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Seite:Die Gartenlaube (1855) 171.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

ungewöhnliches war, man mußte die Augen künstlich einstellen. Wer in dergleichen Experimenten nicht geübt war, konnte entweder ein Zusammenfallen der beiden Bilder gar nicht ermöglichen oder an sich den Gegenstand matt oder undeutlich. Eine neue Form war zwar bald gefunden, aber alle Verbesserungen, die Wheatstone anbrachte, waren nicht der Art, daß der Apparat eine allgemeine Verbreitung zuließ. Daher gehen wir auf eine Beschreibung derselben hier auch nicht näher ein, wenn schon die erste Einrichtung, die Wheatstone dem Stereoskop gab, und die bald zu besprechende Brewster’s noch heute die beiden klassischen genannt werden. Und doch wird aus den angegebenen Gründen Wheatstone’s Spiegelstereoskop dem Leser schwerlich zu Gesichte kommen; daher sei nur gesagt, daß, wie es der Name schon andeutet, man hier nicht die Zeichnungen, sondern nur deren Spiegelbilder sah.

Alle Uebelstände, die Wheatstone’s Apparate hatten und ihre Verbreitung über die wissenschaftlichen Kreise hinaus verhinderten, wurden durch einen genialen Gedanken des schottischen Physikers Brewster mit einem Schlage auf das Leichteste und Vollkommenste beseitigt. Er ersetzte die Spiegel oder Prismen, bei deren Anfertigung sich namentlich erhebliche Schwierigkeiten geltend gemacht hatten, einfach dadurch, daß er eine biconvexe Linse, alo ein auf beiden Seiten erhabenes Brillenglas, in zwei Hälften zerschnitt und so zwei genau übereinstimmende Linsen erhielt. Dadurch wurde es möglich, dem Apparat eine gefällige und leicht handzuhabende Form, die, wie die nebenstehende Abbildung zeigt, einige Aehnlichkeit mit einem Operngucker hat, zu geben. Nach dieser Zusammenstellung ist das Stereoskop ein Kistchen aus Holz oder Pappe, in welchem sich oben eine Oeffnung befindet,

die mit einem leicht beweglichen Deckel versehen ist. Die innere Seite des letzteren ist mit Gummifolie belegt, die zur Beleuchtung von Zeichnungen auf undurchsichtigem Grunde dient, indem das Licht von der metallischen Fläche, sobald der Deckel aufgehoben ist, auf die Zeichnung geworfen wird. Letztere wird durch einen Spalt an der Seite eingeschoben; ist die Grundlage eine durchsichtige, wie bei den Bildern der Zauberlaterne, so muß das zurückgeworfene Licht abgehalten werden, die obere Klappe wird daher geschlossen. Entweder hat der Apparat hinten keine Wand, oder es findet sich hier eine Klappe, die geöffnet wird, um dem Licht den Durchgang zu gestatten. An der andern Seite erblicken wir zwei Röhren, die Behälter für die Linsen. Der Abstand beider kommt überein mit dem der Augen im Kopfe, so daß man also ohne Mühe in den Kasten hineinsehen kann. Mitunter sind sie beweglich und dann kann man sie für jedes Sehvermögen bequem einstellen. Durch die Beschaffenheit der Linsen kann man auch jede beliebige Vergrößerung der Bilder bewirken.

Die Größenverhältnisse, nach denen die Apparate gebaut werden, sind gewöhnlich sieben Zoll für die Länge, einige Linien mehr für die Breite und die Höhe macht die Hälfte der Breite aus. Sie werden auch in bedeutend kleineren Verhältnissen hergestellt; ja Brewster hat sogar ein Taschenstereoskop in den kleinsten Ausdehnungen construirt, das dennoch den größeren Apparaten in nichts nachstand und ebenso befremdende Wirkungen hervor zauberte, wie diese. Er befolgte hier eine Oekonomie, bis zu der es bis dahin die Optik noch nicht gebracht hatte; aus einer Linse, die er viertheilte, baute er zwei Apparate. Außer den erwähnten klassischen Formen giebt es noch viele andere – wohl bald 20 – nach denen der Apparat eingerichtet wird. Weiteres aber darf ich darüber nicht berichten, da sie meistens nur für bestimmte Zwecke ersonnen sind und nur für den Physiker Interesse haben.

Dies ist die einfache Einrichtung des Apparates, von dessen wunderbaren Wirkungen bereits in Nr. 21 die Rede gewesen ist. Der Apparat thut hierbei weiter nichts, als das Sehen zu erleichtern; der ganze Zauber ist nur das Werk der Zeichnungen. Daher können wir ihn auch bei einiger Uebung ohne jenen allein durch unsere Augen hervorrufen. Auch hier giebt es geringe Kunstgriffe, durch die man das Zusammenfallen der Bilder erleichtern kann. Allein diese Versuche sind den Augen nicht zuträglich; eine öftere Wiederholung sogar entschieden schädlich und daher sehr davor zu warnen. Der bekannte Physiker Dove, der diese Versuche anstellte, da sie von großem physiologischen Interesse sind, sagt, daß namentlich der Eindruck ein ganz sonderbarer sei, wenn die Bilder sich zu einem Körper vereinigen; es sei, als wenn sie, so wie sie sehr nahe an einander gekommen sind, sich mit beschleunigter Geschwindigkeit anzögen. Bei dieser Gelegenheit erzählt er noch eine andere interessante Thatsache. Legen zwei Personen die Stirnen gegen einander und sehen sich dann anhaltend gegenseitig in die Augen, so fallen zuletzt für einen jeden die Augen des anderen in ein großes Auge in der Mitte der Stirn zusammen.

Was nun die Anfertigung der beiden unähnlichen Zeichnungen betrifft, die zusammen gesehen ein so getreues Gegenstück des Originals geben, daß keine Macht der Einbildung in dem Beschauer die Ueberzeugung erwecken kann: er habe eine auf einer Ebene entworfene Zeichnung vor Augen, – so werden einfache, namentlich geometrische Figuren sehr leicht nach mathematischen Regeln entworfen. Statt ihrer kann man auch paarige Figuren aus Draht oder dünnen Holzstückchen in das Stereoskop bringen, um denselben Genuß zu haben. Ja auch die Gegenstände selbst kann man in Anwendung bringen, und hier wird man durch das, was man sieht, fast zur Verzweiflung gebracht. Stellt man z. B. ein großes und ein kleines Glas in gehöriger Entfernung von einander auf, so sieht man doch, so sehr man auch dagegen zu protestiren versucht, das kleinere in dem größeren. Sind sie dagegen von gleicher Gestalt und Größe, so stellt sich natürlich nur ein einziges dar. Beide Zeichnungen finden sich auf einem Blatte und die richtige Aufstellung desselben kann leicht durch Hin- und Herrücken von dem Ungeübten gefunden werden. Betrachten wir z. B. die nebenstehenden Zeichnungen durch das Stereoskop, so gewährt uns Fig. 1 den Anblick einer abgestumpften Pyramide und Fig. 2 den eines Korbes mit einem Henkel.

Als wichtiges Hülfsmittel bei Anfertigung effectvollerer Zeichnungen, die uns im Stereoskop Portraits, Statuen, Ansichten der Natur, Gebäude etc. vorführen sollen, – Aufgaben, die selbst der kunstfertigsten Hand große Schwierigkeiten machen oder von dieser gar nicht auszuführen sind, – leistet das Daguerreotyp wesentliche Dienste. Zunächst aber waren hier erhebliche Hindernisse zu beseitigen. Das Genie Brewster’s hatte wohl Rath geschafft. Man wendete auch hier den Kunstgriff, das Zerschneiden der Linsen an und verwandelte dadurch, daß man an der dunkeln Kammer die beiden Hälften der Linsen in dem Abstande der Augen anbrachte, das Daguerreotyp so zu sagen in ein Stereoskop; – aber ein solcher Apparat war nur geeignet zur Aufnahme von Kunstwerken, die nicht einen Fuß Höhe überschritten. Wollte man größere Werke nachbilden, so mußte man die Linsen in demselben Verhältniß unter einander stellen, als der Gegenstand die angegebene Größe überschritt; also z. B. bei einer Statue von 10 Fuß Höhe zehnmal 21/2 Zoll. Wären jedoch nicht andere Mittel gefunden, so würde der Gebrauch des Daguerreotyps zu diesem Zweck stets nur ein beschränkter geblieben sein. Jetzt nimmt man mit ein und demselben Instrument, in gleicher Entfernung und unter demselben Winkel zwei Ansichten von ein und demselben Gegenstande auf, die eine einige Schritte rechts, die andere ebenso weit links. Die Entfernung richtet sich nach der Größe der Bilder, die man erhalten wird.

Der Abbé Moigno erzählt uns in seiner Optik, daß man diese wichtige Verbesserung dem französischen Optikus Jules Duboscq zu verdanken habe, und hierdurch bekundet der gelehrte französische Physiker eine sehr große Unkenntniß der deutschen wissenschaftlichen Literatur. Der Professor Moser in Königsberg hat nämlich schon

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_171.jpg&oldid=- (Version vom 27.3.2023)