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Seite:Die Gartenlaube (1855) 059.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

leuchtend wie ein Engelbild die Gestalt des Mägdleins sich abhob im braunen faltigen Gewande, den Rosenkranz in den Händen, den Blick gesenkt und das Goldhaar gelöst – und warf sie in das Feuer, wo sie prasselnd aufloderte und verging.

Da zuckte der Jüngling auf – warf stolz das Haupt empor, stürzte auf die Geliebte zu, umfaßte sie verzweifelt wie zum ewigen Scheiden, küßte ihre bleichen Wangen – und stürmte fort zum Hause hinaus.


Hans Hemmling kehrt nicht in das Haus seines geliebten Lehrers zurück – man sah ihn seit jenem Tage nicht mehr in Brügge, er war und blieb verschwunden, umsonst forschte Johannes van Eyk in tiefer Trauer nach seinem Liebling. Niemand vermochte Kunde von dem Jüngling zu geben, und der große Meister beweinte ihn als einen Todten.

Die Zeit eilte weiter. Trübe wilde Jahre kamen, Jahre voll Kampf und Zwietracht, Noth und Krieg. Karl der Kühne zog mit ungeheurer Heeresmacht gegen die Schweizer, die Schlacht bei Murten wurde geschlagen, eine Schreckensscene verdrängte die andere, bis endlich nach der unglücklichen Schlacht von Nancy 1477 den 6. Januar der blutige Vorhang fiel. – Die Schaaren des Fürsten wurden geschlagen und zerstreut, kranke, krüppelhafte Gestalten irrten nun mitten im härtesten Winter von Land zu Land. – Da wankte auch an einem stürmischen Abend ein gebeugter lumpenumhüllter Krieger durch das Thor von Brügge. Aber nur wenige Schritte trugen ihn noch seine Füße, von Hunger und Kälte erschöpft, stürzte er ohnmächtig zusammen. Gutmüthige Bürger hoben ihn auf und schleppten ihn in das naheliegende St. Johannishospital zu den barmherzigen Schwestern. Sanfte Hände nahmen ihn in Empfang, sanfte Augen schauten ihn an. Als man ihn aber in den großen Krankensaal brachte, sank eine der unermüdlichsten jener stillen Gestalten, die dienstthuende Schwester Ursula plötzlich bewußtlos zusammen. Nach einem geheimen Gespräch mit der Oberin hatte man ihr jedoch nachher die Pflege des Schwerkranken allein übertragen. Ja krank – sehr krank war der Fremde, viele Tage lang lag er ohne Besinnung, dann kam eine Periode heftigster Seelen- und Körperschmerzen, wo er wild aufschrie und sein Leben verwünschte; aber da sprach eine wunderliebe Stimme besänftigend ihm zu, und ein bleiches müdes Angesicht neigte sich mit zärtlichem Lächeln über ihn. Und dann redete er von blauen Engelsaugen, nannte längst verschollene Namen, und hielt Zwiegespräch mit dem todten Meister van Eyk und der schönen Ursula Vandermer. Als aber endlich des Kranken Sinn klar geworden, da feierten zwei Menschenherzen eine jener seligen Minuten, an denen die lieben Engel im Himmel ihr Freude haben. – Hans Hemmling und die getreue Ursula erkannten sich wieder. – Wohl waren sie Beide alt geworden, aber ihre Herzen waren jung geblieben, und aus beider Augen schaute noch die Jugendliebe wie ein Stück Frühling. Und diese Liebe that jetzt noch größere Wunder als damals: der Kranke erstarkte von Tag zu Tage und konnte bald wieder sich aufrichten von seinem Schmerzenslager. Da verlangte er Pergament, Farben und Pinsel und malte in wunderfeiner Weise auf matten Goldgrund ein Blatt für das Gebetbuch seiner frommen Pflegerin. Vögel und Blumen, Arabesken und liebliche Engelsköpfe waren sinnig mit einander verflochten und verwebt, und die Farbenpracht der zarten Malerei war zauberhaft. Das Blatt ging von Hand zu Hand, wanderte von einem zu dem andern, zu Hoch und Niedrig und mit frohem Staunen, mit dankbarer Freude erkannten die Bewohner Brügge’s an der Art der kunstvollen Malerei ihren unvergeßlichen, vielbetrauerten Hans Hemmling wieder. Da gab es großen Jubel, man drängte sich danach, ihn zu sehen, die angesehensten Bürger boten ihm eine Freistatt an in ihrem Hause, vielfache Bestellungen zu größeren und kleineren Malereien kamen für den berühmten Meister. Der aber lehnte alles ab und blieb im St. Johannishospital, allwo er seines Herzens erste heiße Liebe, um deretwillen er sich in das wüste Kriegerleben gestürzt, wiedergefunden. Aus Dankbarkeit für das friedvolle Asyl der Geliebten, in das sie sich noch vor dem Tode der Mutter geflüchtet – schmückte er die heiligste Reliquie des Klosters, den Kasten, der die Gebeine der heiligen Ursula enthielt, mit vierzehn der prachtvollsten Miniaturgemälde. Jene Ursula war der Sage nach eine junge wunderschöne Prinzessin, die mit zehntausend edeln Jungfrauen nach Köln zog, um daselbst den Märtyrertod zu Ehren ihrer heiligen Religion unter dem wilden Christenverfolger Maximian zu erleiden.

Der Reliquienkasten der Heiligen, der die Form einer kleinen Kirch, sogenannten Basilika hat, ist noch heutigen Tages der Stolz Brügge’s und durch die Hemmling’schen Malereien eines der hochberühmtesten Kunstwerke. Johanna Schoppenhauer in ihrem Werke: Johann van Eyk und seine Nachfolger, schildert diese Gemälde als ein Weltwunder von Schönheit und Farbenpracht und mit vollem Recht. Alle Bilder beziehen sich auf die Geschichte der Heiligen, und eines der Giebelfelder trägt ihr Bildniß. Engelhaft schön und hoch erscheint sie da in ihrem ausgebreiteten Mantel die fromme Königstochter, reizendes Weib und Heilige zugleich. Ihre Augen aber gleichen jenen blauen, sanft schimmernden Sternen, deren Licht nun einmal alle Schöpfungen des Meisters verklärte. Das zweite Giebelfeld zeigt die hehre Himmelskönigin Maria mit dem göttlichen Kinde. Ihr zu Füßen kniet eine schlanke, demüthige Nonnengestalt, es ist Ursula, die Jugendgeliebte, ein bleiches, vergeistigtes Angesicht, auf dessen Wangen schon die weißen Rosenknospen himmlischen Friedens stehen. Und die Engel pflückten sie bald, diese Rosen. – Ursula’s stilles Leben erlosch, nachdem ihr langes demüthiges Hoffen Erfüllung gefunden und sie den Geliebten noch einmal gesehen. Die Ausschmückung des Ursulakastens war noch ihre letzte Freude, mit hohem Entzücken verfolgte sie jeden Pinselstrich, und als sie so schwach wurde, daß sie sich nicht mehr aufzurichten vermochte von ihrem Lager, malte Hemmling in ihrem Krankenzimmer. Das letzte der vier Medaillons, in welchen vier liebreizende Engel mit Saitenspiel die Heilige feiern, war vollendet, da hauchte die frömmste aller Schwestern, die sanfte, stille Ursula ihre reine liebende Seele aus.


Den tiefgebeugten Meister Hemmling litt es aber ferner nicht mehr in Brügge, er vollendete nur noch die beiden begonnenen Altarbilder für die Klosterkirche und zog dann, lebensmüde, nach Löwen. Hier lebte er mehrere Jahre wie ein Einsiedler und malte jene kostbaren größeren und kleineren Bilder, die man leider nur einzeln zerstreut in wenigen öffentlichen Gallerien und meistens in Privatsammlungen findet. Als im Jahre 1494 der junge Philipp von Spanien bei seiner Huldigung als Herzog von Brabant auch nach Löwen kam, hörte er von der großen Kunst des menschenscheuen Meisters und suchte ihn auf. Entzückt von seinen Werken, bat Philipp den Maler, ihn nach Spanien zu begleiten, und Hemmling ließ sich auch nach langem Sträuben wirklich entführen. – Dort aber in dem Lande der Granatbäume und Pinien, unter dem glühenden Himmel Hispaniens trieb ihn unendliches Heimweh und sein müdes Herz in das Karthäuserkloster von Miraflores. – Er fand dort Frieden. – Sein Grab liegt mitten unter den Ruhestätten der stummen Brüder des ernsten Ordens, und die hohen Oelbäume des Klostergartens rauschen dem Fremdling sanfte Wiegenlieder aus der fernen Heimath.[WS 1]




Eine Spielbank.
Von R. T-sch.

Die preußische Regierung hat in neuester Zeit beim deutschen Bundestage auf Aufhebung der Spielbanken angetragen. Bereits im Jahre 1845 wurde darüber verhandelt, die Beschlußfassung aber blieb dem Jahre 1849 vorbehalten. – Die Zeiten ändern sich! Executionstruppen rückten damals in Homburg ein, die Schließung zu vollziehen, und jetzt spielt man schon seit langer Zeit wieder in verdoppeltem Maßstabe. – Ich will mich nicht im Allgemeinen über das Verdammenswerthe dieser Spielhölle ergehen, sondern nach meinem Reisetagebuche einfach erzählen, was ich an Ort und Stelle sah und hörte.

Auf einer Reise in die Rheingegenden besuchte ich auch Homburg. Eine liebe Familie, bei der ich durch einen Freund eingeführt

  1. Der hier geschilderte Hans Hemmling ist in unterschiedlicher Schreibweise des Namens bekannt. Allgemein hat sich aber der Name Hans Memling durchgesetzt. Dessen Vita weicht jedoch deutlich von der hier wiedergegebenen ab.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_059.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)