Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Schlagen. Aber es schlug auch dann so heftig fort, wie es noch niemals geschlagen. Sie seufzte und weinte und dann lächelte sie wieder. Sie lehnte sich zum Fenster hinaus, damit die Luft vom Meere ihr Kühlung zuwehe und fand sie doch nicht, und dann wieder warf sie sich in ihr Himmelbett, suchte den Schlaf und scheuchte ihn doch selbst wieder hinweg mit tausend Erinnerungen, Seufzern und Gebeten.
Als sie am Morgen aufstand, rief sie ihre Dienerinnen, um sie anzukleiden, aber während sie sonst die beste und geduldigste Herrin war und zufrieden mit allem Putz, den die Zofen ihr brachten und anlegten, war ihr heute lange Nichts recht, Nichts schön und zierlich genug. Der Kopfputz mußte immer wieder geändert werden und diese und jene Locke einen andern Schwung erhalten, bis Mächthilde endlich damit zufrieden war. Unter der Kleiderpracht wählte sie lange, legte ein Gewand um das andere wieder an und ab, weil ihr keines genug gefiel. Die Mädchen sahen einander sich verwundert an, denn so hatten sie ihre Herrin noch nie gesehen – und es gab doch auch heute kein außerordentliches Fest, sondern nur ein Gastmahl im eigenen Hause, wie es wöchentlich mehrmals vorkam. Endlich war Mächthilde mit einem himmelblauen Kleid von schwerem Seidenstoff zufrieden, von dem die Zofen einstimmig versicherten, daß sie darin reizender aussähe als in jedem andern. So war die Mittagszeit herangekommen, und sie ging in den Speisesaal.
Indessen war der Bootsmann am späten Abend in die Kammer über den Pferdestall gegangen, die man untergeordneten Gästen, wie er, zur Herberge anzuweisen pflegte. Am Morgen bat er den Hausknecht, ihm seinen Tragkasten mit hinaus in seine Kammer zu bringen und ihm ein Wenig beim Ankleiden behülflich zu sein. Der Knecht staunte nicht wenig, wie er die Pracht der Kleider gewahrte, die der Bootsmann da aus dem Kasten hervorholte. Er hatte sich auch schon das Haar gekämmt und rasirt, daß nur das schöne lockige Haupthaar und ein Bart um die purpurnen Lippen und das Kinn stehen geblieben und er viel herrlicher aussah, als am Abend vorher. Vollends dann als er das himmelblaue Wamms mit Silbertressen, Spitzenkrause und Manschetten angelegt! Während dem Ankleiden fragte der Fremde den Knecht, wie es denn komme, daß die schöne Tochter des Hauses alle Bewerber ausgeschlagen?
„Ach!“ antwortete der Knecht mit pfiffigem Verständniß. „Wenn Ihr etwa ihretwegen gekommen, da hättet Ihr sollen daheim bleiben. Die will von dem ganzen Mannsvolk Nichts wissen, und wie bescheiden und freundlich sie auch sonst ist, gegen ihre Freier ist sie hartherzig und ist ihr noch Keiner gut genug gewesen, die Martha sagt, sie warte auf einen verzauberten Prinzen, da mag sie es haben! der Prinz wird weg- und sie wird sitzen bleiben!“
Da hätte dem Fremden freilich der Muth sinken mögen. Er erbleichte auch und seufzte, aber dann lächelte er doch wieder in stolzer Siegesahnung und dachte an den Blick, der gestern aus Mächthilden’s Augen auf ihn gefallen war und an ihr innerstes Erbeben, das ihm nicht entgangen.
Als er nun in den Speisesaal trat, wo Herr Meßmann und die Gäste schon versammelt waren, sahen sie Alle mit Verwunderung die Verwandlung, die mit ihm vorgegangen. Bescheiden wollte er sich wieder wie gestern Abend an das untere Ende der Tafel setzen, aber Herr Meßmann duldete es nicht - er führte ihn obenan und erinnerte ihn an sein gestriges Versprechen: Heute Mittag zu sagen, wer er sei. Da antwortete er:
„Ich bin Euer Geschäftsfreund Morgowitsch selbst, der sich Euch schon angekündigt hat – aber ich bin auch noch ein Anderer: der Bertram Morgenweg, der vor dreizehn Jahren von Euch weggegangen, und der nun wieder gekommen, Euch für alle Wohlthaten zu danken.“
Da erkannte Herr Meßmann auf dem Antlitz des dreißigjährigen Mannes die Züge des siebzehnjahrigen Jünglings wieder, fiel ihm, außer sich vor Freuden, um den Hals, herzte und küßte ihn.
„Aber wo ist denn Mächthilde,“ rief er dann, „damit sie sich auch freue, daß ihr Bruder wieder da ist?“
„Ihr Bruder!“ seufzte Bertram leise.
Aber Mächthilde war noch nicht in den Saal gekommen, weil sie erst im letzten Augenblick, da man zur Tafel läutete, einen Rosenkranz in’s Haar und eine Rose an die Brust befestigt hatte, damit die Blumen frisch blieben – endlich riß sie sich von dem
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_073.jpg&oldid=- (Version vom 15.12.2017)