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Seite:Die Gartenlaube (1855) 037.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

sie den Zwischenzellgang vollständig, indem die Concavitäten sich ausgleichen, und dann die einander zugekehrten Seiten der beiden Zellen sich an einander schmiegen; ziehen sie sich dagegen zusammen, so entsteht zwischen ihnen eine linsenförmige Spalte, mittelst deren der Zwischenzellgang nach außen hin geöffnet wird. Diesen ganzen seltsamen Apparat nennt man die Speltöffnung.

Der Holzschnitt B, welcher ein Stück eines Lilienblattes senkrecht durchschnitten darstellt, zeigt nicht allein die vier oben beschriebenen Zellenschichten sehr deutlich (a ist die obere, b die untere Oberhaut, c die obere, d die untere Schicht des innern Gewebes, e sind die hohlen Räume in der letztern Schicht), sondern bei f auch zwei vertical durchschnittene Speltöffnungen. Der Holzschnitt C stellt ein Stückchen der untern Oberhaut desselben Blattes von der Fläche gesehen dar, mit drei Speltöffnungen. Der Holzschnitt D bei a die beiden Schließzellen im ausgedehnten Zustande und die Speltöffnung folglich geschlossen, bei b dieselben Zellen im zusammengezogenen Zustande und die Speltöffnung geöffnet.

Sie sehen also, meine Freunde, daß die Blätter der Pflanzen einen viel complicirteren Bau besitzen, als sie auf den ersten Blick zu haben scheinen. Wozu aber sind die Blätter so seltsam, so wunderbar gebildet? – Wegen ihrer Bestimmung, ihrer Thätigkeit. Tausende von Beobachtungen und Versuchen haben nämlich als ausgemachte Gewißheit ergeben, daß alle jüngeren und grüngefärbten Pflanzentheile, deren Oberhaut stets mit Speltöffnungen versehen zu sein pflegt, und ganz besonders die Blätter, die in der atmosphärischen Luft enthaltenen Gasarten, nämlich Sauerstoffgas, Stickstoffgas und Kohlensäuregas, besonders das erste und letzte, aus der Luft aufsaugen, zugleich aber auch dieselben Gasarten aus ihrem Innern an die Atmosphäre wieder abgeben. Sowohl die Aufnahme als die Aushauchung dieser Gasarten geschieht durch die Speltöffnungen; erstere nennt man den Einathmungs-, letztere den Ausathmungsprozeß, und beide Vorgänge zusammen den Athmungsprozeß oder die Respiration der Pflanzen. Wie bei den Thieren, so geht auch bei den Pflanzen das Ein- und Ausathmen Hand in Hand; allein der Athmungsprozeß der Pflanzen ist nicht immer derselbe wie bei den Thieren, sondern je nach der Tageszeit verschieden. Bei Tage, und besonders im Sonnenlicht, athmen nämlich die Pflanzen durch ihre Speltöffnungen[WS 1] Kohlensäure ein und Sauerstoffgas aus, bei Nacht dagegen und überhaupt im Dunkeln hauchen sie Kohlensäure aus und saugen Sauerstoff aus der Luft auf. Die durch die Speltöffnungen aufgenommenen Gase gelangen zunächst in die sogenannte Athmungshöhle, einen größern unterhalb der Speltöffnung und der Oberhaut gelegenen Hohlraum im schwammigen Zellgewebe des Blattes, in welchen stets eine Anzahl von Zwischenzellengängen desselben Gewebes einmünden, durch welche die Athmungshöhle mit den übrigen Räumen, Lücken und Gängen des schwammigen Gewebes in Verbindung gesetzt wird. Es liegt also auf der Hand, daß die durch die Speltöffnungen hereingedrungenen atmosphärischen Gase sich durch das ganze schwammige Zellgewebe verbreiten können und verbreiten müssen und folglich auch in unmittelbare Berührung mit den Gefäßbündeln kommen werden, da diese ja an der schwammigen Zellenschicht verlaufen. Ja, da die Membran der Pflanzenzelle für Gase eben so durchdringbar ist, wie für Flüssigkeiten, so werden jene Gasarten nicht allein mit den Gefäßbündeln in allseitige Berührung kommen, sondern sogar in das Innere der einzelnen Zellen eindringen, aus denen die Gefäßbündel bestehen. Was hefindet sich in diesen Zellen? – Antwort: Der rohe oder noch wenig veränderte Nahrungssaft.

Die Nahrung der Pflanzen besteht aus unorganischen Stoffen, welche, da die Pflanze keine Mundöffnung besitzt, sondern Alles was sie bedarf, nur vermittelst ihrer Zellen aufsaugt, im Wasser aufgelöst sein müssen. Das hauptsächlichste Nahrungsmittel ist ein Kohlensäure und Ammoniak haltiges Wasser. Solches Wasser findet sich überall, wo Pflanzen wachsen, im Boden, indem durch die Verwesung der Pflanzen- und Thierkörper fortwährend eine bedeutende Menge Kohlensäure und Ammoniak erzeugt wird, welche sich mit dem sogenannten Humus der Acker- oder Dammerde vermengt. Das zur Auflösung dieser Stoffe nöthige Wasser wird dem Boden durch den Regen, Schnee und andere atmosphärische Niederschläge, durch Quellen, Bäche und Flüsse fortwährend zugeführt. Die im Boden befindliche flüssige Nahrung der Pflanzen (bei den im oder auf dem Wasser schwimmenden Pflanzen bildet das Wasser selbst die Nahrung) wird nun von diesen vermittelst der Wurzelspitzen aufgesaugt und steigt nun im Stamme oder Stengel empor, gelangt aus diesem in die Aeste und durch diese in die Blätter. Die über das Emporsteigen des Saftes angestellten Versuche haben nun ergeben, daß das Aufsteigen, wenigstens bei der Mehrzahl der uns umgebenden Gewächse und namentlich bei den Bäumen, in dem unmittelbar unter der Rinde befindlichen jungen Holze oder dem Splinte geschieht, denn schneidet man diesen jungen Theil des Holzkörpers bei irgend einem unserer Bäume ringsum durch, so stirbt das oberhalb der Wunde befindliche Stück des Baumes sogleich ab, indem diesem kein Nahrungssaft mehr zugeführt werden kann. Der Splint besteht aber aus den jüngsten Theilen des Gefäßbündelsystems, welches den Stamm durchzieht und welches fast den gesammten Holzkörper unserer Bäume bildet. Dieser mächtige Gefäßbündelkörper des Stammes entsendet sowohl Zweige nach unten hin durch alle Wurzeln bis in die äußersten Spitzen der jüngsten Würzelchen, als auch in der entgegengesetzten Richtung in alle Aeste und Zweige. Die Gefäßbündelkörper der Zweige entsenden wieder dünnere Gefäßbündelkörper, welche entweder unmittelbar oder durch den Blattstiel in die Scheiben der Blätter eindringen und sich hier in der bereits geschilderten, so überaus verschiedenartigsten Weise verästeln, wodurch jenes merkwürdige und höchst zierliche Gefäßbündelgeflecht oder Adernetz entsteht. Sämmtliche Gefäßbündel einer Pflanze bilden folglich ein zusammenhängendes höchst complicirtes System, welches den ganzen Pflanzenkörper von den äußersten Wurzelspitzen bis in die Blätter (desgleichen bis in die Blüthen- und Fruchttheile) durchzieht und sich in den Blättern auf das Unendlichste verästelt. Da nun der Nahrungssaft in den Gefäßbündeln emporsteigt, so bezeichnet der Verlauf und die Verzweigung der letzteren die Richtung

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Zeltöffnungen
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_037.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)