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Seite:Die Gartenlaube (1855) 026.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Bei den Steinkohlen sind die erwähnten Verhältnisse günstiger; hier zeigt sich deutlich, daß der Wassergehalt mit der größeren oder geringeren Dichte oder Festigkeit in einem innigen Zusammenhange steht. Wächst diese, so nimmt jener beträchtlich ab, ist aber die Festigkeit eine geringe, so ist der Wassergehalt sehr bedeutend. Bei 48 Steinkohlen aus Schlesien, Westphalen und vom Rhein stieg der Wassergehalt nur auf 8 p.C.; er ist hier also viel geringer als im Holz. Unter dieser großen Zahl betrug nur bei 11 die Asche zwischen 10 bis 15 p.C., nach Abzug des Wassers. Der lästigste Begleiter der Braun- und Steinkohlen ist der Schwefelkies (Schwefeleisen), der sich mitunter auch im Torfe findet und von dem wir schon auf Seite 186 im v. Jhrgng. gesprochen haben.

Unter den Steinkohlen ist die Verschiedenheit im äußeren Ansehen größer als unter den Braunkohlen, Wir haben hier Pechkohle, Schieferkohle, Grobkohle, Blätterkohle, Faserkohle u. s. w.

Die Namen erklären sich von selbst, Verschiedenheiten in der Zusammensetzung der Kohle bedingen sie nicht. Eine andere Eintheilung bezieht sich auf das Verhalten in der Hitze. Man spricht hier von Baukohlen, Sinterkohlen und Sandkohlen. Die ersteren erleiden eine Erweichung und bilden große zusammenhängende blasige Massen; bei den anderen bleibt die Form unverändert und die Letzteren zerfallen. Diese Verschiedenheit ist bedingt durch die chemische Zusammensetzung, aber der Grund ist noch nicht ganz aufgeklärt. Bis jetzt lehrt uns der Chemiker nur die letzten Bestandtheile kennen; wie diese aber unter sich mit einander verbunden sind, das ist noch nicht erforscht. In der zuletzt genannten Reihenfolge nimmt der Werth der Steinkohlen ab, weil der Gehalt an Kohlenstoff ein geringerer wird.

Wie eingreifend die Förderung dieser unterirdischen Schätze auf die Entwickelung der Gegenwart eingewirkt hat, lehrt am Eindringlichsten England und das kleine Belgien. Auch unser Vaterland selbst bietet uns beachtenswerthe Fingerzeige in Fülle. Hunderte von Essen, die sich hoch zum Himmel emporstrecken, und stattliche Fabrikgebäude in der Nähe von Kohlengruben lehren uns, daß die Gewerbthätigkeit hier günstigen Boden zu einer kräftigen Entfaltung gefunden hat. Und selbst die Küche, die Hauswirthschaft ist nicht unberührt geblieben. In großen Länderstrichen, die mit dem Segen der Braun- und Steinkohlen von der Natur bedacht worden sind, ist die Feuerung mit Holz, eben so wie in den an Torf reichen Gegenden bereits zur Mythe geworden. Bei der Vertheilung ihrer Gaben hat die Natur Deutschland nicht gar zu stiefmütterlich behandelt. Nord- und Mitteldeutschland ist mit ausgedehnten Braunkohlenablagerungen bedacht worden, ungleich reicher und bedeutender sind die Steinkohlengebiete in Schlesien, Westphalen, am Rhein und in Sachsen. Von diesen Kohlen können sich manche den englischen, die man allgemein für die besten hält, würdig an die Seite stellen.

Einige Zahlen werden den allgemeinen Deutungen mehr Färbung geben. England beschäftigt in seinen 3000 Kohlengruben 250,000 Arbeiter, gefördert werden jährlich 34 Millionen Tonnen, die einen Werth von 10 Mill. Pfd. St. repräsentiren. Davon wurden 1850 31/3 Mill. Tonnen ausgeführt; eben so viel verbrauchte die Riesenstadt allein, und fast ein Dritttheil der Gesammtsumme nahm die Eisenproduktion des Landes in Anspruch.

In der Zukunft wird England durch Nordamerika, das 1845 nur 80 Mill. Ctr., England dagegen 573 Mill. Ctr. Steinkohlen förderte, überflügelt werden, denn hier finden sich die ausgedehntesten Steinkohlengebiete. Die des Staates Illinois sind nicht viel kleiner als die Englands, das pittsburger Revier umfaßt 14,000 Q.-M. und durch Pensylvanien, Ohio und Virginien zieht sich ein Kohlenfeld von 63,000 Q.-M.

Preußen förderte 1840 123/4 Mill. Tonnen Steinkohlen, 1847 beschäftigte es in 423 Werken fast 29,000 Arbeiter, 1850 war die Produktion bereits um 8 Mill. Tonnen gestiegen und der Schatz, der aus der Tiefe herausgebracht wurde, belief sich auf 8 Mill. Thaler. Man nimmt an, daß Elberfeld und Barmen allein jährlich über eine Mill. Tonnen verbrauchen. Dazu kamen 1850 noch fast 9 Mill. Tonnen Braunkohlen. In einem Zeitraum von 15 Jahren hatte sich die Gewinnung der Steinkohlen verdoppelt, die der Braunkohlen aber vervierfacht.




Des Adlers Horst.

Die Jagd auf junge Adler ist auf der Insel Corsica, in Sardinien und an andern Orten fast eine Art Industrie der armen Landleute, sie gehört aber zu den gefährlichsten, die der Mensch unternimmt, wie folgende Fälle zeigen.

Drei junge Bauernburschen in Sardinien, Brüder, entdeckten in der Tiefe eines schauerlichen Abgrundes den Horst eines Adlers, aber die Felsenwand fiel so senkrecht ab, daß man nicht anders in die Tiefe hinunter gelangen konnte, als daß man sich an einem Seil hinunterließ.

Die Brüder entschieden sich für die Anwendung dieses Mittels und schwangen das Seil um den Stamm eines Baumes, der in der Nähe stand und gewissermaßen als Kolben dienen mußte. Das Gefährliche des Unternehmens bestand nicht blos in der Möglichkeit eines Sturzes von mehr als hundert und fünfzig Fuß in die Tiefe, sondern in der Wahrscheinlichkeit eines Angriffes der zahlreichen Raubvögel, die in der den Menschen unzugänglichen Schlucht sich aufhielten. Die Brüder bestimmten den, welcher an dem Seile sich hinablassen sollte, durch das Loos, und dieser hielt es für zweckdienlich, einen Säbel mit sich zu nehmen, um sich gegen die gefiederten Feinde vertheidigen zu können. Die beiden Andern hielten das Seil. Der Hinabsteigende war 22 Jahre alt, ein schöner, kräftiger Gebirgsbewohner … Er schlang sich das Seil muthig um den Leib und trat mit einem Fuße überdies in eine Schlinge am andern Ende desselben, um sich sicherer aufrecht zu halten, nachdem er das Zeichen des Kreuzes gemacht, ließen die Brüder das Seil langsam nach und er sank tiefer und tiefer an der Felsenwand hinab, bis er über dem Risse schwebte, in dem sich der Adlerhorst befand. Er bemächtigte sich glücklich der vier weißlichgelben jungen Adler darin, und rief freudig den Brüdern oben zu, ihn hinaufzuziehen. Sein Ruf schallte weit hin und deckte vielfache Echos in dem Geklüft, aber machte auch das alte Adlerpaar auf den Raub der Jungen aufmerksam. Mit haarsträubendem Geschrei und aufgesperrtem Schnabel schossen sie wüthend auf ihn zu; die Jungen, die er unter dem einen Arme hielt, kreischten dazu wie um Hülfe, andere Raubvögel stimmten in das Krächzen und Schreien ein und der Säbel, den der Adlerräuber unablässig um sie schwang, reichte kaum hin, ihn vor den allseitigen Angriffen zu schützen. Da fühlte er plötzlich eine heftige Erschütterung des Seiles, das ihn trug; er blickte an demselben hinauf und erkannte zu seinem Entsetzen, daß er es in der Hitze des Kampfes mit der Schneide des Säbels getroffen und zur Hälfte durchhauen hatte. Schauer des Entsetzens rieselten ihm durch die Glieder; wenn das Seil nun zu schwach war, ihn zu tragen, wenn es zerriß und er in die Tiefe zerschmetternd hinabstürzte …? Die Brüder oben wußten von der Verletzung des Seiles nichts, sie zogen mit aller Kraft und schneller und schneller und glücklich gelangte er mit den geraubten jungen Adlern, die er nicht losgelassen hatte, auf festen Boden. Es wäre kein Wunder gewesen, wenn ihm die Todesangst in den wenigen Minuten das Haar weiß gefärbt hätte.

Einen noch ergreifendern Vorfall ähnlicher Art erzählt ein Naturforscher, der sich eine Zeit lang aus dem Felseninselchen Garveloch an der Westküste Schottlands aufhielt, um da Seevögel und Seethiere zu fangen. Ein Knabe von etwa zwölf Jahren diente ihm auf seinen gefährlichen Ausflügen gewöhnlich als Führer und schloß sich endlich mit ganz besonderer Liebe dem fremden Manne an.

„Mehrmals," erzählt der Reisende, „hatte ich im Beisein Arkies (so hieß der Knabe) den Wunsch geäußert, junge Raubvögel, namentlich junge Seeadler zu haben. An einem schönen Morgen, als ich einen etwas längern Ausflug zu machen gedachte, fragte ich vergeblich nach meinem kleinen Führer. Man rief ihn umsonst in und neben dem Häuschen seines Vaters; man sah ihn nicht wie gewöhnlich irgendwo auf einer Klippe umherklettern und ich erkannte ihn selbst nicht mit dem Fernrohr auf dem Gipfel einer Felsenspitze, Storr genannt, auf die er bisweilen auch wohl kletterte. Ich mußte mich also entschließen, meine Wanderung allein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_026.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)