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Seite:Die Gartenlaube (1855) 189.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

No. 15. 1855.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.
Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 121/2 Ngr. zu beziehen.

Braut und Gattin.
Von A. v. W.
(Fortsetzung.)


Amalie zeigte sich nun in einer so reizenden kindlichen Unbefangenheit, daß sich in Albrecht’s Brust die Leidenschaft für sie mit jeder Minute mehrte, die er in ihrer Nähe zubrachte. Sie schien mit einer übernatürlichen Macht begabt zu sein, die ihn zur Bewunderung und Liebe zwang. Kokett, ohne daß sie es wußte, errang sie einen raschen und sichern Sieg. Ihr Lächeln fesselte, und ihre Blicke berauschten. Ihre harmonische Stimme verlieh den Worten jenen Zauber, der sich in allen ihren Bewegungen aussprach. Wie schmerzlich ward Albrecht berührt, als sie ihm mittheilte, daß sie in einigen Tagen nach Aachen abreisen würde, um ihren Onkel zu erwarten, der um diese Zeit von Wien dort eintreten müsse.

„Ich habe,“ fügte sie hinzu, „den vergangenen Winter bei einer Tante in Brüssel verlebt. Auf den Rath der Aerzte ging ich vier Wochen nach Spaa, um einem Nervenleiden vorzubeugen, dessen Keim ich in mir trage. Und wahrlich, ich muß bekennen, daß die Luft dieses Thales mich wunderbar gestärkt hat, ich werde Spaa nie vergessen.“

Albrecht konnte kein Mißtrauen mehr in Amalie setzen, er hielt nicht nur die Annäherung Funcal’s für sehr natürlich, er würde auch jeden Fehler gerechtfertigt haben, den dieser Engel begangen hätte. Er schlug einen Spaziergang durch die schattige Brunnenallee vor – ihre Bereitwilligkeit dazu schien eine Herablassung zu sein, die ihn mit einem freudigen Stolze erfüllte. Sie rief durch eine Glocke ihre Kammerfrau, mit deren Hülfe sie Hut und Shawl anlegte. Beide machten einen Spaziergang von einer Stunde. Als Albrecht von ihr schied, nahm er die Gewißheit mit sich, daß die Bewerbungen des Herrn von Funcal ohne Erfolg bleiben würden.

Vier Tage verflossen, und immer noch dachte Amalie nicht an die Abreise. Albrecht war selig, denn nach den Erfahrungen, die er in dieser Zeit gemacht, konnte nur er der Grund zu der Verzögerung sein.

„Sie darf nicht allein reisen,“ dachte er; „ich begleite sie nach Aachen. Bin ich nicht Herr meiner selbst?“

Herr von Funcal schien verschwunden zu sein.

Es war am Morgen des fünften Tages, Albrecht schickte sich an, Amalie durch die Promenade zu begleiten, als sein Diener in das Zimmer trat und ihm eine Karte überreichte. Ueberrascht las er den Damen Alphons von Funcal.

„Wer übergab sie?“

„Der lange blasse Herr, nach dem ich seit einigen Tagen vergebens Erkundigungen eingezogen habe. Er bittet um eine Unterredung.“

„Ich bin bereit, ihn zu empfangen.“

Der Diener ging, um Herrn von Funcal eintreten zu lassen. Der blasse Mann trug elegante schwarze Kleider, so daß seine kostbaren Brillanten deutlicher hervortraten. Er grüßte mit kalter Höflichkeit.

„Herr Albrecht von Beck?“ fragte er.

„Er steht dem Herrn von Funcal gegenüber.“

„Und ich hoffe, als ein Mann von Muth und Ehre!“ sagte der blasse Mann, indem er die stechenden Blicke seiner grauen Augen fest auf Albrecht heftete.

Dieser trat verwundert einen Schritt zurück.

„Mein Herr, sollten Sie an dem Letztern zweifeln, so finden Sie mich bereit, das Erstere zu bewähren.“

„Es wird sich bald zeigen, ob ich mich in meiner Erwartung täusche,“ sagte Herr von Funcal mit großer Ruhe und Kaltblütigkeit. „Sie haben sich auf eine geschickte Weise in den Besitz eines Gegenstandes gesetzt, aus dem sich zarte Beziehungen zu einer Dame herleiten lassen, die unter meiner Obhut steht. Ich ersuche Sie, mir das Portefeuille Amaliens von Paulowska zurückzugeben

Und Herr von Funcal begleitete diese Worte mit so furchtbaren Blicken, als ob er den vor Zorn bebenden Albrecht durchbohren wollte.

„Mein Herr“ antwortete der junge Mann mit bebender Stimme, „obgleich ich Sie in diesem Augenblicke zum ersten Male spreche, so habe ich doch allen Grund, Sie für einen Wahnsinnigen zu halten. Sie kennen mich nicht, und doch zeihen sie mich einer ehrlosen Handlung, für die ich die Mystification einer jungen liebenswürdigen Dame halte, die in ihrer Einfalt sowohl den Worten scheinheiliger Gleißner, als denen raffinirten Roué’s Glauben schenkt. Wer giebt Ihnen das Recht, ein Geschenk zurückzufordern, das ich mir zwar erbeten, aber das mir Amalie ohne den geringsten Zwang ertheilt hat? Wer giebt Ihnen das Recht, frage ich, eine völlig unabhängige Dame vertreten zu wollen, die einen Mann Ihrer Art verlacht, wenn sie ihn nicht bemitleidet? Entfernen Sie sich, lieber Herr, ehe ich meine Ansicht von Ihnen ändere!“

Herr von Funcal lächelte wie ein Mensch, der zu stolz ist, um seine Ueberlegenheit zerschmetternd wirken zu lassen, der es verschmäht, einen Schwachen zu vernichten.

„Ich sehe, ich habe mich getäuscht!“ antwortete er mit einer eisigen Ruhe, die durch das Lächeln furchtbar ward. „Darum muß ich zu Mitteln meine Zuflucht nehmen, die ich aus Rücksicht für Sie gern unberührt gelassen hätte. Um als Cavalier die Formen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_189.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)