefallen, zu dem er mich gewaltsam gezwungen. Vereinigen wir uns diesen Abend zu einer Wallfahrt nach dem Gnadenbilde, um gemeinschaftlich unser Dankgebet abzustatten. Nehmen Sie die Versicherung treuester Ergebenheit von – Alphons von Funcal.“
„Was ist das? Was ist das?“ fragte der überraschte Albrecht.
„Diesen Brief," flüsterte Amalie, „erhielt ich Mittags zwölf Uhr – um ein Uhr reiste ich ab," fügte sie bewegt hinzu, „da mich nichts mehr an Spaa fesselte, als eine traurige Erinnerung. Wenn ich jetzt meine Freude über Ihr Wiedersehen ausspreche, so habe ich keinen andern Grund, als daß Sie dem Leben und – Ihrer Gattin erhalten sind.“
„Amalie!“
„Auf einen Besuch, Herr Baron, habe ich nicht gerechnet!“
Sie nahm mit einer Verbeugung den Brief aus seiner erstarrten Hand, und verbarg ihn wieder in dem Kasten der Toilette.
„Himmel, welche geheimnißvolle Macht verfolgt mich!“ sagte Albrecht, der von seinem Erstaunen kaum zurückkommen konnte. „Das Duell hat wirklich stattgefunden, ich konnte ihm nicht ausweichen, da meine Ehre verletzt war und vielleicht auch meiner Sicherheit Gefahr drohte; aber nicht ich ward verwundet, sondern mein Gegner, der vielleicht in diesem Augenblicke nicht mehr athmet.“
„Herr von Funcal verwundet?“ fragte Amalie mit einem schmerzlichen Lächeln. „Wann fand das Duell statt?“
„Kurz vor Mittag.“
„Jener Brief ist von seiner eigenen Hand geschrieben, die ich genau kenne – wie ist es möglich, daß er ihn gleich nach dem Kampfe verfassen und absenden konnte? Da Sie an seinem Leben zweifeln, muß er schwer verwundet sein – – “
Der Baron begriff, daß Amalie nicht anders urtheilen konnte.
„Das ist allerdings seltsam!“ murmelte er verwirrt. „Ich begreife nicht, wie das möglich ist – aber, Amalie, wie der Brief die Lüge von meinem Tode enthält, die ich durch meine unverletzte Person constatire, so sind auch die übrigen Angaben falsch.“
„Sie wären nicht verheirathet?“ fragte Amalie mit einem hellen glänzenden Blicke.
„Ich war es! Eine unbesonnene Jugendschwärmerei ließ mich den Schritt ohne Vorwissen meines Vaters thun. Aber Katharina ist längst todt, und jenes Billet von ihr, das Sie kennen – “
„Das ich kenne, Herr Baron?“ fragte Amalie verwundert. „Sie erlauben mir die Versicherung, daß der Brief des Herrn von Funcal mir die erste Andeutung gab – hätte ich ahnen können,“ fügte sie mit beleidigtem Stolze hinzu, „daß Sie bereits durch heilige Bande gefesselt seien, ich würde Ihre zärtllche Annäherung mit Verachtung zurückgewiesen haben!“
Bei den letzten Worten zitterte ihre Stimme, und das feine Roth ihrer zarten Wangen verwandelte sich in Purpur. Albrecht hatte keinen Grund, an der Wahrheit dieser Entrüstung zu zweifeln.
„Jenes Billet,“ stammelte er verwirrt, „befand sich in dem Taschenbuche, das Sie mir als Andenken verehrten.“
„Unmöglich, mein Herr!“
„Verzeihung, mein Fräulein, wenn ich beharre! Aber ich würde es nicht gefunden haben, wenn es mir Herr von Funcal nicht bezeichnet hätte.“
„Herr Baron, welchen Plan verfolgen Sie mit mir? Soll ich an eine Mystification glauben? Mein Taschenbuch ist nie in den Händen Funcal’s gewesen – “
„Und dennoch fand ich unter dem schwarzen Blatte das Papier. Amalie, lassen Sie uns vereint forschen! Jener Funcal hält uns mit unsichtbaren Banden umschlungen – begreife ich doch selbst nicht, wie er die Ereignisse meines Lebens erfahren. Aber das ist mir klar, daß er mich als seinen bevorzugten Nebenbuhler betrachtet und kein Mittel scheut, mich aus dem Wege zu räumen. Amalie, ich liebe Sie heiß und innig – können Sie sich der Sphäre entrücken, der Sie bisher
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_205.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)