Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Einer quer kam, dann war er rasend und unbändig. Freilich war fünf Minuten d’rauf alles vorbei. Er that der Caritas Alles, was er konnte, und wenn sie ihn anlächelte, dann wär’ er in den Tod gangen, wenn sie’s verlangt hätt’. Ich laß mir’s nicht ausreden, daß sie ihn lieb hatte, denn ich weiß auch, wie viel Uhr es ist, wenn die Gamsel pfeift; aber sie ist immer gar ein spröd’ Dirnd’l gewesen, und sollt’s Niemand recht wissen, wie es um ihr Herz stand. Das war des Dirnd’ls Stolz. Es sollt’s halt Niemand merken, daß es wär’ wie andre Dirnd’ln und a’n Buab’n lieben thät.“
„Nun, und der Aegidi?“ fragte ich.
„Richtig,“ sagte er d’rauf, „es ist gut, daß Ihr mich wieder in’s Gleis bringt! Drüben zu Zierl, da wohnt ein Geigen- und Guitarrenmacher, der Prozelter heißt, ein fleißiger, geschickter Mann; hat aber fünfzehn Brotknapper, und das ist viel für einen Geigenmacher, auch wenn er noch so fleißig ist; aber alle fünfzehn waren sie hart wie Eicheln und Holzäpfel, und blühten, wie die Rosen, auch wenn sie nur dreiviertel satt hätten, und bildschön waren sie alle, absonderlich sein Aelt’ster, der Aegidi. Ich selbst muß sagen, wenn er neben dem hübschen Nazi stand, so hätt’ ich auch dem Aegidi den Preis zuerkannt. ’S war ein Blitzbuab, und seine blauen Augen sahen in’s Herz ’nein.
„Seltmals an der Klaus, da waren die Zweie und die Caritas auch. Als die Caritas den Nazi zum Tänzer hat und mal stehen bleibt, um zu verschnaufen, tritt der Aegidi zu dem Nazi, reicht ihm die Hand und sagt: „Grüß’ Gott, Nazi, Du hast das schönst’ Dirnd’l im Land, Nazi; darf ich mal mit ihr tanzen?“
„He!“ ruft da die Caritas aus, „Zierler, ich bin mein eigen und der Nazi hat kein Recht an mich. Wenn d’ mit mir tanz’n willt, mußt mi selber bitt’n!“
„Da zuckt der Nazi zusammen, als hätt’ ihn eine Natter gestochen. Er beißt die Zähne auf einander und läßt ihren Arm fahren und geht fort.
„Da wird das übermüthig Dirnd’l bleich vor Schreck.
„Thut nichts,“ sagt der Aegidi Prozelter; „faß’ Dir’s nicht z’ Herzen. S’ist ein Störriger, ich kenn’ ihn schon! Tanz’ mit mir, Du schön’s Dirnd’l! Du Lieb’s!“
„Da schaut sie ihm in die blauen Augen hinein, und sie sieht ihn doch zum ersten Mal, aber der hat’s ihr angethan, wie sie’s den Andern, und sie tanzt den ganzen Abend mit ihm und war nie so froh, und die Lieb’ saß im Herzen tief.
„Wie gesagt, es wär’ zu Mord und Todtschlag gekommen, wenn die Haltfeste nicht dagewesen wären, denn der Nazi schäumte vor Zorn, weil ihm die Caritas solche Schmach angethan und nun mit dem Aegidi alsfort tanzt und mit ihm scherzt und lacht und dann als mal nach dem Nazi blickt, als wollt’ sie ihm äffen und sagen: „Er ist mir lieber, als Du!“
„Es ging ohne Raufen ab, aber der Funken lag unter der Asche und brannte heiß fort. Vierzehn Tage sah der Nazi nicht ’nüber nach dem Haus mit den Bildern und war betrübt im Herzensgrund. Da begegnet ihm einmal die Caritas.
„Bist noch bös?“ fragt sie und lächelt ihn an, daß ihm schier das Herz bricht.
„Worüber?“ fragt er. „Bist ja Dein eigen und kannst den Zierler lieben, den Aegidi. Was liegt d’ran, wenn mir das Herz bricht!“
„O, Du Dalk!“ ruft sie aus. „Du dalketer Buab! Meinst, ich hätt’ den Aegidi lieb? Verstehst kein’ Spaß? Hab’ Dich ja nur hänseln wollen, Du Dalk?“
„Da durchzuckt’s ihn wieder bis in’s Mark. Er blickt sie an und sie lächelt wieder so, daß kein Mensch widerstehen konnt’.
„Caritas!“ ruft der aus – „ist das wahr? Hast mich doch lieb? Lieber, wie den Aegidi? – Sag’s noch einmal!“
„Du Dalk!“ ruft sie aus, „den Tauben und den Alten sagt man’s zwei Mal;“ und mit den Worten läuft sie fort, wie eine Gamsel, und der Nazi kann sie nicht einholen. Aber sie blickt noch mal um und nickt ihm zauberisch zu.
„Da steht er und fragt sich: „Ist’s wahr?“ Und es kommt wieder Freude und Lust in seine Seele und er jodelt wieder und man hört seine Juchzer weithin schallen; und sie lächelt ihm zu, und es ist Alles wieder gut und er meint, er hätt’ die Welt g’wonn’n!
„Noch Eins, Herr,“ fuhr der Alte fort, nachdem er aus seinem Seidel einen langen, starken Zug gethan, „noch Eins! Ich sagt’ Euch, des Nazi’s Mutter, die Krazenleitner’s Wittib, hätte nicht viel übrig, wenn’s Jahr um wär’ und dem Nazi könnt’ sie nicht viel geben, und ein Buab hat doch dies und das nöthig, eine Jupen, ein Hüt’l, Pulver und Blei, Tabak und Bier, und auch etwas für die Musikanten. Wo sollt’ das Alles herkommen? – Nun, drüben auf der Tyrolerseiten gibt’s Gamseln genug und hier hat sie der König gehegt und verhört. Da ist’s eine besondere Lust, ein zu bürschen, und das Wilddieben hält kein Mittenwalder für eine Sünd’. Da hat’s der Nazi gemacht, wie viele Andre auch; aber er ist ein besserer Schütz gewesen, als sie, und so oft er ging, bracht’ er ein Thier, ja manchmal zwei, daß er unter der Last krachte, und er konnt’ der Mutter noch Geld abgeben und hatte doch noch genug. Außerdem gab es noch einen Verdienst. Drüben im Tyrol verkauft der Kaiser den Tabak und die Cigarren, und die sind theurer und schlimm. Nun schmuggelte der Nazi hinüber Bündel Cigarren, und von Zierl kam Einer, der holt sie an der Stelle, wo sie der Nazi hintrug. Das warf ein Schönes ab, ein sehr schönes Stück Geld, Herr.
„Aber dem zierler Aegidi ging’s, was das Sackgeld betraf, wie dem Nazi. Er hatte in der Regel weniger, als Nichts, nämlich Schulden, und der alte Geigenmacher Prozelter mit seinem Rudel Brotknapper konnt ihm so wenig geben, als dem Nazi seine Mutter.
„Da lag auch nichts näher, als die Gamseljagd, zu der denn außerdem jedes Bergkind angeborne Lust trägt. Ich sag’ Euch, Herr, Ihr Leute aus dem Reich begreift so etwas nicht. Wenn Ihr Jagen geht auf ein Häsle oder Schnepfle, dann stolpert Ihr, wenn’s hoch kommt, über einen Kartoffelstock; aber den Gamseljäger umgiebt der Tod rechts, links, vorn und hinten, und das Thier ist schlau, hat seine Lauscher immer offen und seine Lichter sehen weit und seine Läufe sind flink, wie der Wind, und einen Wächter stellt’s aus, und wenn der pfeift, hui, dann geht’s über Grate und Gründe, über Gletscher und Schründe, und der Jäger hat nach tagelangem Spüren, Kämpfen und Mühen, für Todesgefahr und sauern Schweiß – das Nachsehen. Aber meint Ihr, das schrecke ab? – Fehlgeschossen! Grad’ das reizt, treibt, hastet und eifert. Und weiter geht’s und wieder in die Schneewelt hinein, thalab, bergauf – bis wieder eine Spur da ist. Und wer keinen guten Schutzpatron hat und dem heiligen Hubertus keine Kerze opfert, der mag d’heim bleiben und am Kachelofen hocken und das Jagen bleiben lassen. Hab’s erfahren in meinen jungen Jahren, Herr, und uf a’n Kerzen kam mir’s nit an und uf a’n Bissel Halsbrech’n a nit.
„Seit dem Fest an der Klaus trug aber der Nazi dem Aegidi einen Todeshaß, und ließ ihm sagen, er sollt’ ihm aus dem G’heg bleiben, sonst ging’s nicht gut ab, und sollt’ ihm auf der Gamseljagd nicht in Schußweit’ kommen, sonst könnt’ er ihn für a’n Gamsel halt’n! –
„Solch’ Trutzlied’l ohne Melodie und Weis’ gefiel dem Aegidi auch nicht baß; ließ daher zurück sagen: Das schöne Wild in Mittenwald steh’ ihm sicher; er würd’ sich’s schon selber holen und fürcht’ den dalketen Nazi nicht; und was die Jagd beträf’, so wär’ sein Stutzen gut und seine Kugel sicher, und es käm’ ihm auch nicht d’rauf an, eine Jupen für eine Gamseldecke und ein mittenwalder löcherig Hüt’l für ein Gehörn anzusehen.
„Das ging Schlag auf Schlag, Klapp auf Klapp, und der Krieg war erklärt. Beide aber gingen indeß um so lieber auf die Gamseljagd, weil’s noch ein ander Wild gab, als einen Gamsbock, und der Zorn im Herzen brannte, wie glühend Feuer und ließ ihnen keine Rast nicht.
„Einmal ist der Nazi ausgegangen früh Morgens und das Dirnd’l, die Caritas, hat ihm wieder gelächelt, so sakrisch, daß er einen Juchzer über den andern that und meint’, heut’ sei ein Glückstag für ihn; aber nirgends fand er Gamseln, und es war schon schier Mittag. Da streift er weiter in’s Tyrol ’nein, und plötzlich schaut er ein Rudel, das lag auf einer kleinen Matten, um die ringsum der Fels starrt, wie ein guter Mantel oder Schutzwand. Nur von unten auf, wo Lerchenwald und Gestrüpp war, konnt’ er anschleichen, aber es war ein halsbrechend Stück, denn der Abgrund war tief und das Gefels war zackig und kantig, und kein Weg noch Steg. Das hilft nichts; er muß ’nauf! Ohne Gamsel heim kommen, wär’ bittrer gewesen als Galle. Sie hätten ihn ja ausg’lacht. So steigt er denn ’nunter, wie ein Steinmarder, mit Todesgefahr, und endlich drüben ’nauf, ohne daß
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