Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
|
Kehle zu; ich wollte schreien, ich wollte fliehen; vergebens, denn ich brachte keinen Laut über meine Lippen, ich konnte kein Glied rühren.
Endlich erstickte ich fast vor Angst, ich nahm alle meine Kräfte zusammen und – sprang auf.
Es war die höchste Zeit. Der Rauch erstickte mich; das Feuer hatte weiter und weiter um sich gefressen; es hatte selbst mein Lager schon ergriffen, es knisterte, es zischte, es murmelte unter den dürren Blättern und Gräsern; es lief an den Büschen und Bäumen hinan. Was ich im Traume gehört hatte, waren die Stimmen der Flammen, die mir näher und näher gekommen und größer und gewaltiger geworden waren. Eine große Fichte brannte bereits oben am Gipfel und stand wie eine riesige Fackel in der finstern Nacht.
Es blieb mir nichts übrig, als einen Kampf mit dem Elemente zu beginnen. Wenn ich nicht kräftige Maßregeln ergriff, konnte der ungeheuerste Waldbrand entstehen, denn es war mehrere Wochen lang sehr dürr gewesen, und dann war ich nebst dem verlassenen Freunde und Allem verloren, was der Wald in seinem Schooße barg. Ich nahm mein Beil und hieb an der äußersten Grenze des Feuers die brennenden Zweige und Büsche nieder, warf sie in den großen Feuerherd in der Mitte oder versuchte sie auszutreten. An der Flußseite half ich mir mit Wasser, das ich mittelst der Bratpfanne in die Glut spritzte.
Nach einer Arbeit von einer halben Stunde etwa glaubte ich gesiegt und das Feuer gebannt zu haben. Ich legte mich nochmals hin, aber ich schlummerte nur eine ganz kurze Zeit. Das Feuer erwachte von Neuem und ich mit ihm. Ich sprang wieder auf. Dichte Wolken am Himmel bargen Mond- und Sternenlicht und um den kleinen Feuerkreis vor mir lag die schwärzeste Nacht wie eine Mauer. Eine gewaltige Wurzelmasse, die vor Jahren irgend einen längst verfaulten Baumriesen genährt und getragen, hatte Feuer gefangen. Wie ein großer Feueraltar stand sie vor mir. Aber da hinter ihm – was ist das? Eine Gestalt! Ist es ein Indianer, der einen weißen Feind vor sich sieht und nur auf eine bequeme Gelegenheit wartet, ihn zu erschlagen und zu berauben? Eine einzige Kugel, und Niemand wußte, wo ich geblieben. Sollte ich ruhig stehen bleiben als Zielpunkt für den rothen Mann? Nein! Rasch trat ich in das Dunkel des Waldes hinein und versuchte hinter den brennenden Wurzelstumpf zu schleichen, um mir den Gegner genauer anzusehen.
Ein grauer kahler Baumstamm war es, der mich geängstigt hatte.
Ich kehrte beruhigt an meine Lagerstätte zurück, und da das Feuer nicht weiter um sich greifen zu können schien, wollte ich mich nochmals niederlegen. Aber es war fast Morgen und ich zu wach, als daß ich weiter hätte schlafen können, zumal mein Bett verbrannt war und die Hände mir schmerzten von Brand- und Kratzwunden. So gab ich jeden weitern Versuch auf, kochte mir ein Frühstück, ganz gleich dem Abendessen und verzehrte es mit dem eigenthümlichen Appetite, den man fühlt, wenn man unruhig, kalt und in den Kleidern geschlafen hat.
Der Morgen dämmerte; Gras und Blätter wurden naß vom Thau; hier und da stiegen Morgennebelflocken auf; einzelne Vögel begannen sich zu regen und zu zwitschern; das Dunkel im Walde wurde schwächer und schwächer und an einzelnen hohen Baumwipfeln zeigte sich der rosige Schein der Morgenröthe.
Wie war es aber dem ermatteten Freunde ergangen, den ich verlassen? Was sollte ich thun?
Es war nutzlos den Weg zurück zu machen und den Wandergefährten aufzusuchen, also, – weiter, weiter wandern!
Ich brach auf mit dem Muthe der Verzweiflung und bahnte mir mit unsäglichen Beschwerden einen Weg an dem Flusse hin. Es mochten etwa zwei Stunden vergangen sein, als ich plötzlich über dem Flusse drüben an einem Hügel einen Platz bemerkte, wo keine Bäume, aber viele Baumstümpfe standen und – da ein Stück Feld! Es mußte also ein Mensch, es mußten Menschen in der Nähe sein. Wie stärkte dieser Anblick meine Glieder! Der Fluß schien nicht sehr tief mehr zu sein; mit raschem Entschluß trat ich also hinein und watete hindurch. Eilig schritt ich dem Felde, dem Hügel zu. An der andern Seite desselben stand ein Haus; weiter hin lichtete sich der Wald mehr und mehr; da spannte sich eine Brücke über einen Bach, der sich in den Fluß ergoß und dort, ja dort ragten noch mehrere Häuser zwischen Bäumen hervor.
Ich stürzte in das erste Haus hinein, und mein Aussehen muß seltsam genug gewesen sein, denn die Leute erschraken offenbar. Sie waren aber freundlich und gutmüthig und hörten die Bitte theilnehmend an, die ich ihnen vor allem vortrug, die Bitte, meinen verlassenen Freund zu suchen, zu holen, am besten in einem Boote.
Der Farmer besaß ein Boot, und war sogleich bereit, Einen seiner Leute fortzuschicken. Aber würde dieser allein die nöthige Ausdauer gehabt haben? Ich selbst wollte mitfahren und ließ mich von dem Unternehmen nicht abbringen.
Wir setzten uns in das kleine Boot und fuhren den Fluß hinunter. Wir blickten dabei rechts und links in das Ufergebüsch; wir riefen sehr oft, aber weit waren wir in den Wald hinein gekommen und hatten keine Spur von einem Menschen gefunden, keine Antwort auf unser Rufen vernommen als das schwache Echo des Waldes. Endlich raschelte es in dem Gebüsch am Ufer, eine Stimme antwortete, und der Freund erschien. Aber kaum erkannte ich ihn. Von seinem Anzuge waren nur noch einzelne Fetzen übrig geblieben, die ihm um die Glieder hingen. Sein Gesicht war voll Blut und roth aufgeschwollen von zahllosen Insektenstichen und Bissen. Die Hände hatten kaum noch die Gestalt von menschlichen Händen. Er sank erschöpft in unser Boot und rührte sich da so wenig als er ein Wort sprach.
Erst später erzählte er, wie es ihm ergangen.
Er hatte eine Zeit lang gesessen und dann gegen sein Versprechen sich vorgenommen, weiter zu gehen, mir nach. Dabei hatte er über einen kleinen Arm des Flusses zu springen versucht, war aber hineingefallen, hatte sich vom Kopfe bis zu den Füßen durchnäßt, seine wenigen Lebensmittel verdorben und die Schwefelhölzer verloren. So konnte er, als die Nacht anbrach, kein Feuer anmachen und mußte sich hungrig in nassen Kleidern auf den kahlen Boden legen. Und wie sich gegen die Muskitos und die andern Feinde schützen? Er trug so viel Laub und dürre Zweige als möglich zusammen, kroch in diesen Haufen hinein, bedeckte sein Gesicht mit einem Tuche und hoffte so den Blutsaugern entgehen zu können. Aber sie fanden ihn und behandelten ihn, daß sein Gesicht bald aussah, wie ein roth aufgehender Vollmond. Beim ersten Grauen des Morgens brach er auf und setzte die mühselige Wanderung fort, bis wir ihn fanden.
Wir blieben zwei Tage bei dem Farmer, der uns so freundlich aufgenommen, hatten Gelegenheit da unsere Garderobe wieder etwas in Stand zu bringen, und setzten dann unverdrossen unsere Wanderung fort.
Was Alles in Deutschland früher getrunken wurde. Das Bier war von jeher ein Lieblingsgetränk der Deutschen, und es gehört in früherer Zeit sogar zum nicht geringen Stolze und Ruhme einer Stadt, ein gutes und kräftiges Bier zu brauen. Der Breyhan, welcher am meisten gebraut wurde, etwa so wie heutigen Tages das Lagerbier, verdankte seinen Namen einem gewissen Conrad Breyhan, der denselben 1526 in Stöcken, einem unweit Hannover gelegenen Dorfe, zuerst braute. Später findet man des Breyhans aller Orten erwähnt, woraus hervor geht, daß er allseitigen Beifall bei unsern Vorfahren gefunden haben muß. Unter den verschiedenen Namen, mit welchen die Biere damals getauft waren, stößt man auf so sonderbare, daß eine kurze Zusammenstellung nicht uninteressant erscheinen mag. In Goslar wurde Gose gebraut; in Dassel der Hund; zu Wettin der Reuterling; zu Königslutter der Duckstein; in Eckernförde gab es Quackelteis; in Wismar Kniesenack; zu Ratzeburg Rummeltheis; in Teschen trank man Marzerz; in Oppau Merz; Leipzig braute Rastrum; Zadeck (in Böhmen) Samecke; Gardeleben Garleg; zu Tecklenburg in Westphalen wurde Griesing verzapft; zu Osnabrück Buße; zu Münster Kolth; in Braunschweig Mume (giebt es bekanntlich jetzt noch): zu Breslau verkaufte man Schöps; München hatte seinen Bock, der gegenwärtig noch getrunken wird; am Gefährlichsten war es in einem Dorfe bei Jena, wo ein Bier gebraut wurde, welches den Namen Mord- und Todschlag führte.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_040.jpg&oldid=- (Version vom 13.2.2023)