Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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trocknen die Pfeifen auf dem „Dürrbratte.“ Haben sich Roller und Kaster gut zusammen eingearbeitet, so können sie wohl täglich 800 Stück fertigen.
Sind die Pfeifen dann gebrannt (theils in Kästen, welche mit gestoßener und gebrannter Pfeifenerde gefüllt werden, theils nach französischer Manier in Kapseln), so werden sie noch mit einer Art Lack, aus weißem Wachs, Tragant, Seife und Wasser bestehend bestrichen und mit Flanelllappen abgerieben. Dann erst ist die Pfennig- oder Dreierpfeife fertig und würdig, aus so vielen fleißigen Händen in die Hand des Proletariers zu wandern. Die nassauer Pfeifen haben aber schon die englischen, welche doch die ersten waren, zurückgedrängt, trotzdem, daß John Bull es erzwingen wollte und den Thon noch vor einigen Jahren über Cöln und Bonn aus der hiesigen Gegend bezog.
Die eigentlichen „Häfner“, welche nur gemeines Geschirr verfertigen, giebt es auch in ziemlicher Anzahl hier, und es wird gar viel mit Thonschlägel und Töpferscheibe gearbeitet. Aber gar viele Waaren, wie Figuren, Zierkacheln etc. werden in Formen aus Metall oder aus Gyps, wohl auch von Birnbaumholz abgedrückt und es ist überraschend, wie nette und kunstreiche Gebilde der Krugbäcker schaffen kann. Die gemeine Glasur besteht aus Bleiglanz (5/8) und geschlemmtem Lehm (3/8), die feinweiße aber aus Sand, welcher auf der Glasurmühle fein gemahlen worden ist. Die farbigen Glasuren, so wie die farbigen Zeichnungen erlangt man meist durch metallische Zusätze, grün z. B. durch Kupferasche, braun durch Hammerschlag, dunkelgelb durch Schwefelantimon, blau durch Zaffer (Saflor, d. h. hier geröstetes Kobalterz, mit Quarzpulver vermischt), weiß durch Zinnoxyd. Diese Farben werden theils vor, theils und besser nach dem Glasiren aufgetragen und dann die betreffenden Gefäße nochmals gebrannt. – Auch glättet man Speise- und Trankgeschirre oft mit calcinirtem kohlensauern Natron, dem feiner Sand und Kreidepulver beigemischt ist; auch Flußspathpulver hat dabei eine zweckmäßigere Anwendung gefunden als früher, wo man es genoß, und man hat den Vortheil, eine bleifreie, bessere Glasur zu bekommen. Die Oefen sind länglich viereckig und nur flach gewölbt und sind in den inneren Raum oder „Ständer“, wo die zu brennenden Gefäße stehen, und in den äußeren Raum, oder die „Feuerkammer“ abgetheilt. Die Einsetzöffnung wird zugemauert, die Geschirre müssen glühen und erst nach dem Erkalten nimmt man sie heraus. Die Mineralflaschen werden meist während ihres Tage langen Brennens durch hineingestreutes, verdampfendes Salz oder feingepulverte Schlacken glasirt.
Interessant ist ein Stündchen Aufenthalt in der Fabrik des Herrn Knödchen in Baumbach. Hier bäckt man alle Jahre ganze Schaaren von „Biertöpfchen,“ welche vorzüglich in’s gesegnete Bierland Baiern, ebenfalls zahlreich aber nach Sachsen, Thüringen, und trotz der almeroder Fabrikation, nach Hessen gehen. Welche Heerschaaren von Töpfchen! Mir fiel dabei, indem ich an die Bocksaisons dachte, das Wort meines alten Lehrers ein: „In Bechern und Kannen ertrinken mehr Leute, als in allen Meeren.“ – Aber nicht blos Krügel bäckt der Mann; nein, auch Kannen, Eimer, Fässer sogar; Fässer für Sauerkraut, Butter, Fleisch, Wein und Wasser; nicht der Klempner schlägt ihm mehr seine Dachrinnen, und nicht mehr Meister Brunnengräber bohrt ihm seine Wasserröhren aus, nein, er bäckt sie sich und Anderen. – Wunderbar, wie schnell ein Handelsartikel oft breit greift! Knödchen’s Fässer gehen stark nach dem Süden, nach Italien, und die Leute danken es dem deutschen Töpfer, daß sich ihre Waare in dem Fasse frisch und lange hält. Schmeckt’s doch auch weit besser aus dem „steinernen Geschirre,“ als aus dem Lederschlauche oder dem hölzernen Zuber, und wäre man Etwas eitel, so könnte man dem Kaiser Tsching-f-ang oder dem Böotier Tychus (den angeblichen Erfindern der Schlauchbereitung) den Triumph streitig machen. Diese Geschirre, so wie die nassauer Pfeifen haben darum aber auch, was nicht minder sagen will, in der großen Welthalle zu London ihre Anerkennung gefunden.
Der Großhandel mit diesen Waaren ist jetzt, wo Straßen und Eisenbahnen die Verbindungen directer machen, nicht mehr einzig und allein über die benachbarten Großstädte im Gange; jedoch führen ihn Frankfurt, Mainz, Koblenz und Köln noch zum großen Theile.
Aber solch’ ein Kulturbildchen im deutschen Vaterlande bleibt nicht immer versteckt. Da ist der große, adelnde industrielle Geist der Gegenwart herangetreten, der mit der Nützlichkeit auch die Schönheit vereinbaren will und hat gezeigt, daß bei aller Dauerhaftigkeit des Stoffes und bei aller Wohlfeilheit desselben, „die plumpe Massigkeit nicht jenen Gefäßen wesentlich innewohne.“ Die Regierung hat diesen Tadel vernommen und beherzigt; sie hat Gewerbschulen errichtet; sie nimmt lediglich Rücksichten auf diese Fabrikation; sie sorgt für gute Formenschneider, und es ist nicht zu leugnen, die Erfolge sind sichtlich, der gute Geschmack zeigt sich in den Zierrathen der Oefen, sowie in ganz neuen, freieren Figuren. Saubere Kunstsachen gehen aus der einfachen Töpferwerkstätte hervor; die Kunst ersteigt aus dem formlosen Thon- und Lehmklumpfen. Für wenige Kreuzer oder Dreier kann man nürnberger Künstlerbecher, Büsten der Großen unserer Nation, Jagdstücke, Blumen, ja Nachbildungen des kölner Domes als Trinkkrüge bekommen. Ja, der Humor bildete den wandernden Töpfer mit seinen Töpfen und Kannen und rohen Thonschollen schon selbst ab, wie er, gleich dem Tyroler oder dem Schwarzwälder oder dem Erzgebirger in’s weite Land hinauszieht, um in dem Auslande die Erzeugnisse seines lieben Westerwaldes feil zu bieten; und dabei ist dem friedlichen Völklein dieser Goldmacher in einem Winkel des deutschen Vaterlandes ein froher Muth und ein rechter Stolz auf ihre Heimath angeboren, auf ihr liebes „Krugbäckerland.“ –
Vor wenigen Tagen schrieben die preußischen Zeitungen: „Der Geheime Ober-Regierungsrath Jacobi hat seine Entlassung aus dem Staatsdienste nachgesucht.“ Das Auge von vielen tausend Lesern schlüpfte gleichgültig über diesen Passus fort und Mancher sagte sich wohl zum Troste: Einen mehr oder weniger. Auch wir waren nicht ganz ohne diese Beruhigung, und doch! – es drängte sich uns eine Reihe von Erinnerungen auf, die sich an die funfzigjährige Wirksamkeit dieses Mannes anknüpfen. Jacobi ist der unermüdliche Reformator des Gefängnißwesens in Preußen gewesen; er hat auf einem Felde viel geschaffen, wo Alles zu schaffen war, er hat den Geist der Humanität in die düsterste Zelle eingeführt.
Sonst und Jetzt – sie stehen sich wie Nacht und Tag gegenüber. In der Ferne liegen die Zeiten, wo das Genie eines Dambach jene Zinkkasten vor den Fenstern erfand, die den armen Gefangenen kaum eine Hand breit Himmelsbläue übrig ließen; auch jene fingerdicken mattgeschliffenen Scheiben sind nicht mehr, die dem Auge nur ein trostloses, entnervendes Dämmerlicht zuführten, über welche die Bilder der nächstliegenden Außenwelt nur wie fahle, graue Spalten der camera obscura huschten; bald wird man nicht mehr daran glauben wollen, daß das Laster einst in miserable, stumpfige, stinkende, schmutzige Zellen zusammen gepfercht war, wo eine gemeinsame Prostitution der Seelen sich in den ekelhaftesten Ausbrüchen der Rohheit Luft machte. Es ist das Alles anders geworden, Licht, Luft, Reinlichkeit und Ordnung sind die Cardinalpunkte des modernen Gefängnißwesens. Es ist in der materiellen Lage der Gefangenen durchweg eine Verbesserung eingetreten; wie weit auch über diese Aeußerlichkeit hinaus die humane Sorge des Staates sich erstreckt, was er mit der Behandlung des Gefangenen bezweckt, und was er erreicht, das sind Fragen, an denen sich das Hirn manches Weltweisen erschöpft hat.
Es war an einem schönen Sommertage des vorigen Jahres; ich wollte die türkische und alle anderen brennenden Fragen der Welt vergessen, und vertraute mich wohlgemuth dem geschäftigen Boten der Zukunft, dem Dampf und seiner schnaubenden, pfeilgeschwinden Masse an. Mein Sinn stand diesmal nach Rübezahl’s Märchenwelt, nach dem Riesengebirge, nach seinen schneeigen Gipfeln
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_149.jpg&oldid=- (Version vom 15.3.2023)