Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Unsere Fleischbude zeigt uns deren Besitzer in plastischer Ruhe. Seine ganze Beschäftigung besteht meist darin, daß er den Rauch aus seiner Pfeife stößt; kaum daß er die Blicke dabei einmal rechts oder links wendet, was schon eine ungeheure Anstrengung erfordert.
Eine Eigenthümlichkeit, die sich übrigens fast in allen orientalischen Staaten findet, sind die Massen von herrenlosen Hunden, welche auch hier die Straße bevölkern, und besonders vor der Fleischerbank von Früh bis in die Nacht sitzen, um irgend einen Wegfall zu erschnappen oder wohl gar einen kühnen Raubanfall auf eine fette Hammelkeule auszuführen. Sie sind eine große Plage des Landes, aber die Tartaren in ihrem unerschütterlichen Phlegma haben sich auch daran gewöhnt und verlieren kein Wort mehr darüber. Faullenzen mit Genuß kann man, wie gesagt, nur von den Türken und Tartaren lernen.
Californische Goldgräber. Eine der neuesten Nummern der in San Francisco erscheinenden Zeitung „The Wide West“ enthält eine treu nach dem Leben entworfene Schilderung der verschiedenen Charaktere und Nationalitäten, aus welchen die dortige Goldgräberbevölkerung zusammengesetzt ist.
Eigentlich zerfallen sämmtliche Goldgräber, welcher Nation sie auch übrigens angehören mögen, in zwei Hauptklassen: in die, welche mit Glück arbeitet und eine reiche Ausbeute vor sich bringt, und in die, welche wenig oder nichts findet, und in der Regel die wenigen Mittel, die sie mit an Ort und Stelle gebracht, noch obendrein zusetzt.
Der dieser letzteren Klasse angehörige unglückliche Goldgräber meint, ganz Californien sei weiter nichts, als ein ungeheurer Humbug, und nach seiner Ansicht ist es mit der Goldgräberei so gut wie aus. Er meint, wenn er im Jahre 1849 herübergekommen wäre, so hätte er noch sein Glück machen können, aber nicht mit der Goldgräberei, sondern als Landwirth, denn damals sei mit schon urbargemachten und angebauten Grundstücken noch ein Schlag zu machen gewesen. Da Californien weiter nichts ist, als Humbug, so würde er gern wieder in sein Vaterland zurückkehren, wenn ihm nicht Vetter Hinz und Kunz schon vor seiner Abreise prophezeit hätten, daß er in Californien kein Glück machen, sondern froh sein werde, wenn er wieder zu ihnen zurückkommen könne. Um keinen Preis möchte er diesen guten Leuten zugestehen, daß sie Recht hatten. Lieber will er verhungern. Davon ist er auch übrigens nicht sehr weit entfernt. Allerdings könnte er für eine der Aktiengesellschaften, welche Goldgräbereien nach ächt bergmännischem System betreiben, um’s Tagelohn arbeiten, aber er liebt die Unabhängigkeit und da er auch einige Rücksicht auf Ausbildung seines Geistes zu nehmen wünscht, so mag er täglich nicht länger arbeiten als acht Stunden. Auch ist es nicht seine Absicht, blos seinen nothdürftigen Lebensunterhalt zu verdienen – das hätte er zu Hause auch gekonnt. Sein Glück wird schon noch blühen, denn Alles in der Welt kommt auf’s Glück an. Schon Mancher hat eben so lange und noch länger als er vergebens gegraben, und doch noch plötzlich einen großen Fund gemacht. Uebrigens würde er dieses Californien, welches schon seine besten Kräfte aufgezehrt hat, gern mit Australien vertauschen, wenn ihm Jemand das dazu nöthige Reisegeld geben wollte. Nach Hause schreibt er selten.
Der glückliche Goldgräber huldigt dagegen ganz anderen Ansichten. Er glaubt nicht an plumpes Glück, sondern meint, daß er die gute Ausbeute, die er gemacht, einzig und allein seinem Fleiße und angebornem Scharfsinn zu verdanken habe und daß Jeder, der nur den guten Willen habe und fleißig sei, es eben so weit bringen könne. Er wird nie müde, nach Hause an seine Freunde zu schreiben, besonders an die, welche ihm von der Auswanderung abriethen. Er ist bereits Mitbesitzer einiger „Stores“ oder Victualienzelte in verschiedenen Theilen der Gräbereien oder „Diggings“ und macht gewöhnlich neue Ankömmlinge, die ihn um seinen Rath fragen, wo sie anfangen sollen, auf jene Lokalitäten aufmerksam. Er ist fest überzeugt, daß er eine Pfanne voll Erde schneller auswaschen und mehr Gold daraus gewinnen kann, als irgend ein anderer Mann in den Diggings. Das Schlafen unter einem Zelte betrachtet er als einen verweichlichenden Luxus. Er bedarf weiter nichts als eine Decke und einen Stein.
Eine dritte Art von Goldgräber ist der Indianer. Dieser ist ein tölpischer Kerl mit schwarzem, zusammenklebendem Haar und einer unfreundlichen abstoßenden Physiognomie. An Kleidern trägt er Alles oder nichts – das heißt, er trägt die Kleider, die er bekommen kann und so viel er deren besitzt. Wenn er Glück gehabt hat, so sieht man ihn vielleicht mit drei bis vier Hemden, Röcken und Hosen übereinander bekleidet. Hat er kein Glück gehabt, so trägt er vielleicht weiter nichts als ein einziges
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_067.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)