Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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auch einige amerikanische sich in Freundschaft und Gemüthlichkeit herzlich anschließen. Eine seiner Töchter, an den Hauptlehrer eines „College“ verheirathet, wurde die reizendste Vermittlerin mit den gebildetsten, liebenswürdigsten Kreisen von Yankees, denen Yankeeismus und Know-nothings eben so lächerlich erscheinen, wie andern wahrhaft gebildeten Amerikanern.
Um die Bedeutung und Physiognomie New-Yorks richtig zu zeichnen, müssen wir von Auswüchsen und Mißbräuchen absehen. New-York ist der Welthandels-Spediteur aus Europa in das Innere Amerika’s und aus letzterem nach Europa zurück. Mit diesem Begriffe wird uns auf einmal das unabsehbare Kommen und Gehen von Segel- und Dampfschiffen auf der einen Seite klar, wie die stets dicht belebten Flüsse, Kanäle und Eisenbahnen, welche auf der andern Seite in’s Innere Amerika’s laufen, besonders nach dem großen Westen, und ausgetauschte Güter von da zurückbringen. Die rasche, politisch und polizeilich nie verhinderte Entwickelung dieser Bedeutung und Functionen des Platzes hat viele Auswüchse dieser freien, jungen Lebenskraft mit angesetzt, an welchen aber die Unfreiheit Europa mehr Schuld trägt, als die Freiheit Amerika’s. Können wir diese deutschen, französischen, irländischen Räuberbanden und Bummler den Yankees zum Vorwurf machen? Im Gegentheil, die Yankees sagten zu ihnen: Hier ist Freiheit, hier Geld für eure Arbeit, arbeitet nur. Und viele wurden freie Männer und lebten von ihrer freien Arbeit. Die Hefe, die zurückblieb, war europäische, durch das Blut der alten Welt unverbesserlich verdorbene Hefe. – Amerika selbst erzeugt aus seinem Boden keine schmutzigen, mit schiefgetretenen Stiefeln Broadway decorirenden Pflastertreter, sondern nur reinliche, gerade auftretende Arbeiter, die ihre Mußestunden in wissenschaftlichen Instituten, glänzenden Lesehallen und zu Hause im reinlichen Familienkreise zubringen. Der eigentliche Yankeeismus, in den Know-nothings momentan hervortretend, und die unbeschreibliche, freche Rohheit und Bestechung bei den Wahlen – diese beiden Hauptgebrechen der jetzigen Socialität, verunstalten den wirklich gebildeten Theil Amerika’s nicht. Ersterer sieht etwa so aus, wie die früher in Preußen hervortretende, aus Gevatter Schneider und Handschuhmacher rekrutirte Treubündelei, und die Wahl-Räuberbanden bestehen aus deutschen, französischen, irländischen Auswürflingen aller Parteien, sehr wenig aus Yankees. Durch sie kommt die Rohheit und Geldgier, der stellensüchtige Ehrgeiz treubündlerischer Schuster, Schneider und Schacherer hauptsächlich an’s Ruder. – So viel von den Auswüchsen der Freiheit, an denen hauptsächlich die alte Welt Schuld trägt. Von den Achillesfersen des amerikanischen Lebens selbst an einer andern Stelle.
Als Hauptspediteur des amerikanisch-europäischen Weltverkehrs hat New-York besondere Züge in seiner Physiognomie, die man in andern amerikanischen Städten nicht wiederfindet, schmutzige von dem Schlamme, der von dem durchfließenden Hauptstrome der Auswanderung sich ablagert, kalte, gespannte, harte Züge des hier am Atemlosesten im dichtesten Gewühl raffinirtester Concurrenz spedidirenden und speculirenden Handels-, Börsen- und Schwindelgeistes und dann Züge von Trunkenheit, Liederlichkeit und Lasterhaftigkeit, wie sie sich überall in jeder großen Stadt wiederfinden. Brillanter, unerschöpflicher Stoff für Romanschreiber oder Reisende, die in Bänden auftreten wollen, in einem Briefe aber beinahe schon des Porto wegen unzulässig. In unserer Physigognomik halten wir uns blos an die Hauptzüge: Broadway mit seinem Geschäftsleben, die Wasserleitung, die Hotels und die Umgegend.
Broadway ist für New-York, was Strand und Fleetstreet für London, die Hauptader des stets fieberhaft pulsirenden Verkehrs- und Gesellschaftsblutes, im Sommer zugleich Aequator tropischer Hitze, wie im Winter Haupttummelplatz scharfer, arctischer mit den Messern eisiger Kälte bis auf die Knochen eindringender Winde. Doch weiß die Kultur beide Feinde mit deren eigenen Waffen vortrefflich zu bekämpfen, den Winter mit dem prächtigen Pelzwerk hintercanadischer Wildnisse, den Sommer mit dem conservirten und hunderttausendkannenweise durch Verschiffung nach dem Süden zu Gelde gemachten Eise. Geeis’tes Wasser wird im Sommer stets in den Eisenbahnwaggons herumgereicht, im Winter zwar kein Pelzwerk, aber doch die Wärme des stets in der Mitte lustig flackernden Ofens. Dabei verdient Jeder, der irgend etwas arbeitet, so viel Geld, daß Niemandem ein guter Pelz unzugänglich wird. Broadway ist eine Welt in Form der stolzesten Straße aller Städte. Seitdem die wenigen hölzernen Häuser, die sich von Alters her zwischen den braunen Sandstein- und Granit- oder vor weißen Marmor-Palästen der Handels-Potentaten zu erhalten suchten, verschwunden sind, sieht der breite Weg einer Doppelreihe europäischer Königsschlösser ähnlich, mit dem bedeutenden Vorzuge, daß darin nirgends Leere herrscht, sondern fabelhafte Fülle des Geschäfts, obgleich viele sich fünf bis sechs Stockwerke erheben und der Straße Stirnen von 300 Fuß Länge zeigen. Die in England sich seit Jahrhunderten breitmachende Geschmacklosigkeit der Architektur ist hier zum Theil den geschmackvollsten Stilen gewichen. Dabei ist die Pracht und Größe einzelner Geschäftshäuser und Hotels für unsere Augen rein fabelhaft, und New-York zeichnet sich besonders durch Handel mit „dry goods“ (trockenen Gütern) aus, wie man alle Arten von Gegenständen der Bekleidung mit einem Male nennt. Für diese trockenen Güter giebt es am Parke des breiten Weges einen massiven Marmor-Palast, beinahe so groß, wie Semper’s neues Museum in Dresden, („Stewarts Store“) worin jährlich für acht Mill. Thaler Waaren umgesetzt werden. Unter den Buchhandlungen des breiten Weges tritt die von Appleton und Comp. in ihrem neuen marmornen Lustschlosse hervor, als hätte sich hier ein Crösus zu seinem Vergnügen in’s Privatleben zurückgezogen. Man vergleiche damit die lichtlosen Höhlen größerer Buchhändler in Pater noster Row hinter der Paulskirche in London. Man würde vielleicht Wunderdinge von der Lädenpracht in Broadway und Bowery (der nächsten Hauptstraße) hören, wenn die Hotels nicht Alles verdunkelten.
Schildkrötenzucht. In Spanien vervielfältigt man durch besondere Wartung und Pflege die kurzschwänzige Schildkröte, die bekanntlich nicht nur eine äußerst schmackhafte und delikate Speise gewährt, sondern auch eine äußerst nahrhafte, die in vielen Fällen, namentlich bei Brustkrankheiten und Entkräftung von der heilsamsten Wirkung ist. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Zucht dieser Thiere, die einen reichen Gewinn gewähren würde, da auch ihre Schaalen im Handel sehr gesucht sind, sich mit der gehörigen Aufmerksamkeit auch in rauherem Klima bewirken ließe, und schon sind davon in Frankreich mit glücklichem Erfolge Versuche angestellt worden. Man umgiebt zu diesem Zwecke einen Gartenraum von etwa vierzig Quadratruthen Größe mit einer niedrigen, aber dicht zusammengefügten Mauer von Ziegelsteinen. Jeden Monat besäet man darin eine Abtheilung, die von dem übrigen Garten abgesperrt sein muß, mit Lattich, welchen man allmälig, wie er heranwächst, den Schildkröten überläßt, welche darin jede zwanzig bis fünfundzwanzig Tage ihre Eier legen, welche nach kurzer Zeit durch die Sonnenwärme ausgebrütet werden. In einer Ecke errichtet man einen Schuppen, den man mit trockenen Blättern ausfüllt, unter denen die Schildkröten überwintern, ohne sich von der Stelle zu rühren. In besonders rauher Gegend muß man diesen Schuppen gegen die nachtheiligen Einwirkungen des Frostes schützen, da die Schildkröten allzu große Kälte nicht vertragen können. Von Strecke zu Strecke muß man größere irdene Gefäße eingraben, deren oberer Rand mit dem Boden gleich sein muß, und die beständige mit reinem Wasser ganz angefüllt zu halten sind, damit die Schildkröten nicht nur daraus saufen, sondern sich auch nach Belieben darin baden können. Ein kleiner, beständig mit frischem Wasser gefüllter Teich mit ganz flachem Ufer würde noch zweckdienlicher sein. – Die Schildkröten brauchen zwei Jahr um auszuwachsen und dürfen vor dieser Zeit nicht genossen werden; indeß ist es auch gut, sie nicht viel älter werden zu lassen, obgleich sie auch dann noch wachsen, jedoch nur sehr langsam.
Geschichtliche Merkwürdigkeit. Es ist eine merkwürdige Erscheinung in der Geschichte Frankreichs, daß jedes Mal, wenn drei Brüder nach einander den Thron bestiegen, dieser nach der Regierung des letzten der drei Brüder an ein anderes Geschlecht überging. Ludwig X., der Zänker, Philipp V., der Lange, und Karl IV., der Schöne, regierten nach einander und dann ging der Thron an die Valois über. – Franz II., Karl IX. und Heinrich III. waren Brüder, und die Bourbons erbten den Thron. – Ludwig XVI., Ludwig XVIII. und Karl X., drei Brüder, die nach einander regierten, waren die letzten Bourbons, und die Orleans bestiegen den Thron.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_083.jpg&oldid=- (Version vom 7.2.2023)